5. Februar 2023

Blumenfest in Frauendorf

In der stattlichen Gemeinde Frauendorf, die nicht weit von der Mündung des Weißbaches in die Große Kokel liegt, gab es eh und je eine rege Kulturpflege alter Sitten und Bräuche der Siebenbürger Sachsen. Den Höhepunkt aller Festlichkeiten bildete das schöne „Blumenfest“ oder der sogenannte „Fuasenichdunz mät den Gepeschker“.
Burschen mit Gepeschker beim Blumenfest in ...
Burschen mit Gepeschker beim Blumenfest in Frauendorf
Dieses schöne Fest der Jugend ist sehr alt und blickt auf eine sehr lange Tradition zurück. Keiner weiß, wie alt dieser Brauch ist, der – das muss betont werden – in dieser Form nur in Frauendorf zu finden ist. Ich habe im Zuge der Wiederbelebung sächsischen Brauchtums viele alte Leute im Dorf nach dem Ursprung und Sinn dieses Brauches gefragt – die Antwort war immer gleich: „Wir haben selber in unserer Jugend mitgemacht, und unsere Eltern auch.“ Schriftliche Aufzeichnungen oder eine Urkunde über den Ursprung dieses Festes habe ich bis heute nicht gefunden.

Das Frauendorfer Blumenfest fand in der Faschingszeit (Fuasnich) statt und wurde gewöhnlich Ende Februar oder Anfang März abgehalten. Die vielen bunten Blumen, die zu Gepeschker (Sträußen) gebunden wurden, verkörperten anscheinend die Ankunft des Frühlings und Vertreibung des Winters. Dahinter aber steckt wohl noch ein tieferer Sinn. Für die Dorfbewohner gab das Fest Anlass genug, geheime Liebschaften und Zuneigungen unter der Jugend zu entdecken und somit auf „neues Leben“ zu hoffen.

In den Jahren des Zweiten Weltkrieges und der schweren Nachkriegszeit war dieser schöne Brauch zwar nicht in Vergessenheit geraten, aber doch, bedingt durch die widerwärtigen Umstände, aus dem Gemeindeleben verschwunden. Wer hätte es auch in dieser bewegten Zeit, in der die sächsische Schwestern- und Bruderschaften zerschlagen wurden, gewagt, große Veranstaltungen der deutschen Minderheit zu machen? Erst im Jahre 1970 gelang es mir, den Brauch mit Unterstützung vieler treuer Frauen und Männer in der Gemeinde nach einer fast 30-jährigen Unterbrechung wieder ins Leben zu rufen. Die Arbeiten zur Herstellung der vielen schönen Blumen .die teilweise aus Stoff, in der Hauptsache aber aus Krepp- und Bundpapier gefertigt wurden, fingen schon Anfang Januar an. Beim Blumenmachen halfen alle mit: die Mädchen, ihre Mütter, Großmütter, Verwandte und Nachbarinnen. Es wurden mit viel Mühe und Kunst alle Blumengattungen hergestellt. In wochenlanger Arbeit entstanden kleine Kunstwerke, von denen man erst die richtige Vorstellung bekam, wenn man sie an Ort und Stelle gesehen hatte. In der Zeitspanne nach dem 1. Januar bis zum eigentlichen Festtag bestellte jeder Bursche bei einem Mädchen den Blumenstrauß. Dieses Straußbestellen blieb jedoch ein Geheimnis. Man wusste nicht, wer bei wem den Strauß bestellt hatte. Erst am Festtag beim Aufmarsch konnte man dann die Pärchen erkennen. Und Überraschungen soll es noch allemal gegeben haben.
Junge Frauen beim Blumenfest in Frauendorf in den ...
Junge Frauen beim Blumenfest in Frauendorf in den siebziger Jahren
Der Ablauf des Festes mit Aufmarsch und Tanz war wohlbedacht und gut organisiert. Am Vorabend schickte jeder Bursche durch ein Schulkind, das nicht verraten durfte, woher es kam, den Hut zu seinem Mädchen, damit der Strauß aufgenäht wurde. Diese Arbeit erforderte eine besondere Geschicklichkeit, da doch 300-350 Einzelblumen in einen Strauß und auf einen Hut zu vereinen waren. Am nächsten Morgen holten die Kinder die Hüte mit den Blumensträußen wieder ab und übergaben sie im Gemeindesaal den Burschen. Währenddessen hatten sich die Mädchen in einem Haus versammelt und warteten voller Ungeduld auf die Burschen. Zur festgesetzten Stunde begann der Aufmarsch durch das Dorf. Voran die Blaskapelle, gingen die Burschen, mit den Sträußen auf dem Hut und in Festtracht gekleidet, die Mädchen zum Tanz einzuladen und abzuholen. Vor dem Haus, in dem die Mädchen versammelt waren, brachte die Blasmusik ein Ständchen dar.

Dann lud einer von den Burschen die Mädchen zum Tanze ein. Die Einladung hatte etwa folgenden Wortlaut in sächsischem Dialekt:

„Law Med uch Frendannen! Mir sen hegt ha erschingen, am ech em Numen oller Burschen zem traditionelle Bleamendunz enzeloden. Am Numen oller Burschen bedunken ech mech fiur da vill hiasch Bleamenstreis, met dian ir eas um hegdichen Doch esi hiesch geschmeckt hot. Des hiasch Bleamenstreis uch eas hiasch sochsesch Trochten seilen eas eng wedder un eas ölt Brech uch Sitten, de mir vun easen Viiurfueren ha befanden hun, uch wegter fliajen warden, erennern. Und nea, ir law Medcher, loden mir ech ollen medenunder oft harzlichst zem Dunz an. Mir warden es bemahn, ech desen hegdichen Doch esi hiasch ze gestolden, dot hia ech iwig an Eränerung bleiwen wird.“

Seitens der Mädchen dankt die Wortmagd mit folgenden Worten: „Mir dünken ech fiur de Elodung zm Dunz! Et fruat es, dot ir eas Gepeschker ugeniun hot. Sä schmecken ir Het esi hiasch! Uch mir wealen methealfen, dot des hiasch ölt Brech uch eas sochsesch Trocht wegter beston bleiwen. Mir versprechen, eas esi ofzefaren, dot ollen är Fruad un eas hun. Mir sen beriet zem Ofmarsch uch zem Dunz. Ower (schelmisch) int net vergest: de irscht drua Ruan sen Damenwahl.“

Alle wurden mit warmen Krapfen und Glühwein bedient und dann setzte sich der Aufmarsch in Richtung Dorfmitte in Bewegung. Hinter der Blasmusik marschieren zunächst die Mädchen in Zweierreihen, dann die Burschen.

Erst vor dem Tanzplatz warteten die Mädchen auf ihre Partner, und nun war der große Augenblick da, in dem von den neugierigen Zuschauern die einzelnen Pärchen ausgemacht werden können. Nach dem Einzug auf die Tanzfläche stellten sich alle Jugendliche in einen Kreis auf, und es erklang das Siebenbürgenlied. Es folgten drei Tänze. Der Aufmarsch wurde dann mit den Blumensträußen durch das ganze Dorf fortgesetzt und endete schließlich im Gemeindesaat, wo ebenfalls drei Tänze getanzt wurden, diesmal aber fordern die Mädchen zum Tanze auf.

Und dann nach der Mittagspause wurde weiter bis in den frühen Morgen getanzt. Nach dem Fest wird allemal noch lange über das schönste Paar und den schönster Blumenstrauß gerätselt. Die Antwort konnte immer nur lauten: Jeder ist schöner als der andere.

Ludwig Seiverth

Das Blumenfest in Frauendorf wurde in den ...
Das Blumenfest in Frauendorf wurde in den siebziger Jahren wieder aufgenommen.

Leben für die Gemeinschaft

Aus den autobiographischen Notizen des Lehrers i.R. Ludwig Seiverth:

„Geboren wurde ich am 9. April 1931 als zwölftes von 15 Kindern der Großfamilie Daniel und Maria Seiverth aus Frauendorf. Eine unbeschwerte Kindheit und Jugend verbrachte ich in meinem Heimatort, eingebunden in eine sächsische Gemeinschaft, in der jeder jeden kannte. Nach Beendigung der fünf Volksschulklassen besuchte ich das St. L: Roth Gymnasium in Mediasch. Nach Abschluss des Untergymnasiums kam ich nach Schäßburg in die Pädagogische Schule, wo ich zum Volksschullehrer ausgebildet wurde. 1957 heiratete ich die Lehrerin Susanne Maurer, die auch aus meinem Heimatort kam. Im Jahr 1978 musste ich mit meiner Familie auf Druck der Securitate unsere Aussiedlung in die Bundesrepublik Deutschland anfordern. Wir kamen nach Ingolstadt, wo wir auch unsere Arbeitsplätze fanden. Nach bestandener zweiter Lehramtsprüfung wurden wir mit meiner Frau in den Bayerischen Lehrerdienst aufgenommen, wo wir noch etliche Jahre als Grundschullehrer unterrichten durften. Von 1989-2002 war ich Vorsitzender der Kreisgruppe Ingolstadt der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen. In dieser Zeit konnten wir mit meiner Frau viele mitgebrachte Bräuche und Sitten aus Siebenbürgen ins Leben rufen, zum Beispiel den Chor, den ich 1984 gründete, Theateraufführungen, Weihnachtsfeiern. Muttertagsfeiern und das schöne Kronenfest. Am 9. April 2021 habe ich im kleinen Familienkreise meinen 90. Geburtstag gefeiert. Mit meiner Frau konnten wir noch unsere diamantane Hochzeit feiern. Sie starb am 2. Februar 2020 im Alter von 85 Jahren.“

Schlagwörter: Frauendorf, Brauchtum, Fastnacht

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