4. Dezember 2017

50 Jahre Siebenbürgisches Museum in Gundelsheim am Neckar

1968 wurde das Siebenbürgische Museum auf Schloss Horneck in Gundelsheim am Neckar der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Anlässlich seines 50-jährigen Bestehens präsentiert das Museum die am 17. November eröffnete Jubiläumsausstellung „50 Jahre & 50 Gemälde. Glanzlichter der Gemäldesammlung“ (siehe Bericht von der Vernissage auf Seite 3). In einer zweiteiligen Reihe befasst sich die Vorsitzende des Trägervereins Siebenbürgisches Museum Gundelsheim e.V., Dr. Irmgard Sedler, mit der Geschichte, der aktuellen und künftigen Entwicklung dieser für den Erhalt unserer siebenbürgisch-sächsischen Identität so wichtigen Institution.
Die Idee des Nationalmuseums in Europa hat ihre Anfänge im 19. Jahrhundert, wobei es in der spätromantischen Verklärung des Nationalen galt, anhand von materiellen Zeugnissen und Relikten, die der eigenen kulturellen Identität zugeordnet waren, „das Außergewöhnliche der Nation und ihres historischen Weges zu demonstrieren.“ (Krzysztof Pomian). So setzen auch die Anfänge eines im modernen Sinne national verstandenen siebenbürgisch-sächsischen Museums, im Unterschied und Gegensatz zum aufklärerisch-universell geprägten Geist des viel älteren Brukenthalmuseums, bei dem 1895 in Hermannstadt eröffneten Karpatenvereinsmuseum an.

Losgelöst aus den bisherigen Zusammenhängen des alltäglichen Gebrauchs, sollten die hierher „geretteten“ Gegenstände der Volkskultur im Kontext der Vereinsziele mithelfen, „jenes längst zerrissene Band, das sich äußerlich um unser Volk schloss, durch ein Inneres zu ersetzen“. (Jahresbericht 1912). Die Aussage muss vor dem Hintergrund der empfundenen Verunsicherung bei den Siebenbürger Sachsen durch den Verlust des „Königsbodens“ und der sich beschleunigenden Modernisierungsauswirkungen auf die allgemeine Lebenshaltung im Karpatenbogen verstanden werden. „Im Museum dem Vergänglichen einen Hauch von Zeitlosigkeit verleihen“ (W. M. Johnston) wurde als Kompensationsangebot verstanden.

Als die Künstlerin siebenbürgisch-sächsischer Herkunft Lore Connerth-Seraphin im Rahmen des „Heimatwerks der Siebenbürger Sachsen“ in München Mitte der 1950er Jahre mit dem Sammeln volkskundlicher Gegenstände begann, um das sächsische Kulturerbe „nicht den Altwarenhändlern und Kostümverleihern“ zu überlassen, geschah dies aus einer ähnlichen Empfindung des Verlustes siebenbürgisch-sächsischer Identität heraus: Der Zweite Weltkrieg und seine Folgen (Russlanddeportation, Enteignung, Auflösung des eigenen Schulwesens und der kulturellen Institutionen) hatten viele Sachsen aus dem angestammten Siedlungsgebiet „in alle Welt verstreut“. Vor dem Hintergrund der Flucht aus Nordsiebenbürgen und des räumlichen „Heimatverlustes“ auch vieler Südsiebenbürger wurden vor allem die ästhetisch besetzten und emotional geprägten, aus Siebenbürgen in die Bundesrepublik mitgebrachten Gegenstände zu Objekten persönlicher wie kollektiver Identitätsversicherung. Als Medium und Auslöser von Erinnerungen symbolisierten sie das Verbindende einer neu in der Bundesrepublik Deutschland sich konstituierenden Kulturgemeinschaft. 1960 kam die inzwischen durch zahlreiche Schenkungen angewachsene Sammlung in die Obhut des „Hilfsvereins Johannes Honterus“ auf Schloss Horneck nach Gundelsheim am Neckar, ehemaliger Sitz des Deutschen Ordens. Jahre später war daraus eine kleine, überschaubare, von den Mitgliedern des Vereins betreute Präsentation geworden, mit der man am 20. April 1968 offiziell als „eine etwas bessere Heimatstube“ (B. Herter) an die Öffentlichkeit ging. Im Zusammengang mit der Stadt Gundelsheim zeigte sich dem Besucher ein Heimatmuseum, das sich zum einen auf die siebenbürgischen Belange, zum anderen auf die Ortsgeschichte Gundelsheims ausrichtete.
Themenraum Wohnkultur im Siebenbürgischen Museum: ...
Themenraum Wohnkultur im Siebenbürgischen Museum: Blick in die ländliche Gute Stube des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Dem Diagonalsystem der Einrichtung entsprechend stehen sich Ofen- und Wirtschaftseck gegenüber. Foto: © Siebenbürgisches Museum, Markus Lörz
Im Laufe der Zeit wuchs der Sammlungsbestand mit siebenbürgischem Bezug erheblich, ganze Nachlässe kamen ins Haus, so auch jener von Luise Treiber-Netoliczka, deren wissenschaft(Fortsetzung von Seite 1) liches Wirken die siebenbürgische Volkskunde um die Mitte des 20. Jahrhunderts bedeutend geprägt hatte. Damit einhergehend richtete sich die fachliche Zielsetzung der Institution allmählich über die Belange eines Heimatmuseums hinaus auf die Ansprüche eines kulturhistorischen Museums aus. In diesem Kontext war und bleibt das Zusammenwirken des musealen Bereiches mit den anderen siebenbürgischen Kultureinrichtungen auf Schloss Horneck, der wissenschaftlichen Bibliothek und dem Archiv, von besonderer Wichtigkeit. Zu Beginn der 1970er Jahre hatte sich Gundelsheim als der Standort siebenbürgischer Wissenschafts- und Kulturvermittlung in der Bundesrepublik Deutschland etabliert. Ab 1973 koordinierte ein eigener Trägerverein, dem die wichtigsten siebenbürgischen Einrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland angehörten, die Aktivitäten des Hauses und bestimmte die Zielrichtung. Seit 1986 unterstützte ein Freundeskreis das Museum finanziell und ließ ihm zugleich weitere sachliche Kulturgüter zukommen.

Mit dem politischen Umbruch in Rumänien und dem massiv einsetzenden Exodus der Siebenbürger Sachsen ab 1990 erfuhr die siebenbürgische Einrichtung auf Schloss Horneck gesteigerte Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit und der kulturpolitischen Szene. Hatte das Museum auch bis dahin die Unterstützung des Bundes für das erhaltungswürdige „ostdeutsche Kulturerbe“ erfahren – dies auf der Grundlage des Paragraphen 96 des Gesetzes für die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (1953) –, so kamen in diesem Zusammenhang neue Aspekte hinzu.

Da die Institution Museum ein wichtiges gesellschaftliches Phänomen darstellt, muss sie, um im Kontext gesellschaftspolitischen Wandels sinnstiftend wirken und lebendig bleiben zu können, ihre Selbstverortung und Zielsetzungen im Umgang mit Geschichte und Erinnerung immer neu hinterfragen. Das bedeutete für das Siebenbürgische Museum eine Neuorientierung der Sammlungspolitik und zugleich die Neugestaltung der Dauerausstellung. Man ging dabei von der unveränderten Grundannahme der „Bedeutung des ostdeutschen / hier siebenbürgischen Kulturerbes für die Gesamtkultur unserer deutschen Nation“ (Grundsatzkonzeption Bund 1982) aus, zugleich aber sollte der Blick auf den gesamtsiebenbürgischen Zusammenhang der sächsischen Kultur gerichtet werden, der nationale Aspekt gar in den gesamteuropäischen Kontext gestellt werden. Die Unterstützung der deutschen Minderheit vor Ort und der Erhalt des „Kulturguts in den deutschen Siedlungsgebieten“ wurde mit zu einem kulturpolitischen Desiderat.

1991 zum Landesmuseum erhoben

Um diese Aufgaben bewältigen zu können, wurde die nunmehr unter der offiziellen Bezeichnung Siebenbürgisches Museum in Gundelsheim firmierende Institution 1991 in den Rang eines Landesmuseums gehoben. 1997 ­erfolgte mit der Neugestaltung der Dauerausstellung die Festschreibung des Museums als „siebenbürgisches Aspekte-Museum“, das streiflichtartig die wichtigsten Bereiche siebenbürgisch-sächsischer Lebensäußerung vor dem Hintergrund gesamtsiebenbürgischer Geschichte dem Besucherpublikum darbot: Es ging um die Darstellung ländlicher wie städtischer Kulturaspekte, um Kirche, Schule und Kindheit in Siebenbürgen, um das Vereinswesen, um Kunst und die Kleidung als Marke ethnischer Identität im vielkulturellen Siedlungsgebiet der Sachsen. Die Kooperation mit dem Kronstädter Volkskundemuseum erleichterte und bereicherte die intensiv geleistete Feldforschungsarbeit in dieser Zeit. Die in solchem Zusammenhang durchgeführten Einkaufskampagnen in Siebenbürgen ließen den Sammlungsbestand wachsen.

Wandel in der geschichtsvermittelnden Museumsarbeit

1999 habe ich selbst die Leitung des Trägervereins des Siebenbürgischen Museums übernommen und wurde mit den Inhalten und den zeitpolitischen Anforderungen an das Museum vertraut: Die Entwicklungen in der deutschen Gesellschaft, aber auch die verstärkte Selbstverortung der siebenbürgisch-sächsischen Erlebnisgeneration und ihrer Nachfahren in der Bundesrepublik brachten neue Sehweisen in die Museumsarbeit. Die Macht der Objekte als Zeichenträger von Selbst- und Fremdwahrnehmung gaben den persönlichen Erlebnissen, die immer hinter den Dingen stehen, eine verstärkt auf die Gegenwart ausgerichtete Gewichtung innerhalb des Kollektiven. In diesem Kontext stellten die knapp fünfzig Jahre siebenbürgischen Lebens in der Bundesrepublik Deutschland, die Integration der Siebenbürger in die hiesige Gesellschaft neue Fragen, die das Feld geschichtsvermittelnder Museumsarbeit nuancierten und weiter absteckten. Hinzu kam der Wandel und die ethnischen Verschiebungen in den ehemals „sächsischen“ Dörfern, die Auflösung der Kirchengemeinden und das Schicksal der Gotteshäuser und ihrer Inneneinrichtung, die neuen rumänischen Mythen über das nun in die geschichtliche Dimension entrückte Sächsische.

Es galt in diesem Kontext die Feldforschung in Siebenbürgen zu intensivieren, etwa zum Thema Kircheninneneinrichtungen, hierbei die Kooperation mit Museen vor Ort neu anzugehen. 1999 wurde der Partnerschaftsvertrag mit dem ASTRA-Nationalmuseum unterzeichnet. Gemeinschaftsausstellungen, etwa im Jahr der Kulturhauptstadt Hermannstadt 2007, trugen die neuen Anliegen des Siebenbürgischen Museums zu den Museumsbesuchern in Kronstadt, Hermannstadt, Bistritz oder Agnetheln. Auch die Zusammenarbeit mit dem Landeskirchlichen Museum im Teutsch-Haus in Hermannstadt konnte kontinuierlich ausgebaut werden. Auf Schloss Horneck wurden nach der Jahrtausendwende Teile der Dauerausstellung im Sinne einer zeitaktuellen Interpretation von Geschichte und Erinnerung erneuert: das Nachbarschaftswesen als historischer Gegenpol zu zeitgenössischem Individualismus und Abschottung, die historische Wohnkultur im Zeichen des befruchtenden interethnischen Austauschs, die Schule der Siebenbürger Sachsen als Grundlage ethnisch-kultureller Identitätsversicherung bildeten die Inhalte der neuen Themenräume.

Gegenwärtig ist der Sammlungsbestand des Museums auf über 19000 Inventarnummern gewachsen. Er spiegelt die ständig rekonstruierte und gesellschaftlich neu verhandelte Sehweise der Mythen, der Erinnerung, der Geschichte und der Gegenwart siebenbürgischen Daseins im Karpatenbogen und in der Bundesrepublik wider. Seit Mai 2007 finden in den neu eingerichteten Sonderausstellungsräumen im Obergeschoss kontinuierlich Sonderausstellungen statt. Sie greifen Aspekte und Sonderthemen siebenbürgischer Kultur- und Kunstgeschichte auf, veranschaulichen die kulturelle Dynamik sächsischer Lebensäußerungen im Kontext Siebenbürgens und Europas, gestalten sich als Medium für die individuelle Geschichts- und Lebenserfahrung sowie für das Verbindende einer über 900-jährigen Geschichte und Kulturgemeinschaft.

Dass das Siebenbürgische Museum sich über ein halbes Jahrhundert mit seinen Aussagen in der Öffentlichkeit auf niveauvoller Ebene behaupten konnte, verdankt es einer ganzen Reihe von Persönlichkeiten des Geistes, die hier ehren- und hauptamtlich gewirkt haben, so Dr. Horst Moeferdt und Richard Schuller, Balduin Herter und Dr. Walter König, Kathrin Mönch, Dr. Volker Wollmann und Marius Joachim Tataru, Rotraut Sutter-Acker und Dr. Annemie Schenk.

Gegenwart und Ausblick des Siebenbürgischen Museums bleiben einer noch folgenden Darstellung vorbehalten.

Dr. Irmgard Sedler

Schlagwörter: Schloss Horneck, Gundelsheim, Siebenbürgisches Museum, Jubiläum

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