24. September 2022

Ilse Maria Reich und Christoph Reich begeistern bei ihrem Konzert mit Lesung in München

Es war ein ganz besonderer Abend, den die über 60 Besucher am Samstag, dem 9. Juli 2022, im Adalbert Stifter Saal des Sudetendeutschen Hauses erlebten – musikalisch, wie auch menschlich. Die international renommierte Kirchen- und Konzertorganistin Ilse Maria Reich spielte Orgelwerke von Johann Sebastian Bach, Antonin Dvorák sowie Léon Boellmann und las aus ihren Erinnerungen „Von Orgel zu Orgel“.
Der zweite Teil des Abends war gestaltet durch Lieder für Bariton und Klavier von Franz Schubert, Robert Schumann und Georg Meyndt, Gesang Christoph Reich. Das Konzert wurde vom Kulturwerk der Siebenbürger Sachsen in Kooperation mit dem Haus des Deutschen Ostens (HDO) veranstaltet.
Ilse Maria Reich begleitet Christoph Reich am ...
Ilse Maria Reich begleitet Christoph Reich am Flügel. Foto: HDO
Fulminant ging es gleich los, mit Johann Sebastian Bachs „Toccata und Fuge in d-Moll“. In der virtuosen Interpretation von Ilse Maria Reich erfüllte dieses, aus gutem Grund mit bekannteste Orgelsolo den Saal und verfehlte seine Wirkung nicht. Ebenso eindrucksvoll wie auch berührend waren die beiden folgenden, von Mutter und Sohn gemeinsam vorgetragenen „Biblischen Lieder für Bariton und Orgel“ von Antonin Dvorák. Neben der schönen Klangfarbe seiner Stimme zeichnete den Vortrag von Christoph Reich das wunderbare Einfühlungsvermögen in Text und Lied aus. Dass dieser Orgel-Teil zudem von der Empore des Saals, dem Publikum somit entrückt, vorgetragen wurde, verlieh dem Ganzen noch eine besondere Note.

Wieder zu ihrem Publikum „herabgestiegen“, schickte Ilse Maria Reich sich nun an, dieses auch mit der Lesung aus ihren Erinnerungen an ein außergewöhnliches Künstlerleben, aber auch mit ihrem recht trockenen Humor, frei von Allüren, zu begeistern. Mit künstlerischem Stolz – und mit gleichermaßen Demut vor der Musik und dem künstlerischen Schaffen – nahm sie die Zuhörer mit auf die zahlreichen Stationen ihrer Konzerte, zitierte aus den sich an Lob und Begeisterung jeweils überbietenden zeitgenössischen Kritiken. Sie ließ die Zuhörer aber auch ein in das durch die Tourneen oft von langen Trennungen gezeichnete Familienleben, zumal Mann und Söhne dabei hinterm Eisernen Vorhang, in Siebenbürgen, selbst in der Kommunikation stets noch etwas „weiter weg“ waren. Einsam sei sie dabei oft gewesen und ihr sei damals klar gewesen, dass sie nicht alleine „im Westen“ hätte bleiben wollen.

Geschrieben hat sie dieses Buch, die Veröffentlichung steht noch aus, als eine Zusammenfassung ihrer Erinnerungen an viele Konzertreisen, durch viele Länder Europas.

„In erster Linie habe ich dieses Buch für meine Familie geschrieben, für meine Kinder und Enkelkinder“, so Ilse Maria Reich zu Beginn ihres Vortrags. „Aber nicht nur, denn ich möchte auch diejenigen Menschen erreichen, die sich für die Orgelmusik interessieren und für die wunderbaren Werke, die für dieses Instrument geschrieben worden sind. Außerdem wollte ich selber auch über meinen nicht sehr einfachen Weg, der meine Karriere beschreibt, nachdenken. Er war nicht einfach, aber oft auch voller Genugtuung. Meine Familie stand mir all die Jahre unterstützend zur Seite.“

Als Tochter des Pfarrers, Organisten und Chorleiters Ernst Helmut Chrestel erhält Ilse Maria bereits früh Musik- und Orgelunterricht. Ihren ersten Gottesdienst begleitet sie als Organistin mit gerade einmal zehn Jahren, am Muttertag, im Mai 1954 in Baaßen. Ihre Füße reichen dabei nur bedingt auf die Pedalklaviatur, obwohl sie damals für ihr Alter recht groß war. „Du wirst ein Riesenfräulein“, hatte ihr die Omama prophezeit. „Daraus ist nichts geworden“, bemerkt sie hier trocken. Als Ilse Maria Reich 1969 das staatliche Solistenexamen an der Bukarester Philharmonie ablegt, sieht das zumindest einer der Juroren ebenso: „Sie sind ja zu klein für die Orgel.“ – „Ich bestand trotzdem, aber recht hatte er schon. Auf einer Orgel mit vier oder fünf Manualen muss ich mich schon sehr anstrengen. Meine Körpergröße hat mich aber nicht davon abgehalten, meinen Weg ,von Orgel zu Orgel‘ weiterzugehen“, so die Musikerin. Was sie damals jedoch noch nicht wusste: Wie steinig und entbehrungsreich dieser Weg sein würde.

Ilse Maria heiratet den Pfarrer Christian Reich, sie haben zwei Söhne. Von Burgberg, der zweiten Pfarrstelle ihres Mannes, sei sie regelmäßig, zwei- bis dreimal pro Woche, nach Hermannstadt gefahren, zum Üben, an der großen Sauer-Orgel der Stadtpfarrkirche.

1973 war dann für sie und ihre Familie ein besonderes Jahr: Zur großen Überraschung durfte Ilse Maria Reich auf Konzertreise in den Westen fahren, freilich streng bewacht von der staatlichen rumänischen Konzertagentur. Trotzdem, ein Wendepunkt in ihrem künstlerischen Leben. „Ich hatte mich natürlich minutiös darauf vorbereitet und im Gepäck Werke von Bach, Mendelssohn, Frescobaldi, Pachelbel, Buxtehude und Reger, aber auch Stücke von Croner, Porfetye und Ciortea.“ Die Tournee wird ein voller Erfolg, wie auch Professor Heinz Acker damals in der Hermannstädter Zeitung schrieb: „virtuoses Spieltemperament“. Dennoch, sie habe oft gezweifelt und viel geübt.

Im Dezember 1975 dann eine Sternstunde in der Karriere: eine Konzertreise durch die damalige Sowjetunion. Den Auftakt bildet gleich das Konzert im berühmten Tschaikowski Saal des Moskauer Konservatoriums. „Ich war schrecklich aufgeregt“, so Reich, „und auf so was nicht gefasst. Alles lief aber gut, 1500 Zuhörer im Saal und vier Zugaben. Der bekannte Organist Harry Grodberg gratulierte mir, besonders für das Stück von Franz Liszt.“ Sie spielte noch in Tallin, der heutigen Hauptstadt von Estland, Leningrad (heute St. Petersburg) und zwei Mal in dem Konzertsaal des Konservatoriums in Novosibirsk.

1976 spielte Ilse Maria Reich dann das erste Orgelrecital solo in Bukarest und es ging wieder auf Konzertreisen in die Bundesrepublik und die Niederlande. Hier gab es „schöne positive Kritiken in der Presse, aber auch kritische Stimmen“, erinnert sie sich und fügt hinzu: „Mit sowas muss man als Künstler dann eben fertig werden und seinen Weg weiter gehen.“
Beim anschließenden Empfang: Dr. Iris Oberth, ...
Beim anschließenden Empfang: Dr. Iris Oberth, Werner Kloos, Ilse Maria Reich, ­Christoph Reich, Lilia Antipow (v.l.n.r.). Foto: HDO
Man könnte ihr stundenlang zuhören, den Höhen und Tiefen dieses eindrucksvollen Künstlerlebens, den humorvollen Kommentaren und den einsichtsvollen Schlüssen, die die Musikerin, Ehefrau und Mutter daraus gezogen hat. Und natürlich den lustigen Anekdoten, wie der eines Kirchenmusikdirektors, der beim Registrieren immer laut das „Scheißprinzipal“ suchte oder über ein Sektfrühstück, das Ilse Maria Reich gleich so viel Schwung verlieh, dass ihr Konzert im Braunschweiger Dom zehn Minuten schneller zu Ende war als gewöhnlich. Doch immer wieder unterbricht sie ihre Lesung für den anderen, den in diesem Sinne ursprünglichen Hörgenuss: Christoph Reich nun auf dem Flügel begleitend, erfreut das Duo sein Publikum mit den Liedern Franz Schuberts, darunter auch mit dem „Lindenbaum“ und Robert Schumanns, der unter anderem „Die Rose, die Lilie, die Taube, die Sonne“ besingt. Neben der musikalischen Darbietung auf solch hohem Niveau ist auch Christoph Reichs überaus lebendige, im richtigen Moment humorvolle und beinahe schon mimische Darbietung eine helle Freude. Ihren Höhepunkt erreicht diese bei den Liedern des siebenbürgischen Komponisten Georg Meyndt, als das Publikum vom „Brännchen“, dem „Honef“, den „Treißig Krezer“ sowie dem „Gläk“ – und als Zugabe natürlich noch vom „Motterherz“ hört. Für die zahlreichen nicht aus Siebenbürgen stammenden Besucherinnen und Besucher liegt die Übersetzung der Texte ins Hochdeutsche bereit.

Im Namen der beiden Gastgeber dankte Lilia Antipow, die Presse- und Öffentlichkeitsreferentin des HDO, den beiden Künstlern und überreichte ihnen je eine „HDO-Wundertüte“, gefüllt mit schönen Geschenken des Hauses. Im Anschluss lud Dr. Iris Oberth, die Leiterin des Kulturwerks der Siebenbürger Sachsen, in dessen Namen noch zu einem Empfang mit siebenbürgischen Häppchen im Foyer.

Unser großer Dank gilt Ilse Maria Reich und Christoph Reich für diesen wundervollen, so bereichernden Abend. Zudem danken wir dem Haus des Deutschen Ostens, insbesondere in Person von Lilia Antipow, herzlich für das gemeinsame Ermöglichen dieses Konzerts. Ebenso gilt unser Dank dem Kulturforum des Sudetendeutschen Hauses.

Dr. Iris Oberth

Schlagwörter: Reich, München, Konzert, Lesung, Kulturwerk

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