1. Oktober 2016

Tausende Deutsche betroffen: Politische Zwangsarbeitseinheiten der DGSM in Rumänien

Die politischen Zwangsarbeitseinheiten der DGSM in Rumänien wurden vor 55 Jahren aufgelöst. Mehrere Hunderttausend junge Männer wurden in den Jahren 1950 bis 1961 als Zwangsarbeiter in Arbeitseinheiten der DGSM, der Generaldirektion der Arbeitseinheiten beim Ministerrat der Rumänischen Volksrepublik (Direcția Generală a Serviciului Muncii de pe lângă Consiliul de Miniștri al R.P.R) eingezogen. Mit wenigen Ausnahmen erlitten alle Deutschen der Jahrgänge 1927 bis 1936, also auch Tausende Siebenbürger Sachsen, dieses Schicksal. Der rumänische Staat nutzte diese speziellen Einheiten beim Städtebau, dem Ausbau von Bahntrassen usw. Diese schwere körperliche Arbeit mit Schaufel und Spaten hat auch der Verfasser verrichten müssen, wie den folgenden Schilderungen zu entnehmen ist.
In den ersten Tagen wurden wir belehrt, dass uns bei Nichterfüllung der Norm drei Tage hintereinander sechs Monate Militärgefängnis wegen Befehlsverweigerung erwarteten. Tagesnorm war, sechs bis acht Kubikmeter Erde zu schaufeln.

Zwangsarbeit ist vielschichtig. Sie war in diesem Fall ein wirtschaftlicher und ein politischer Faktor. Darüber habe ich 2009 das Buch „Zwangsarbeit in Rumänien 1950-1961“ im Selbstverlag (einige Bücher sind noch erhältlich) mit Zeitzeugenaussagen und einem Auszug aus dem Gesetz 309/2002 herausgebracht. Wer waren wir, die in Steinbrüchen, Bergwerken (Kohle, Eisen, Blei bis Uran), im Straßenbau, der Reinigung von städtischen Abwasserkanälen usw. gezwungen wurden, schwere körperliche Arbeit (Zwangsarbeit), einige zwei, andere drei Jahre lang zu leisten? Tote gab es in Einheiten bei Hochöfen und in Bergwerken, wo wir eingesetzt wurden. Viele kamen für immer geschädigt nach Hause.
Zwangsarbeiter in Neu-Arad, 1959. Foto: Rudolf ...
Zwangsarbeiter in Neu-Arad, 1959. Foto: Rudolf Fischer
Es waren Söhne von sogenannten Ausbeutern: ehemalige Fabrikanten, Geschäftsbesitzer, Pfarrer aller Konfessionen, Großgrundbesitzer, Analphabeten, Delinquenten, Männer, die Grenzübertritte versucht hatten, oder politisch Verurteilte, nachdem sie ihre Strafe abgesessen hatten. Oder wenn zu der Familie jemand gehörte, der früher politisch tätig war. Es waren Offiziere, die ihre Studien in Militärakademien in Russland gemacht hatten, Juden, die Anträge zur Ausreise nach Israel eingereicht hatten, und andere mehr. Am schwersten betroffen waren diejenigen, die fünf Jahre Russlanddeportation hinter sich hatten, nach ein paar Monaten heimgekehrt, für weitere drei Jahre oder bis zu ihrem 26. Lebensjahr in diese Einheiten eingezogen wurden. Dazu kamen diejenigen, die Verwandte im Ausland hatten.

Welcher Rumäniendeutsche hatte nicht kriegsbedingt Verwandte im Ausland? Ein Großteil in diesen Einheiten waren rumänische Staatsbürger deutscher Nationalität. Ich persönlich hatte die Brüder meines Vaters, die 1941 Rumänien offiziell verlassen hatten, in Westdeutschland und wurde somit zur Strafe in diese Einheiten eingegliedert.
Windschutz im Schubkarren: Zwangsarbeiter im März ...
Windschutz im Schubkarren: Zwangsarbeiter im März 1959 in Ceala bei Neu-Arad.
Mit dem Gesetz Nr. 309/2002 wurden diese Arbeitseinheiten als politische Strafmaßnahme anerkannt und bedacht. Die Personen rumänischer Staatsangehötigkeit, die zwischen 1950 und 1961 in den Arbeitseinheiten der DGSM eingezogen wurden, wurden damit den politisch Verfolgten und Revolutionären gleichgestellt. Sie erhalten lebenslang eine Entschädigungsleistung von zurzeit fünf Lei je Monat Arbeitseinsatz (bei 36 Monaten Zwangsarbeit sind das umgerechnet etwa 40 Euro). Zudem können sie in Rumänien einige Vergünstigungen in Anspruch nehmen: unentgeltliche ärztliche Betreuung und Medikamente sowie Befreiung von der Zahlung der Radio- und Fernsehgebühren. Diese Leistungen erhalten auch die Hinterbliebenen zu fünfzig Prozent.

In meinem Buch „Zwangsarbeit in Rumänien 1950-1961“ sowie in meiner Buchreihe „Die Deutschen in Rumänien“ kann man weitere Zeitzeugenaussagen zu diesen Begebenheiten einsehen. In seiner Buchrezension schrieb Hans Bergel in der Siebenbürgischen Zeitung, Folge 2 vom 31. Januar 2010, Seite 7, vgl. SbZ Online vom 9. Dezember 2009: „Der um die Aufzeichnung kommunistischer Verbrechen verdiente rumänische Publizist Romulus Rusan zählt in seiner vorzüglichen Dokumentation ,Chronologie und Geografie der kommunistischen Unterdrückung in Rumänien‘ (deutsch 2008 von Hans Bergel) die ,Soldaten bei der Zwangsarbeit‘ zur großen ,Sklavenmasse‘ der mit heute kaum noch fassbarer politischer Brutalität in unterschiedlichsten Formen zum Frondienst gepressten Menschen. Diese ,Arbeits­sol­daten‘, schreibt er, gingen ,durch die Hölle ahumaner Arbeits-, Unterbringungs- und Ver­pflegungsbedingungen hindurch‘.“

Weitere Zeitzeugenberichte hierzu sind auf der Webseite www.wilhelm-roth.de/Versc/versc.htm zu finden.

Wilhelm Ernst Roth

Schlagwörter: Zwangsarbeit, Kommunismus, Zeitzeugenbericht

Bewerten:

19 Bewertungen: +

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.