14. Oktober 2024

Vor 80 Jahren: Panikartige Flucht aus Südsiebenbürgen

Während für die nordsiebenbürgischen Gemeinden detaillierte Evakuierungspläne für den Ernstfall existierten, vollzog sich die Flucht aus den südsiebenbügischen, an der Frontlinie gelegenen Orten Draas, Felldorf, Katzendorf, Maniersch, Rode, Zendersch, Zuckmantel unvorbereitet panikartig.
Katzendorf gehört zu den sieben Ortschaften in ...
Katzendorf gehört zu den sieben Ortschaften in Südsiebenbürgen, deren sächsische Bewohner im Herbst 1944 geflüchtet sind. Die Drohnenaufnahme wurde im Juni 2023 von Rudolf Girst gemacht.

Aus dem Erlebnisbericht des S.B. aus Katzendorf

„In meiner Heimatgemeinde Katzendorf wurde schon vor dem 23. August 1944 öffentlich darüber gesprochen und der Befürchtung Ausdruck gegeben, König Michael wolle zu den Russen übergehen. Als dann Ende August der Zusammenbruch erfolgte, gab es schwere Tage für uns Sachsen. Unter anderem wurde öffentlich publiziert, wir dürften nicht mehr deutsch sprechen mit den versprengten und sich zurückziehenden deutschen Soldaten. Es sind gewiss nicht wenige, welchen der Weg zur ungarischen Grenze gezeigt wurde und denen Brot und Speck verabreicht wurde.

Den 7. September 1944 hörten wir plötzlich Schüsse von Nordosten her. Deutsche Truppenteile jagten die Grenzpolizei zwischen Draas und Katzendorf in die Flucht. Sachsen, die seit einigen Tagen ihre Fuhrwerke bereithalten mussten, beförderten die Sachen der Grenzpolizei und des Gemeindeamtes nach Südosten über Hamruden. Kurze Zeit darauf rückten deutsche Soldaten in Katzendorf ein; es waren nicht viele. Die Männer des Ortes wurden zusammengerufen; von einem deutschen Offizier wurde angeordnet, dass sämtliche deutschen (sächsischen) Bewohner des Ortes evakuiert werden müssten. Nachdem wir vorher nichts gehört hatten von der Aussiedlung der Siebenbürger Sachsen, gab es ein überstürztes Packen der Habseligkeiten. Da wir von dem Herannahen der rumänischen Truppen gehört hatten, war von vielen Sachsen Vorsorge getroffen worden; bessere Kleider u.a.m. wurden eingemauert oder vergraben, um dieselben vor dem Raub oder vor dem Verbrennen zu bewahren, denn wir glaubten, es käme zu einer Schlacht zwischen deutschen und rumänischen bzw. russischen Truppen. Die deutschen Soldaten gingen von Hof zu Hof und forderten die Menschen auf zur Eile, denn der Feind komme schon näher. Vielerorts war nur die Frau mit den Kindern zu Hause. In der Hast wusste man nicht recht, was mitzunehmen war. Von dem nahen Berg neben der Gemeinde gingen die Geschosse schon auf unsern Bahnhof – schon wieder wurde zur Eile gemahnt. Die zwei besten Pferde hatte mir das rumänische Militär weggenommen, mit den zwei schwächeren machten wir uns auf den langen Weg. Als wir zum Hoftor herauskamen, forderte uns ein Offizier auf: ,Nehmen Sie doch auch das andere Vieh mit!‘ Drei Milchkühe, vier Jungkühe wurden aus dem Stall befreit und mit nach Draas getrieben. Vier Mastschweine, Hühner und Gänse blieben auf dem Hof zurück. Es reihte sich Wagen an Wagen bis nach Draas. Es wunderte mich, dass die rumänische Artillerie uns nicht beschoss, die südöstlich von Katzendorf auf Hamrudener Hattert, auf dem ,Hohen Rennen‘, aufgefahren war. (…)

In der Nähe von Marosvásárhely (Neumarkt am Mieresch) hörten wir, dass der Treck von Zendersch oder Zuckmantel bombardiert worden sei. (…)“

Textauswahl: Horst Göbbel

Erlebnisbericht des S. B. aus Katzendorf, Original, 5. April 1956, vier Seiten, handschriftlich, Teilabdruck.

Schlagwörter: Flucht und Evakuierung, Nordsiebenbürgen, Zeitzeugenberichte, Katzendorf

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