29. September 2024

„Zwischen Heimat und Zuhause“: Lesenswertes Buch von Alfred Schadt über seine Erfahrung mit der Auswanderung

„Täglich verwenden wir mit aller Selbstverständlichkeit die Begriffe ‚Heimat‘ oder ‚Zuhause‘, in der festen Überzeugung, zu wissen, was genau damit gemeint ist. Erst beim Versuch, sie zu beschreiben, erkennen wir die kaum einzugrenzende Vielfalt ihrer Bedeutung.“ Mit diesen Worten überlässt uns der Autor im Epilog seines jüngsten Buches „Zwischen Heimat und Zuhause“ unseren eigenen Gedanken. Und diese Gedanken wird sich der geneigte Leser zweifelsohne machen können und müssen, insbesondere nach einem wunderbaren, finalen Zitat von Mascha Kaléko.
Nach seinen letzten Publikationen „Verba volant, scripta manent“ (2021) und „Kronstadt zwischen altvertraut und fremd“ (2023) legt uns Alfred Schadt erneut auf bewundernswert offene Weise seine Erfahrung mit der Auswanderung dar. Hierzu ist dem Autor großer Respekt zu zollen, denn es ist sicher nicht jedermanns Sache, in einer derart selbstreflektierenden Manier über sich und seine Lieben, aber auch teils weniger Lieben, zu berichten.

Auch in diesem seiner kleinen, aber durchaus gehaltvollen Büchern, - es sind ja schließlich keine Romane -, findet wohl so ziemlich jeder ausgewanderte Siebenbürger selbst erlebte Blickwinkel und Betrachtungsweisen, Begebenheiten und Erfahrungen, wenn auch selbstverständlich nicht deckungsgleich, so doch und durchaus in Nuancen den Eigenen entsprechend. Sie könnten ja gar nicht deckungsgleich sein: Sie sind von der jeweiligen Individualität geprägt, was in einem der rund vierzehn Kapiteln dieses Essays ausführlich analysiert wird.

Aber auch einem Leser, der nicht gebürtiger Siebenbürger ist, bietet das vorliegende Werk eine sehr nützliche und aufklärende Darstellung der Lebensverhältnisse in einer namhaften und wichtigen Stadt Siebenbürgens, in Kronstadt. Das alleine schon stellt einen großen Wert dar, wenn man bedenkt, dass darüber oft verhältnismäßig wenig in Deutschland bekannt zu sein scheint (als Empfehlung oder kleines Geschenk besonders geeignet).

Der Inhalt gliedert sich in zwei Abschnitte, „Daheim“ und „Schöne neue Welt“, wobei eine gewisse Kontinuität der Erzählung durchaus gewahrt bleibt. Man stolpert demnach nicht zwischen den einzelnen Episoden im zeitlichen Ablauf umher und kann der Chronologie der Ereignisse, selbst bei Rückblenden, unbeschwert folgen. Das erscheint vielleicht, hier in der Erwähnung, als selbstredend, ist es aber keineswegs. Eine Fülle von Informationen mitzuteilen, ohne sich in viele kleine, vielleicht unwesentliche Details zu verirren, dabei aber durchaus und nach Möglichkeit nichts von Bedeutung auszulassen, schein mir gar nicht so leicht.

Da könnte jetzt der eine oder andere, der Fred Schadt kennt, anmerken, der Autor ist ja schließlich studierter und noch dazu pädagogisch erfahrener Germanist. Ja, gewiss, das beweisen allein schon die vielen Bücher, auf die er Bezug nimmt (siehe Literaturliste), aber er ist eben mit Herz und Seele in das Erzählte involviert und muss dementsprechend die Spreu vom Weizen trennen. Seine Ansicht und Erkenntnis, was die Individualität betrifft, ist in diesem Zusammenhang in einem der Kapitel nachzulesen.

Besonders anregend und geradezu literarische Perlen sind sinngemäße Zitate am Anfang jedes Kapitels, die im Kern das jeweilige Thema zusammenfassen. Es ist aus meiner Sicht sehr zu empfehlen, Näheres von den jeweiligen Dichtern und Schriftstellern zu erfahren.

Mein Favorit ist das finale Zitat von Mascha Kaléko (1907-1975), einer deutschsprachigen Dichterin, die in einer absolut einmaligen Weise tiefgreifende Gedanken in scheinbar simplen Reimen und Wortspielen mitzuteilen versteht: „Fremde sind wir nun im Heimatsort./ Nur das ,Weh‘, es blieb./ Das ,Heim‘ ist fort.“

Aber auch die Definition vom „Gelobten Land“, von Melanie Arzenheimer, ist in seiner treffsicheren, kurzen Weise mindestens genial (hätte einer unserer einstigen Lehrer in Kronstadt gesagt). Dass es schließlich alles andere als das erwartete gelobte Land wurde, wird vom Autor – nach eigenem Bekenntnis – erst im Laufe der Jahre so richtig bewusst.

Und es geht weiter. Die Neugier lohnt sich. Sehr!

Feri Incze

Alfred Schadt: „Zwischen Heimat und Zuhause. Betrachtungen eines Ausgewanderten“, Berlin 2024, 70 Seiten, 7 Euro zuzüglich Versand. Zu bestellen bei: Alfred Schadt, Giselherstraße 19, 16321 Bernau bei Berlin, schadtalfred[ät]gmail.com, Telefon: (03338) 7092910 oder (0160) 4375767.

Schlagwörter: Buch, Auswanderung, Heimat

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