3. Juli 2020

Reges Kulturleben im Siebenbürgen-Institut: Schwerpunkte Forschung, Bildung, Bibliothek und Archiv

Vor wenigen Tagen hat das Siebenbürgen-Institut seine neuen Büros auf Schloss Horneck bezogen. Geschäftsführung, Sekretariat und Buchhaltung sind aus der Schlossstraße 41 in Gundelsheim ins Schloss umgezogen. Wie die Geschäftsführerin Dr. Ingrid Schiel in dem folgenden Artikel berichtet, ist das Siebenbürgen-Institut in Bibliotheksverbünden gut vernetzt, so dass Benutzer übers Internet sowohl Bücher bestellen als auch in Zeitschriften recherchieren können. Zudem wird im Institut eifrig geforscht, neuerdings werden Projekte zur Renovierung siebenbürgisch-sächsischer Kirchenburgen betreut. Zur 52. Jahrestagung lädt der Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde für den 12. September nach Gundelsheim ein.
Vor dem Umzug ins Schloss: Letzter Arbeitstag der ...
Vor dem Umzug ins Schloss: Letzter Arbeitstag der Geschäftsführerin Dr. Ingrid Schiel im alten Büro in der Schlossstraße 41 in Gundelsheim. Foto: Jutta Fabritius
Seit März 2003 ist das international bekannte Siebenbürgen-Institut an das Seminar für Osteuropäische Geschichte der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg angeschlossen und damit ein An-Institut der Universität Heidelberg. Es ist die zentrale Forschungs- und Dokumentationsstelle zur Kultur und Geschichte der Siebenbürger in Deutschland. Die Tätigkeit des Instituts besteht vor allem in Dokumentation, Forschung sowie der Durchführung von Forschungsprojekten, Herausgabe von Publikationen und Veranstaltung von Tagungen.

Seit 65 Jahren ist die Siebenbürgische Bibliothek mit Archiv, die das Herzstück des Instituts bildet, auf Schloss Horneck untergebracht. Sie umfasst über 90.000 Medieneinheiten, darunter viele Transylvanica, und bildet die größte einschlägige Sammlung westlich von Budapest. Hinzu kommt das Archiv mit rund 1.500 Regalmetern Archivalien, vielen Sondersammlungen wie beispielsweise Kirchenmatrikeln, Nachlässen, Landkarten, Vereinsarchivalien, Fotografien, Postkarten, Plakaten, Filmen und Tonaufnahmen. Interessierte können die verfügbaren Publikationen weltweit recherchieren, da die Siebenbürgische Bib­liothek an den Katalog (Datenbank) K10plus angeschlossen ist, der die Bib­liotheksbestände von über zehn Bundesländern umfasst. Seit April 2020 können die hausinternen OPAC-Bestände im Verbundkatalog östliches Europa (VOE) recherchiert werden. Er umfasst mit knapp 1.100.000 Titeln die EDV-erschlossenen Bestände von über dreißig Bibliotheken und kulturell-wissenschaftlichen Einrichtungen wie Archiven, Museen und Stiftungen in Deutschland, Polen und Tschechien. Der Katalog enthält Literatur zum gesamten Raum des östlichen Europa, zur Geschichte und Kultur der Deutschen im östlichen Europa, zur Geschichte Deutschlands und seiner östlichen Nachbarländer sowie zur Migration und Integration. Das Fächerspektrum umfasst beispielsweise Geschichte, Literatur, Sprachwissenschaft, Genealogie, Theologie, Musik und Kunst. Dies ist ein sehr erfreuliches Geschenk zum 65. Geburtstag der Siebenbürgischen Bibliothek im Jahr 2020. Im OPAC werden weit mehr Informationen genannt als in HEIDI, dem Katalog der Unibibliothek Heidelberg und damit im Verbundkatalog K10plus. Zu den Recherchemöglichkeiten siehe https://katalog.martin-opitz-bibliothek.de/cgi-bin/voe/db/maske.pl?db=voe und https://katalog.ub.uni-heidelberg.de/cgi-bin/search.cgi?zweig=.

Eine führende Einrichtung für mittel- und osteuropäische Forscher ist die Central and Eastern European Online Library, CEEOL, die den Zugang zu elektronischen Zeitschriften und Büchern im Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften ermöglicht. Über die Homepage www.ceeol.com können auch die Beiträge aus der Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde gelesen werden. Nicht nur Institutionen, sondern auch Personen können sich einen privaten, kostenfreien Zugang zur CEEOL einrichten, um Artikel oder Bücher für die eigene wissenschaftliche Arbeit herunterzuladen. Neben kostenpflichtigen Downloads finden sich auch kostenfrei zugängliche Artikel und Zeitschriften. Von der Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde sind alle Ausgaben seit dem ersten Jahrgang 1978 erfasst. Für die – im Übrigen nicht exklusive – Zurverfügungstellung der Beiträge erhält der Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde e.V. von der CEEOL im Gegenzug einen festgelegten Anteil der Download-Gebühren. Diese moderaten, aber stetigen Erlöse kommen dem Landeskundeverein zugute und decken teilweise die Kosten für Fachübersetzungen ins Deutsche.
Das Team des Siebenbürgen-Instituts im Jahr 2017, ...
Das Team des Siebenbürgen-Instituts im Jahr 2017, von links nach rechts, erste Reihe. Hannelore Schnabel, Michaela Adam, Ute Heiser, Jutta Fabritius; zweite Reihe: Christian Rother, Dr. Ingrid Schiel, Martha Holl-Krause, Edith Haberich. Foto: Anneliese Vater
Zudem werden in Gundelsheim mehrere Schriftenreihen herausgegeben. Die jüngsten Bücher umfassen die Korrespondenzen und Vorträge des Pfarrers, Gelehrten und Politikers Adolf Schullerus, die Gesamtkirchenvisitationen der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien von 1990-2010 sowie den Deutsch-Sächsischen Frauenbund von 1921-1939.

In Zusammenarbeit mit der Universität Heidelberg wurde im Frühjahr 2018 ein Forschungsprojekt: „Tages- und Wochenzeitungen der Deutschen in Rumänien während der kommunistischen Herrschaft und der Wendezeit (1949-1992)“ genehmigt. Dabei handelt es sich um Recherche, Dokumentation, Sicherung, Erschließung und Digitalisierung der Archive der Zeitungsredaktionen sowie der erschienenen Zeitungen. Zu diesem Zeitpunkt gab es keine vollständige digitale Sicherungskopie der deutschsprachigen Tages- und Wochenzeitungen aus Rumänien. Bekanntlich ist Zeitungspapier in besonderem Maß dem Zahn der Zeit ausgesetzt. Aber auch die hinter den Print-Ausgaben dieser Periodika stehenden Korrespondenzarchive der Redaktionen stellen eine der Unbekannten der Zeitgeschichte dar, die Erkenntnisse zum Verhältnis der deutschen Minderheit zum kommunistischen Regime in Rumänien erhoffen lassen. Im Rahmen des Projektes entstand eine komplette digitale Kopie der Print-Ausgaben der Zeitungen Neuer Weg, Die Wahrheit/Neue Banater Zeitung, Volkszeitung/Karpatenrundschau und Hermannstädter Zeitung/Die Woche.

Zurzeit wird mit Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) die Sicherung und Erhaltung ausgewählter siebenbürgisch-sächsischer Kirchenburgen durch baulich-denkmalpflegerische Maßnahmen einschließlich konzeptioneller Arbeiten bis zum Jahr 2022 durchgeführt. Drei Kirchenburgen werden instandgesetzt und für eine Nachnutzung baulich vorbereitet. Notmaßnahmen wie beispielsweise Dachreparaturen werden an 13 Kirchenburgen durchgeführt. Für all diese Arbeiten entsteht eine Bauhütte. Vor Ort werden die Burghüter in die konzeptionellen Arbeiten eingebunden. Richtlinien zu Fragen der Denkmalpflege und des Fundraisings sowie eine Konzeption zur Zukunft der Kirchenburgen samt der langfristigen Einbindung von Schlüsselpartnern werden erarbeitet. Die Durchführung vor Ort obliegt der Stiftung Kirchenburgen in Hermannstadt. Der Siebenbürgisch-Sächsische Kulturrat e.V. in Gundelsheim fungiert als Projektträger und Kooperationspartner. Weitere Informationen unter https://kirchenburgen.org/deutschland-foerdert-den-erhalt-der-kirchenburgenlandschaft/.

Im Rahmen des Umbaus auf Schloss Horneck zieht das Bild- und Nachlassarchiv aus dem Institutsgebäude von der Schlossstraße ins Schloss. Die Bibliothek und das Archiv erhalten weitere Räume für ihre Bestände. Aufgrund der beschränkten Personal- und Raumkapazitäten befand sich der in über 50 Jahren gewachsene Großformate-Bestand des Bildarchivs und diverser Kleinsammlungen mehr oder minder im gleichen Zustand wie zum Zeitpunkt seines Erwerbs. Er umfasst hauptsächlich Ausstellungstafeln, Ektachromes, Drucke, Fotos, Diagrammblätter, Gemälde, Grafiken, Karten, Kopien, Lithografien, Pläne, Projektorfolien und Urkunden. Mit Hilfe der Projektförderung des Landes Baden-Württemberg, ergänzt durch Zuwendungen von Mitgliedsvereinen des Kulturrats, die die Eigenanteile sicherten, wurde es möglich, die wichtige Abteilung der Großformate-Bestände fortzuführen und zu sichern. Der Bestand wurde grundsätzlich gesäubert, aus den bisherigen säurehaltigen Verpackungen gelöst und in säurefreie Archivhülsen, Mappen, Schachteln und Taschen umgebettet. Je zehn oder 20 Medien wurden nach ihrer Stärke in Archivmappen unterschiedlicher Größe mit säurefreiem Zwischenpapier verpackt. Parallel wurden sämtliche Verpackungsmaterialien beschriftet, einschließlich Bestandsname und Signatur. Jedes einzelne Medium erhielt Signatur, Zugangsnummer und Stempel. In diesem Kontext wurden die Einzelbestände auf Stringenz geprüft, teilweise systematisch neu geordnet und zusammengeführt. Zudem wurde ein digitales Findmittel erstellt. So werden die langfristige und sachgerechte Aufbewahrung des Bestandes gewährleistet und die öffentliche Nutzung sowie wissenschaftliche Forschung ermöglicht. Irreversible Schäden, die durch die bisher größtenteils unsachgemäße Aufbewahrung beim anstehenden Umzug unvermeidlich gewesen wären, konnten verhindert werden.

In der zweiten Juniwoche erfolgte in Eigenleistung der Umzug der Buchhaltung, der Geschäftsführung und des Sekretariats aus der Schlossstr. 41 ins Schloss. Die genannten Stellen sind durch eine Rufumleitung unter den bisherigen Telefonnummern weiterhin erreichbar. Die neuen Telefonnummern lauten für die Buchhaltung: (06269) 421550, für die Geschäftsführung (06269) 421570 und für das Sekretariat sowie die Bibliothek (06269) 421510. Das Institut und die Bibliothek mit Archiv sind geöffnet und sämtliche Bestände wieder zugänglich! Generell ist jedoch eine Voranmeldung für einen Besuch unter den genannten Kontaktdaten oder per E-Mail: info@siebenbuergen-institut.de sinnvoll! Bitte beachten Sie auch die Informationen auf unserer Homepage https://siebenbuergen-institut.de.
Urkunde des Hermannstädter Königsrichters ...
Urkunde des Hermannstädter Königsrichters („Sachsengrafs“) Andreas Fleischer von 1675. Sie wird im Archiv des Siebenbürgen-Instituts in Gundelsheim aufbewahrt.
Zurzeit wird ein weiterer Magazinraum für die neuen Rollanlagen und das Archivbüro hergerichtet. In Eigenleistung werden Wände gestrichen, Parkett abgezogen und geölt sowie einfache Regale erstellt. In der zweiten Juli-Hälfte erfolgt dann der Einbau einer neuen Archiv-Rollanlage, die mit Hilfe der Projektförderung des Landes Baden-Württemberg und durch weitere Zuwendungen ergänzt, ermöglicht wurde. Der Einbau der zweiten Rollanlage für die Bibliothek hängt von weiteren pekuniären Mitteln ab. Die Kosten für eine Anlage bewegen sich im unteren fünfstelligen Bereich. Allen Spendern, die die Archiv- Rollanlage ermöglicht haben, sei herzlich gedankt! Und ebenso auch denjenigen Spendern, die uns mit Ausstattungsgegenständen wie Planschränken, Kleintransportern samt Benzin oder tatkräftiger Hilfe vor Ort unterstützt haben. Zurzeit suchen wir noch abschließbare Stahlschränke für Aktenordner.

Die nächste öffentliche Veranstaltung im Rahmen des Instituts findet am 12. September 2020 auf Schloss Horneck statt. Der Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde e.V. lädt zu seiner 52. Jahrestagung ein: „Gründerzeit im Karpatenbogen. Die Industrialisierung Siebenbürgens 1867-1918.“ Für ein halbes Jahrhundert war Siebenbürgen Teil der ungarischen Reichshälfte der Habsburgermonarchie. Der Ausgleich der Habsburger mit den ungarischen Eliten von 1867 bedeutete für Siebenbürgen nicht nur den Beginn des Verlusts der Autonomie innerhalb der Donaumonarchie und den Beginn der Magyarisierungspolitik der ungarischen Regierungen, sondern auch des Liberalismus, der Siebenbürgen in die Moderne katapultierte. Die Wirtschaftspolitik Budapests befreite das Gewerbe von den Resten der mittelalterlichen Zunftordnungen und schuf damit die Voraussetzungen für die Industrialisierung des Landes, die in Mitteleuropa auch als „Gründerzeit“ Eingang in die Geschichtsbücher gefunden hat. Wie konnten sich die ökonomischen und politischen Netzwerke der Gründerzeitindustriellen herausbilden? Wie wirkte sich die Industrialisierung auf das Zusammenleben der Sachsen mit ihren rumänischen und ungarischen Nachbarn aus? Welche Geschichten können uns die oft kunstvoll gestalteten Aktien der Gründerzeit erzählen, und wie prägt noch heute das materielle Industrieerbe der Gründerzeit das Erscheinungsbild Siebenbürgens? Auf diese Fragen werden die vier Vorträge unserer Tagung eingehen, die in Kooperation mit dem Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa an der Universität Oldenburg (BKGE) veranstaltet wird.

Weitere Informationen entnehmen Sie bitte in naher Zukunft unserer Homepage https://siebenbuergen-institut.de. Ich würde mich sehr freuen, Sie bei uns im Siebenbürgen-Institut begrüßen zu dürfen.

Dr. Ingrid Schiel

Schlagwörter: AKSL, Schloss Horneck, Gundelsheim, Siebenbürgen-Institut, Ingrid Schiel, Siebenbürgische Bibliothek

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