26. Juli 2022

Das Positive sehen und entsprechend fördern: Ernst Gerhard Seidner zum 80. Geburtstag

„An Schülern sollte man nur das Positive sehen und entsprechend fördern. Negative Seiten haben wir alle“. Dieses Motto hat Ernst Gerhard Seidner einem Kapitel seines Buches „Gottfried und der dritte Soldat“ vorangestellt, doch ist dieser Leitgedanke nicht nur kennzeichnend für sein Wirken als erfolgreicher Sport- und Religionslehrer, sondern auch für sein Leben insgesamt. In der Jugend und in späteren Jahren hat er sich durch manches „Dickicht“ geschlagen, möge er nun im Alter den „Garten Eden“ erreichen, wie er ihn im selben Buch andeutete. Zu seinem 80. Geburtstag, den er heute feiert, gratuliert ihm die Redaktion durch den Abdruck einiger Auszüge aus seinem lesenswerten Werk.
Ernst Gerhard Seidner ...
Ernst Gerhard Seidner
Ernst Gerhard Seidner wurde am 26. Juli 1942 in Hermannstadt geboren. Er absolvierte 1960 das Samuel von Brukenthal-Lyzeum. Danach besuchte er eine Technische Schule und arbeitete als Dreher, Fräser und Schlosser, bis er eine Stelle als Techniker in der Fabrik erhielt. Von 1964 bis 1966 studierte er evangelische Theologie in Hermannstadt. Ab Herbst 1966 war er Student auf der Sporthochschule in Bukarest im Fernstudium, die er als Dipl.-Sportlehrer absolvierte. Seit 1968 war er im Lehramt und unterrichtete in Hermannstadt und Mediasch. Seit 1971 ist er verheiratet und hat zwei Söhne. 1977 erzwang er nach einem missglückten Fluchtversuch, durch neuntägigen Hungerstreik, seine Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland. Dort war er seit 1978 als Sportlehrer an Schulen in Feldafing, Reutlingen und Metzingen tätig. Seine Fächer waren Sport, evangelische Religion, und – fachfremd – Natur und Technik sowie Bildende Kunst. 1990 kehrte er nach Siebenbürgen als Austauschlehrer zurück und unterrichtete zehn Jahre lang Sport und Religion am Samuel von Brukenthal-Lyzeum und am Pädagogischen Seminar in Hermannstadt, während seine Frau Ingeborg ebenfalls als Lehrerin am Pädagogischen Lyzeum wirkte. Das Ehepaar lebt in Vaihingen/Enz, weilt aber oft auch in Hermannstadt.

Bisher von Ernst Gerhard Seidner erschienene Bücher:

„Gottfried und der dritte Soldat“, hora Verlag Hermannstadt 2003

„Yoga-Übungen. Praktischer Leitfaden und Willensschulung“. Honterus Verlag Hermannstadt 2006 (auch in rumänischer Sprache erschienen)

„Fern der Heimat. Auf den Spuren einer Aussiedlerfamilie“. Global Media Verlag Hermannstadt 2009.

„Im wilden Osten. Siebenbürgen nach der Wende, Schönste Tore“, Honterus Verlag, Hermannstadt 2013

„Der Stress- Killer. Humoristisches in Wort-Vers und Bild“, epubli Verlag, Berlin 2020. Das Buch enthält auch Texte seines Bruders Walter Gottfried Seidner, Pfarrer (1938-2020, Spitzname „Voltaire“) aus dessen Buch „Eheliche Feuerwehr“ sowie Zeichnungen des Mediascher Karikaturisten Helmut Lehrer.

Alle Bücher (bis auf „Gottfried und der dritte Soldat“, das vergriffen ist) sind beim Autor unter Telefon: (07042) 3767100, E-Mail: erni.seidner [ät] t-online.de, erhältlich.

Wieso ich auch noch auf die Welt kam

"Man ist etwas Besonders, aber nicht das einzige Sandkorn am Strand!" GES

Wenn während des Zweiten Weltkrieges gegen alle Vernunft, weder gewünscht noch geplant, ein fünftes Kind in die Welt gesetzt wurde, dann konnte nur eines der Grund sein: die Vorsehung. Ich sollte mich in diese Welt zwängen wie ein Tannenbäumchen, das von Sträuchern umgeben sich seine Berechtigung, ans Licht zu gelangen, hart erkämpfen muss. Und da der Krieg ohne Soldaten nicht zu führen gewesen wäre, haben diese in vielerlei Gestalt zu meinem Erscheinen beigetragen. Es war das Kriegsjahr 1941. Die rumänische und die deutsche Armee kämpften Seite an Seite gegen Russland. Mein Vater hatte seinen Militärdienst bereits in den Jahren 1930 bis 1933 abgeleistet. 1935 zog er als Tischlermeister von Mediasch nach Hermannstadt und gründete dort eine Möbeltischlerei.

Bis zum Jahre 1941 hatte meine Mutter bereits vier Kindern das Leben geschenkt. Da wurde Vater als Reservist wieder einberufen und vertraute darum seine Werkstatt mit zehn Angestellten einem älteren Meister an.

Vaters Einheit war in Kischinew in der heutigen Republik Moldau stationiert. Als gut ausgebildeter Handwerker war er in den Augen seiner Vorgesetzten ein gefragter Soldat. Für seinen Hauptmann fertigte er in der Werkstätte der Militäreinheit eine komplette Küchengarnitur an, natürlich umsonst. Als Belohnung erhielt er dafür sieben Tage Urlaub, den er sofort antrat. (…) Meinen Recherchen nach wurde ich in diesen Tagen gezeugt.
„Gottfried und der dritte Soldat“, S. 8

Wieder in Rumänien

[Unerwartete Hilfe durch einen rumänischen Offizier nach dem missglückten Fluchtversuch über Bulgarien]

Meine Übergabe an der rumänischen Grenze wurde in Vama Veche, der „Alten Zollstation“, vorgenommen. Wieder wurde ein Protokoll über meinen Tascheninhalt aufgenommen. Zwei Offiziere übernahmen mich und wurden schriftlich über meine drei „Versuche“ unterrichtet. Der eine sagte spöttisch: „Na, du Flüchtling, wieder zu Hause?“ Ich schwieg. Doch der andere wies seinen Kollegen zurecht: „Du bist ein großes Arschloch! Weißt du überhaupt, dass er Vater zweier Kinder ist? Er wird ja wissen, weshalb er es getan hat!“ Das war natürlich Balsam auf meine Seele.

Wieder folgten Verhör und Protokoll, diesmal in rumänischer Sprache. Die Lewa, das bulgarische Geld, wurden mir konfisziert, das rumänische Geld durfte ich behalten. Danach wurde ich in einen Kastenwagen gesperrt und nach Konstanza ins Untersuchungsgefängnis gebracht. [...]

Am achten Tag wurde ich vorgeladen. Ein Mann in Zivil, er war von der Securitate, der rumänischen Stasi, verlangte von mir, ich solle schriftlich erklären, weshalb ich fliehen wollte. Ich begann damit, dass meine Mutter in Deutschland geboren sei und erzählte von unseren Ausreiseanträgen ab 1956 bis dato. Abends kam ein anderer Zivilist und begrüßte mich mit den Worten: „Servus, ich bin gekommen, um dich abzuholen!“ Ich entschuldigte mich und sagte, dass ich ihn nicht kenne, doch er meinte bloß, er sei aus Mediasch und um 22 Uhr fahre unser Zug! Er fragte mich, ob ich rumänisches Geld bei mir habe, und ich erwiderte nur kurz, dieses müsse sich in meinem Beutel befinden.

„Gebt ihm seinen Beutel“, befahl er dem Wachtposten. Darinnen waren tatsächlich noch die tausend Lei. Der Zivilist freute sich und meinte, ich könne davon für uns die Differenz für die 1. Klasse bezahlen. Ich war sofort einverstanden, da mein Gesäß in den Nächten auf den Holzbetten und Bretterböden arg gelitten hatte. Bevor wir das Gefängnis verließen, kam noch ein zweiter Zivilist hinzu. Er wurde mir nur als Begleiter des ersten vorgestellt, natürlich ohne Namen. Er fragte mich, ob er mir die Handschellen anlegen solle und lupfte dabei ein wenig seinen Rock, unter dem eine Pistole zu sehen war. „Da Ihr mich jetzt wieder gefangen habt, wohin soll ich noch fliehen?“, sagte ich. Somit gingen wir wie drei „Freunde“, ich in der Mitte, zum Bahnhof.

Ich gab ihnen die Differenz für die erste Klasse, der Zug kam, und wir stiegen ein. Vorher wurde noch der Schaffner angewiesen, das Abteil nur für uns drei freizuhalten. Dann ging‘s ab nach Mediasch. Gegen 24 Uhr ging der zweite Begleiter in den Speise­ wagen, um ein Bier zu trinken. Da nutzte ich die Gelegenheit, griff in den Beutel und bot dem ersten eine Lux-Seife und ein Päckchen Kent an. „Sie waren sehr anständig zu mir und haben mich ohne Handschellen durch die Stadt geführt. Dafür möchte ich mich bei Ihnen bedanken.“ Er lehnte ab und meinte, sowas käme nicht in Frage. Da fragte ich ihn: „Wissen Sie, was ein Indianer tut, wenn man sein Geschenk nicht annimmt? Er wirft es weg!“

Ich machte Anstalten, das Fenster zu öffnen, um die Seife hinauszuwerfen. Doch damit war er nicht einverstanden und rief: „ Halt, halt. Also gut, für meine Frau nehme ich die Sachen an!“ Dann drehte er sich zu mir: „Jetzt sage ich dir auch etwas. Morgen ist der neunte Tag, seitdem du gefangen worden bist. Nach dem neuen Gesetz müssen sie dich entweder freilassen oder eine neue Anklage erheben. Du aber hast nur vergessen zurückzukommen! Verstanden?!“ Dann kam aber schon sein Kollege herein und wir sprachen bis Mediasch kein Wort mehr.
„Gottfried und der dritte Soldat“, Seite 155

Ideenraspel

Um im Alter den Garten Eden zu erreichen, muss man sich in der Jugend durch manches Dickicht hauen.

Sei dankbar für jedes Glück, dann erhältst du die Freude als Geschenk dazu.

Wer stürmische Wellen übersteht, wird sich in seichtem Wasser entspannen dürfen.

Ab einem gewissen Alter sollte man aufhören, Menschen umbiegen zu wollen. Man kann sie höchstens verbiegen.

Auch das scheinbar Unvollkommene ist in gewissem Sinne perfekt.

Vergebens versucht man, verspannt jeden Morgen ein jüngeres Gesicht im Spiegel zu erblicken. Nur ein Lächeln macht es schöner.
„Gottfried und der dritte Soldat“, Seite 165

Die christliche Begegnungsstätte

Meine Frau hatte eine ähnliche Idee wie auch ich, und zwar die, für ihre Päda-Schülerinnen auch einen Ort der Begegnung ausfindig zu machen, um an den Wochenenden ebenfalls außerschulische Tätigkeiten – mit Übernachtungsmöglichkeiten – zu veranstalten. Da sollte gemeinsam musiziert, gebastelt, gekocht und Theater gespielt werden. In Reußdörfchen, einem Dorf etwa 15 km von Hermannstadt entfernt, wo mein Bruder Walter in den 70er Jahren Pfarrer gewesen und von dort nach Stolzenburg berufen worden war, stand das Pfarrhaus leer. Denn nach der Wende und dem Exodus der meisten evangelischen Dorfbewohner und ihrer Pfarrer waren viele Pfarrhäuser unbewohnt und standen leer, so dass schon vielerorts Einbrüche stattgefunden hatten. Die Folge des Exodus war auch, dass ein Pfarrer mehrere Gemeinden betreuen musste.

Meine Frau war eine der ersten Personen, die der Kirchenverwaltung den Vorschlag machte, die leer stehenden Pfarrhäuser wieder mit Leben zu füllen. Daher sprach sie Pfarrer Dietrich Sch. an und schloss mit ihm einen Vorvertrag ab, durch den sie sich verpflichtete, das Gebäude zu renovieren – natürlich aus unseren privaten Mitteln. Als Gegenleistung sollte sie dafür die geplanten Schülerfreizeiten mit ihren Schülerinnen im Pfarrhaus abhalten dürfen. Über die „Osteuropahilfe Halle und Leipzig“ kamen die ersten Spenden in Form von Schränken, Eisenstockbetten sowie Küchengeschirr; diese stammten aus den Restbeständen der N.V.A. der ehemaligen DDR.
„Im Wilden Osten“, S. 25

Das Rätsel der Reibung
Philosophische Betrachtungsweise

1. Durch Reibung ist die Welt entstanden,
durch Reibung wird sie untergehen,
sie ist in jedem Stoff vorhanden,
dabei ist sie gar nicht zu sehn.

2. Durch Reibung wurden wir geboren,
wie jedes Leben in der Tat,
doch ohne sie sind wir verloren,
noch keiner sie ergriffen hat.

3. Wo liegt das Rätsel dieser Kraft,
mit ungezählten Wirkungsformen,
mal sanft, mal hart, die es so schafft,
der Welt zu zeigen ihre Normen.

4. Sie wirkt fast immer, sogar heute,
und ist so gar nicht reibungslos,
ein falsches Wort, Ihr lieben Leute,
gebiert ein Monstrum, riesengroß.

5. In Ehe und der Politik,
kann Reibung Kriege provozieren,
es schmerzt des anderen Kritik,
man schießt und will ihn ruinieren.

6. Ein falsches Wort entfacht die Reibung,
man kann es einfach schwer kapieren,
es wirkt wie Gift, ohne Umschreibung,
und ist auch nicht mehr einzufrieren.

7. Durch Reibung speist sich der Humor,
man reibt sich an des Andern Nase,
und bewirft sich stets mit Moor,
ist weder Igel und nicht der Hase. [...]

17. So ist mein Rat, Ihr lieben Leute,
die Welt dreht sich einfach drauf los,
lacht übers Leben, hier und heute,
so wird Euer Leben „reibungslos“.
„Stresskiller“

Schlagwörter: Autor, Pädagoge, Sport, Hermannstadt, Humor

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