12. November 2006

300 Aktive beim Sängerfest in Waldkraiburg

Als Waldkraiburgs 1. Bürgermeister Siegfried Klika, Schirmherr des Sängerfests mit dem Motto "Wat u mengem Wiech gebläht", am 28. Oktober das Haus der Kultur in Waldkraiburg betrat, bot sich ihm ein überwältigendes Bild: Rund 500 Gäste, darunter über 300 Sänger und acht Chöre in Tracht, sahen erwartungsvoll dem 5. Chortreffen Landesverbandes Bayern der Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen entgegen. Für sein Grußwort fand Klika die treffende Losung "Tradition spüren".
Mit einem Luther-Zitat eröffnete der Schirmherr das Sängerfest: „Der Gesang ist eine Gabe Gottes, um den Teufel zu vertreiben.“ Er zeigte sich sehr erfreut, dass der große Saal bis zum letzten Platz belegt war, um die Tradition in dieser von Vertriebenen aufgebauten Stadt zu spüren. Man habe 60 Jahre nach Kriegsende ein Mahnmal gegen Vertreibung eingeweiht und sei den Vertriebenen und Aussiedlern sehr dankbar für deren kulturelle Veranstaltungen, wie z. B. Edith Rothbächer, die durch das Erklären der siebenbürgisch-sächsischen Tracht zum Verständnis untereinander beigetragen habe.

Sängerfest in Waldkraiburg: Dreihundert Sängerinnen und Sänger versammelten sich zum Schluss auf der Bühne - ein beeindruckendes Gruppenbild. Foto: Annette Folkendt
Sängerfest in Waldkraiburg: Dreihundert Sängerinnen und Sänger versammelten sich zum Schluss auf der Bühne - ein beeindruckendes Gruppenbild. Foto: Annette Folkendt

Harry Lutsch, Vorsitzender der Kreisgruppe Waldkraiburg, hatte vorher zusammen mit dem 1. Bürgermeister und dessen Ehegattin auch den 2. Bürgermeister Harald Jungbauer, Heinz Hampel, Vorsitzender des BdV und Stadtrat von Waldkraiburg, sowie die Kulturreferentin und Stadträtin Gertraud Kesselgruber begrüßt, seitens der Landsmannschaft den Landesvorsitzenden von Bayern, Dr. Bernd Fabritius, sowie Landeskulturreferentin Doris Hutter. Als Harry Lutsch in den Saal blickte, wusste er, dass sich die Mühen der Organisation eines Festes dieser Dimension gelohnt hatten. Die Busse waren pünktlich angekommen. Das gemeinsame Mittagessen hatte die Siebenbürger Blaskapelle Landshut unter der Leitung von Erwin Arz begleitet. Das Bühnenbild hatte Hans Folea-Stamp geschaffen.
Respekt für die Aufbauleistung der Zugewanderten

Landesvorsitzender Dr. Bernd Fabritius überbrachte die Grüße der Landsmannschaft und gab seiner Freude Ausdruck, dass das Sängerfest gerade in Waldkraiburg stattfand, weil dies eine der Siedlungen sei, „wo die Siebenbürger Sachsen ganz besonders zu Hause sind“. Fabritius betonte, dass einerseits die junge Stadt einen Bürgermeister hat, der die zugewanderten Menschen für ihre Aufbauleistung respektiert, wofür er Bürgermeister Klika ausdrücklich dankte, und dass andererseits mit Paul Staedel der erste Träger des siebenbürgisch-sächsischen Verdienstordens „Pro Meritis“ dort wohnt. Dann dankte er allen Sängern, die gekommen waren, weil es heute nicht mehr selbstverständlich sei, zu singen, und den Organisatoren für die große Leistung, so ein Sängertreffen auf die Beine zu stellen. Dem Leiter der Blaskapelle Landshut, Erwin Arz, überreichte er eine Urkunde des Landesvorstands zum Dank für die Teilnahme am Sängerfest.
Während der Grußworte war der Siebenbürgische Singkreis Rosenheim unter der Leitung von Hedwig Zermen in seinen schönen Trachten – dem Motto des Sängerfestes angemessen, das besonders Grete Lienert-Zultner gewidmet war – auf der Bühne gestanden. Bevor die Sänger „Dinkst ta noch und dat Lidchen“ (Text: Grete Lienert / Melodie: Hans Mild) und „Dorfball“ von Heinrich Bröll vortrugen, trat eine Gruppe in Erscheinung, die man vorher schon durch den Saal flitzen gesehen hatte: die Kinder und Jugendlichen der Laienspielgruppe, die Rosel Potoradi zwecks Moderation aus Nürnberg, Schwabach und Fürth um sich geschart und zu kleinen Einlagen motiviert hatte. Sie stellten sich vor und nannten den Heimatort ihrer Eltern. Rosel stellte sich auch kurz vor und sagte dann einige Worte zu Leben und Gesinnung der diesjährigen Jubilarin Grete Lienert-Zultner (100. Geburtstag), von der dann jeder siebenbürgische Chor mindestens ein Lied vortrug. Bevor der Chor der Siebenbürger Sachsen der Kreisgruppe Ingolstadt unter der Leitung von Ludwig Seiverth „Ech hun e Medchen ist gekunt“ von Grete Lienert-Zultner sang, und mit dem Lied „Des Sommers letzte Rose“, ein irisches Volkslied, vierstimmig von Palme, den Gesang mit Blasinstrumenten zusammenführte, trugen Anna Endörfer und Kathrin Kepp „Det lastich 1x1“ von Schuster Dutz vor. Die Kinder- und Familienreferentin des Landesverbandes Bayern, Franziska Schöpp, war kurzfristig für die Moderation eingesprungen, die sie mit Simon Theil im Wechsel gestaltete, und hatte „Uraufführung“ im Sprechen der Mundart mit ihrer „Mutter“ Rosel bei der Einlage „Alt uch Jang“ von Grete Lienert-Zultner. Durch die Aufforderung der Mutter, sich mal wie ein Wirbelwind in ihrer Tracht zu drehen, schaffte die junge Maid schwungvoll den perfekten Übergang zum ersten Lied der Singgemeinschaft Karlsfeld-Dachau unter der Leitung von Wido Fleischer, nämlich Der „Werwelwängd“ von Grete Lienert-Zultner. Es folgten die Lieder „Wo’s Dörflein traut zu Ende geht“ und „Die Gedanken sind frei“.

Grete Lienert-Zultner im Mittelpunkt

Nach einem Vortrag von Katharina Theil aus der „Sachsesch Wält“ trug der Gemischte Chor der Kreisgruppe Bad Tölz-Wolfratshausen unter der Leitung von Johann Stirner das Lied „Sommerowend“ (Text: Grete Lienert; Melodie: Hans Mild; Satz: Johann Stirner) und „Leise erklingen Glocken der Liebe“ (Text: Jean Felten; Melodie: W.A. Mozart) sowie „Willst du Gottes Werke schauen“ (Text: Josef Lehrer; Melodie und Satz: Heinrich Bretz) vor. Der Siebenbürgerchor Nürnberg-Fürth unter der Leitung von Reinhold Schneider brachte „Det Wängertlidchen“ von Grete Lienert-Zultner (Satz: Erwin Barth), nachdem Frank Theil mit Kathrin Kepp Grete Lienerts „Kam Katrenchen“ aufgeführt hatten. Es folgten „Lied an die Freude“ (Text: Friedrich Schiller; Melodie: Beethoven) und „O Herr, gib Frieden“ von D. Bortnjanski sowie der Gedichtvortrag von Rosel Potoradi „Sonnenblumen“ von Grete Lienert.
Die 1953 gegründete Liedertafel Waldkraiburg e. V. unter der Leitung von Agnes Horvath war ein besonderer Gast des Sängerfestes, da dies kein siebenbürgisch-sächsischer Chor ist. Allerdings gehören auch einige Siebenbürger Sachsen dem Chor an, der durch die junge temperamentvolle Leiterin besonders schwungvoll ein englisches Volkslied, „Musik erfüllt die Welt“ (Text und Satz: Walther Schneider), und „Vo Mühlegg bis auf Schneizlreit“ (Satz: Klaus Ertelt) sang und großen Applaus erntete.
Die Kaffeepause ermöglichte weitere Freundschaftstreffen und Spaziergänge in lauwarmer Oktoberluft. Der Kuchen mundete vortrefflich - das Werk vieler tüchtiger Frauen aus der Kreisgruppe, meist Chormitglieder. Bürgermeister Klika war von den Auftritten, den jungen Darstellern und den schönen Trachten sehr angetan. Er zeigte der Kulturreferentin das im Aufbau befindliche Museum zur Geschichte der Ansiedlung der Vertriebenen. Es entsteht im Haus der Kulturen und dokumentiert ein Kapitel deutscher Geschichte auf höchst interessante, auch für Jugendliche sehr ansprechende Weise.
Meisterleistung der jungen Generation

Besinnliche Worte von Grete Lienert „Won em aus dem Osten …“, vorgetragen von Michael Orend, eröffneten den zweiten Teil des Nachmittags. Der Siebenbürger Chor der Kreisgruppe Hof unter der Leitung von Johann Schieb stand dem nicht nach mit dem Lied „De Astern“ von Grete Lienert-Zultner. Und dann kam eine ganz besondere Darbietung, die dem Publikum eine neue faszinierende Gestaltungsmöglichkeit aufzeigte, die sehr gut ankam: In Kutten, blitzschnell über die Trachten geworfen, wurden sehr einfühlsam „Die Verdammten“, Chorauszüge aus dem Musical „Les Misérables“, vorgetragen. Der folgende Auftritt gehört zu den Meisterleistungen von Rosel Potoradis Laienspielgruppe: Katharina und Frank Theil schlüpften absolut glaubwürdig in die Rollen der Kinder von Grete Lienert-Zultner (Tochter Grete dirigiert inzwischen den Chor Traunreut) und wurden von ihrer Mutter (Rosel Potoradi) gefragt, was sie werden möchten. Besonders ergreifend gerade in der heutigen Zeit ist dann die Antwort des mit Puppen spielenden Mädchens: „En Motter mät vile Kängden!“ Viele Mütter sangen im Singkreis der Siebenbürger Sachsen aus Nürnberg-Fürth unter der Leitung von Margarete Schuster „Kend ech noch ist himen“ von Grete Lienert-Zultner und „Siebenbürgen, Land der Ahnen“ (Satz: Karl Fisi). Katharina Schuller trug Grete Lienerts Mundartgedicht „Mottersproch“ vor, worauf sich der Singkreis der Siebenbürger Sachsen Neuburg/Donau unter der Leitung von Lisbeth Schell mit den Liedern „Nor ist noch will ech dir begenen“ (Text: Grete Lienert; Melodie: Hans Mild), „Bäm alden Apelbum“ (Text: Andreas Schuller; Melodie: Grete Lienert-Zultner) und „Lasst doch der Jugend ihren Lauf“ aus Franken vorstellte. Grete Lienert hat sich mit verschiedenen Brauchtumsarten beschäftigt, so auch mit dem Lichtert. Die Jugendlichen präsentierten Grete Lienerts Verse zum Lichtert und wurden von Flötenspielern unterstützt, darunter Karline Folkendt und Anna Endörfer. Die zarten Flötentöne gaben dem Auftritt eine besonders gefühlvolle Note, so dass ein wenig von der festlichen Stimmung des Lichtertsingens am 1. Weihnachtstag rüberkam. Passend dazu begann der Siebenbürgische Chor Traunreut unter der Leitung von Grete Fredel mit dem etwas weniger bekannten „Owend wäll et wärden“ (Worte und Weise: Grete Lienert-Zultner). Es folgten „Es springt ein froher Quell“ (Worte und Weise: Erich Bergel) und „Frau Musica singt“ (Worte: Martin Luther; Weise aus dem 16. Jh.). Maria Bock hatte mit Grete Lienerts „Schlaßwirt“ nicht das letzte Wort. Der Gastgeberchor, der die Gäste gleich am Anfang schon mit einem Ständchen empfangen hatte, trat als letzter auf. Der Chor der Kreisgruppe Waldkraiburg unter der Leitung von Johanna Pelger und Heinrich Brandstetter sang von Lienert-Zultner „De Birkeblädder fallen“ und „Die Gipfel der Karpaten“ sowie „Bunt sind schon die Wälder“. Das gemeinsame Singen aller Chöre wurde von Karline Folkendt mit einem flotten Abschiedsvers eingeleitet. Dann bestiegen fast 300 Sänger die Bühne, um gemeinsam unter der Leitung von Grete Fredel das Lied „Ein schöner Tag zu Ende geht, die Sterne sind erwacht“ (Satz: Karl Fisi) zu singen. Das Bild wird unvergesslich bleiben!
Danksagungen

Doris Hutter dankte, inmitten der vielen sangesfreudigen Landsleute stehend, dem Haus des Deutschen Ostens München, das mit seinem Zuschuss die finanzielle Grundlage für das Fest geschaffen hatte. Sie dankte den Organisatoren und Ehrengästen, der Blaskapelle, allen Helfern, den Eltern der aktiven Jugend und den Zuschauern. Ganz besonders beglückwünschte sie die Laienspieltruppe, die mit viel Anmut locker und überzeugend ihre Vorträge, Rollen und Moderation eingebracht hatten und mit Rosel zu einem gut funktionierenden Team gewachsen sind. Gerade die Jugendlichen aktiv zu sehen, macht uns glücklich, weil es uns hoffen lässt, dass unsere Kultur weiter getragen wird. Die Kulturreferentin überreichte den Chören die Teilnehmerurkunden des Landesverbandes. Doris Hutter dankte den Sängern aufs Herzlichste für ihren Einsatz und die Disziplin beim Proben daheim sowie beim Sänerfest und die Freude, die sie damit verbreiten.
Die Kulturreferentin a.D. Rosel Potoradi hat maßgeblich zum Erfolg des Festes beigetragen. Sie gründete anlässlich des Chortreffens in Nürnberg zur Umrahmung die „Rockenstube“ und begleitet die Sängerfeste mit viel Herz, Seele und Kreativität. So schlug sie als leitmotivischen Schwerpunkt für dieses Fest Grete Lienert-Zutner vor und schmückte den bunten Strauß der aufgeführten Lieder mit Kostbarkeiten aus „Wat u mengem Wiech gebläht“. Es hat uns so gut getan! Allen Mitwirkenden herzlichen Dank!

Doris Hutter

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 18 vom 15. November 2006, Seite 8)

Schlagwörter: Chor

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