5. März 2006

Aphorismen von Ingmar Brantsch

Der Aphorismus ist eine literarische Gattung, die die Siebenbürger Sachsen früher pflegten, die heute aber etwas in Vergessenheit geraten ist. Eine wahre Fundgrube ist das Buch „Spinngewebe. Aphoristische Gedanken“ von Richard Breckner (1929 im Verlag Krafft & Drotleff in Hermannstadt erschienen). Der Schriftsteller und Literaturkritiker Ingmar Brantsch wurde am 30. Oktober 1940 in Kronstadt geboren, lebt zurzeit in Köln und wirkt bis zu seinem 66. Lebensjahr als beamteter Lehrer.
Extreme Anpassung
Opportunismus bedeutet nicht die Lösung, sondern die Auflösung.

Titanen des Geistes heute
Die Leistung der geistigen Titanen heute besteht darin, ihre Konkurrenz ideologisch zu verzwergen.

Der political Correcte
Der political Correcte, ein Wasserträger des Opportunismus, ein Zuhälter des Zeitgeistes.

Namensanpassung
Statt alte Seilschaften neue Netzwerke.

Lehrerkonferenzen
sind regelmäßig tagende Therapiegruppen von Besserwissern.

Fahnenträger
Nicht bloß der Alkoholiker trägt seine Fahne vor sich her. Auch manch anderer Bannerträger wedelt mit der Fahne des Drogierten.

Schnäppchenjäger
Gute Literatur verkauft sich schlecht. Wird verramscht. Hebt die Schnäppchenjäger auf höchstes Niveau.

Alterserscheinung
Je älter man wird, desto lieber verschiebt man von heute auf morgen, bis man schließlich das Diesseits ganz ins Jenseits verschoben hat.

Erfolg versprechendes Alter
Ah, im Alter, da werde ich Erfolge haben. Schon in der Jugend hatte ich Erfolg bei alten Frauen, die jungen liefen mir weg. Die Alten schafften’s schon damals nicht.

Nicht von Dauer
Die Schlauheit soll nicht von Dauer sein, sonst ist sie Gerissenheit.

Erfolgreiche plebejische Skepsis
Als Arbeiterkind bewahrte er auch als lebenslänglich Verbeamteter seine plebejische Skepsis. Im Zweifelsfall gab er immer dem Direktor, nie den Kollegen Recht. Das hätte ja ins Auge gehen können. Gerade bei seiner plebejischen Herkunft.

Sehr naiv
Es ist sehr naiv zu glauben, man heirate eine Frau, ohne die Schwiegermutter mitzuheiraten.

Starker Tobak
Je schlechter ich die anderen mache, desto besser mache ich mich als Kritiker.

Nicht schlechter
Das Dauerfestival des tschechischen Films in der Bundesrepublik mit vielen Preisen und Auszeichnungen für seine hintergründige Kritik am Ostblock-Ungeist hat mit dem Mauerfall schlagartig aufgehört. Die Tschechen sind mit dem Umbruch nicht schlechter geworden, nur ihre Kritik am Globalisierungs-Ungeist wird nicht so sehr goutiert. Systemkritik am Westen? Dafür gibt’s doch keinen Grund. Keinen Grund, mit Preisen und Auszeichnungen zu zahlen.

Globalisierung in Rumänien
Von der Securitate zur Security.

Schlagwörter: Sprachgeschichte

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