10. Juli 2016

Neuerschließung der Otto-Folberth-Stiftung auf Schloss Horneck

Sein reichhaltiges Privatarchiv und Teile seiner Privatbibliothek überließ Dr. Otto Folberth (1896-1991) der Siebenbürgischen Bibliothek und dem Archiv anlässlich der Tagung des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde e. V. im Jahr 1979 in Salzburg. Im März 1980, als die Otto-Folberth-Stiftung eingerichtet wurde, umfasste der Archivbestand zehn Regalmeter in 83 Bänden.
Den Schwerpunkt bildete eine umfangreiche Sammlung von eigenen und provenienzfremden Schriften zu Stephan Ludwig Roths Lebensgeschichte, dessen Werk sowie gesellschaftlichem Einfluss. Folberth gilt als bedeutendster Stephan-Ludwig-Roth-Forscher, der unter anderem eine siebenbändige Gesamtausgabe von Schriften und Briefen Roths herausgab. Einen weiteren bedeutenden Teil des Bestandes bilden Folberths eigene belletris- tischen Werke: Lyrik, Erzählungen, Novellen und drei Romane in unterschiedlichen Entstehungsstufen. Für „Die Sanduhr rinnt“ beziehungsweise „Das Stundenglas“, erhielt er 1955 den Preis des Südostdeutschen Kulturwerks, München. Dieser Roman erschien 2013 im Schiller Verlag, Bonn-Hermannstadt. Im Bestand befinden sich des Weiteren zahlreiche Zeitungs- und Zeitschriftenartikel, Essays, Reden und Rezensionen zu sächsischer, siebenbürgischer und osteuropäischer Kultur, Geschichte und Gesellschaft. Hinzu kommen die Kriegsberichte, die Folberth als rumänischer Hauptmann der Reserve und Kriegsberichterstatter im Auftrag des rumänischen Militärs verfassen musste. Etwa ein Fünftel des Gesamtbestandes bildet seine Korrespondenz mit vielen siebenbürgischen und nichtsiebenbürgischen Persönlichkeiten aus den Jahren 1947 bis 1978. Eine Besonderheit bilden die Original-Tagebücher des Juristen Michael Conrad v. Heydendorff d. J., der in der Komitatskanzlei in Klausenburg und als Senator und Bürgermeister von Mediasch tätig war. Sie umfassen die Jahre 1786 bis 1857 und sind ebenfalls Bestandteil der Otto-Folberth-Stiftung, da Heydendorff ein Ahne Folberths war. Vor einigen Jahren wurden dem Siebenbürgischen Archiv die Original-Tagebücher von Otto Folberth aus den Jahren 1911 bis 1986 von dessen Sohn Paul übergeben. Es handelt sich um 58 Bände, die die Alltags- und Mentalitätsgeschichte des 20. Jahrhunderts dokumentieren sowie den Ersten und Zweiten Weltkrieg an der Ostfront schildern. Folberth war Inhaber des Signum laudis I (1916) und Signum laudis II (1917), beide mit den Schwertern am Bande des Militärverdienstkreuzes sowie des Karl-Truppen-Kreuzes, des Sterns von Rumänien mit den Schwertern im Kavaliersgrad am Bande der „Virtute Militară“ (1943), des Eisernen Kreuzes II. Klasse sowie des Krimschildes (1943).

Otto Folberth war Mitbegründer, Sekretär und Ehrenpräsident der Sektion Österreich der Forschungsgesellschaft für das Weltflüchtlingsproblem (Association for the Study oft the World Refugee Problem/AWR, Vaduz-Lichtenstein).
Dr. Otto Folberth – Mitte der 1980 Jahre. Foto: ...
Dr. Otto Folberth – Mitte der 1980 Jahre. Foto: Siebenbürgen-Institut
Im Jahr 1957 wurde er zum korrespondierenden Mitglied der Südostdeutschen historischen Kommission ernannt. Folberth hatte zahlreiche Ehrenämter inne, unter anderem war er Obmann des Vereins der Siebenbürger Sachsen in Salzburg und Kulturreferent der Landsmannschaft in Österreich. 1959 erhielt er das Goldene Verdienstzeichen der Republik Österreich, 1965 einen Förderpreis des Theodor Körner-Stiftungsfonds zur Förderung von Wissenschaft und Kunst, 1966 das Bürgerrecht für Salzburg in Würdigung seiner Verdienste um die Stadt, 1966 eine Ehrengabe aus dem Georg Dehio-Preis der Ostdeutschen Künstlergilde für das wissenschaftliche Gesamtwerk, 1971 den Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreis, 1972 das Silberne Verdienstzeichen des Landes Salzburg, 1976 den Georg-Dehio-Preis für das Buch „Gotik in Siebenbürgen. Der Meister des Mediascher Altars und seine Zeit“ sowie 1981 die Mozart-Medaille der Goethe-Stiftung. Die Otto-Folberth-Stiftung beinhaltet auch die zivilen und militärischen Ehrenzeichen sowie Auszeichnungen, die teilweise im Siebenbürgischen Museum aufbewahrt werden, wo sie eine Zeitlang in einer Sondervitrine ausgestellt waren.

Seit ihrem Bestehen war der Bestand der Otto-Folberth-Stiftung öffentlich zugänglich, bis auf die Korrespondenz und ein Romanmanuskript, deren Sperrung noch durch Folberth selbst aufgehoben wurde. Bei möglichen Veröffentlichungen ist heute das Einverständnis der Familie einzuholen. Eine erste Erschließung des Bestandes wurde in den Jahren 1978 bis 1984 unvollständig und in wenigen Stichworten auf 102 Karteikarten durchgeführt. Eine zweite Erschließung erfolgte in den Jahren zwischen 2005 und 2010 anhand weniger Kategorien in Word-Dateien. In diesem Jahr verstarb unerwartet der Bearbeiter, so dass keine geordnete Übergabe erfolgte. Aufgrund der Bedeutung des Bestandes der Otto-Folberth-Stiftung als Kulturgut der Siebenbürger Sachsen sowohl für die kulturellen Wechselbeziehungen als auch für die Aufarbeitung der Nachkriegsgeschichte, die Integration und Identitätsbildung in Österreich und Deutschland sowie zur wissenschaftlichen Erforschung und kulturellen Vermittlung des Werkes einer bedeutenden Persönlichkeit hat sich die Heimatgemeinschaft (HG) Mediasch e.V. entschlossen, eine digitale Neuerschließung durchführen zu lassen. Die Finanzierung erfolgte durch Paul Folberth und die HG Mediasch. Die treibende Kraft des Gesamtprojekts war der Kulturreferent der HG, Dr. Hansotto Drotloff. Für die Durchführung konnte die Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste im Archiv, Jutta Fabritius, gewonnen werden. Das Vorhaben wurde in zwei mehrmonatigen Teilzeitprojekten in den Jahren 2012 und 2015 realisiert. Die Erschließung erfolgte nach den Richtlinien des Landes Baden-Württemberg für die Titelaufnahme und Repertorisierung von Nachlässen, die sich an den Grundsätzen zur Nachlasserschließung (ISAD-G) des Internationalen Archivrats orientieren. Wesentliche Elemente dieser Richtlinie sind die sogenannte Stufenerschließung und die Kompatibilität mit den Erschließungen anderer Archive und Bibliotheken, die langfristig auf den Online-Zugang zu Nachlässen über Archiv- und Bibliotheksportale zielt. Die Stufenerschließung erfolgte in diesem Fall durch eine Kurzbeschreibung jedes Teilbestands (Ebene E 0) und jeder Archivalieneinheit (Ebene F 0), die Kompatibilität durch die Verwendung genormter Erschließungskategorien. Die Erschließung wurde in Word-Tabellen vorgenommen, die zu einem späteren Zeitpunkt in Excel-Tabellen umgewandelt und damit als Grundlage für eine Datenbank verwendet werden können. Auf der Homepage des Siebenbürgen-Instituts unter www.siebenbuergen-institut.de bieten eine durchsuchbare pdf-Datei mit inhaltlicher Gliederung aller Teilbestände und Archivalieneinheiten einen raschen Zugriff auf einzelne Begriffe und Namen beziehungsweise die Themengebiete. Eine Beschreibung des Bestands sowie eine ausführliche Dokumentation der Archivierungsumstände als Einleitung zu den Erschließungstabellen runden das Repertorium (= Findbuch) ab. Anlässlich des 120. Geburtstages von Otto Folberth ist das Findbuch ab 10. Juli 2016 auf der erwähnten Internetseite einsehbar. Alle Beteiligten empfehlen das Werk einer regen Nutzung und hoffen auf Interesse an diesem überaus vielseitigen und anregenden Schriftstellernachlass.

Jutta Fabritius, Ingrid Schiel

Schlagwörter: Folberth, Schloss Horneck, Gundelsheim, Nachlass

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