24. April 2003

Hans Bergel über NS-Zeit in Siebenbürgen

Mit dem Hinweis, dass der Autor „eine Episode aus dem Herbst 1940 in Siebenbürgen“ liest, hatte das Haus des Deutschen Ostens (HDO) München für den 10. April zu einem Literaturabend mit Hans Bergel eingeladen. Der dafür vorbereitete Ausstellungsraum des Hauses war bis auf den letzten Platz gefüllt. Denn dass Bergel aus dem Manuskript des zweiten Bandes des Romans „Wenn die Adler kommen“ lesen würde, hatte der Veranstalter mit Recht als zusätzliche Attraktion veranschlagt.
Durch das Prisma einer siebenbürgischen Familie gesehen, erfasst Band eins (erste Auflage 1996) die europäischen Ereignisse des 20. Jahrhunderts bis zum Ausbruch des 2. Weltkriegs. Die Absicht, vor dem strikt beachteten historischen Hintergrund das Epos zu erzählen, liegt auch Band zwei zugrunde. In ihm soll die Epoche des Krieges 1939-1945 beschworen werden. Das war für die Deutschen in Rumänien 1940-1944 zugleich die NS-Zeit. Und mit deren Beginn setzt das Kapitel ein, aus dem Bergel Fragmente vorlas. Der etwa fünfzehnjährige Peter Hennerth, Erzähler auch in Band eins, schildert den „Ausbruch der neuen Zeit“, wie er ihn am Kronstädter Honterus-Gymnasium, mit Schulfreunden, Lehrern und in der Familie erlebte.

Zweierlei beeindruckte die Zuhörer im HDO: Der dramatische Griff, mit dem Bergel die genau beobachteten Details in Sprache umsetzt und zum einheitlichen Erzählfluss bündelt; und der nach allen Seiten hin schonungslose Realismus in der Zeichnung der Vorgänge und Situationen. Dabei wird größtes Gewicht auf Differenzierungen gelegt, weil der Autor - wie er in der lebhaften Anschlussdiskussion sagte - von „den die deutsche Literatur unserer Tage entstellenden political-correctness-Klischees nichts hält“. Unüberhörbar die - streckenweise bittere - Ironie, mit der Bergel die siebenbürgische, noch mehr freilich die „reichsdeutsche“ Gesellschaft jener Jahre seziert. „Ohne Ironie“, sagte der Schriftsteller in der Diskussion, „lässt sich all das aus heutiger Sicht literarisch nicht bewältigen“.

Dies war auch der Punkt, an dem einige der älteren Besucher des Abends ihre Schwierigkeiten hatten. „Aber es war ja doch alles so schön“, war hinter vorgehaltener Hand zu hören. „Wer heute so redet, will das grauenhafte Leid von Millionen Menschen immer noch nicht wahrhaben, für die es zu jenem Zeitpunkt alles andere als ‚so schön‘ war“, erklärte Bergel gegenüber dieser Zeitung.

Die Tragödie der wenig informierten Siebenbürger Sachsen, vom NS-Sog „reichsdeutscher“ Fanatiker erfasst und in der Folge als Volksgruppe historisch ausgelöscht worden zu sein - diese Spannung zwischen „reichsdeutscher“ und siebenbürgischer Befindlichkeit verdeutlicht Bergel präzise und effektvoll als durchgehend hörbarer Grundton. So wenn es in den Schlusssätzen heißt: „Was wussten wir konservativen Provinztrottel am Rande Balkans in unserer naiven Deutschlandgläubigkeit von den wahren Absichten der Piefkes? Bedurften wir also, könnte einer ironisch fragen, um auf der Höhe der Zeit zu sein, nicht dringend der modernisierenden Anschübe aus dem dynamischen deutschen Mutterland, wo es offenbar zu allen Zeiten Leute gibt, die nur dann leben können, wenn sie sich, o Gott, bald dieser, bald jener modischen Hysterie hingeben und dann obendrein auch noch jeden inquisitorisch verteufeln, der es ablehnt, ihren Quatsch mitzumachen?“

C. B.

Schlagwörter: Bergel, Nationalsozialismus

Bewerten:

6 Bewertungen: ––

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.