29. April 2007

Erstaufführung Carl Filtsch

Wiederentdeckungen sind keine Ausnahme bei der jährlichen Musikwoche der Gesellschaft für deutsche Musikkultur im südöstlichen Europa (GDMSE). Im Gegenteil: Sie gehören zum Programm der Veranstaltung, bei der wie nirgendwo anders unbekannte Werke deutscher Komponisten aus Südosteuropa zutage gefördert werden. Die europäische Erstaufführung von Carl Filtschs Konzertstück für Klavier und Orchester am 14. April in der Johanneskirche Weinsberg darf dennoch als Höhepunkt in 22 Jahren Musikwoche bezeichnet werden.
Filtsch gehört zu den nicht gar so zahlreichen Figuren der siebenbürgischen Musikgeschichte, die Weltstars in ihrer Zeit waren. Der 1830 geborene Mühlbacher spielte nicht nur himmlisch Klavier und war Schüler von Chopin und Liszt – er improvisierte und komponierte auch selbst. Etliche Stücke des so früh Verstorbenen sind auf CD verewigt und auch Dank des Carl-Filtsch-Wettbewerbs in Hermannstadt nicht mehr gänzlich unbekannt.

Das Konzertstück D-Dur für Klavier und Orchester (1844) indes galt bis vor etwa eineinhalb Jahren als verschollen – bis der amerikanische Musikwissenschaftler und Harvard-Professor Ferdinand Gajewski die Noten in einem englischen Privatarchiv entdeckte. Nachkommen von Filtschs älterem Bruder Joseph müssen im Besitz der Partitur gewesen sein, die inzwischen digital gesetzt wurde und gegen Bezahlung im Internet verfügbar ist. Noch nicht aufgeführt wurde eine ebenfalls vor kurzem gefundene Ouvertüre von Filtsch.

Solistin der Erstaufführung in Weinsberg war die Münchner Pianistin Janina Hofmann, die zugleich promovierte Musikwissenschaftlerin ist und eine glühende Verehrerin der Musik von Carl Filtsch. Entsprechend engagiert und virtuos, zugleich feinfühlig, leicht und transparent zeichnete sie dieses erstaunliche und oft genug an Chopin gemahnende Werk eines empfindsamen Jugendlichen. Das Orchester der Musikwoche mit zahlreichen Jugendlichen hatte wenige Tage vor dem Konzert zum ersten Mal geprobt und zog sich unter Leitung des Öhringer Dirigenten Marco Lechler sehr achtbar aus der Affäre. Ebenso gemeinsam mit dem 40-köpfigen Musikwochen-Chor und vier Solisten (Johanna Boehme, Renate Dasch, Hans Straub und Hals Ulrich Zeeb) bei Franz Hübls „Missa solemnis“. Das schmissige Werk beruht auf Teilen der Oper „Joseph“ des bekannten französischen Komponisten Méhul, die Franz Hübl, über den man sonst kaum etwas weiß, anlässlich der Erhebung der Stadt Arad zur königlichen Freistadt im 1834 komponierte. Entdeckt und für die Praxis eingerichtet wurde die Komposition von Dr. Franz Metz, dem Vorsitzenden der GDMSE. Eine ebenfalls im Abschlusskonzert aufgeführte Motette von Franz Xaver Dressler hat Frieder Latzina, ebenfalls Mitglied der GDMSE, verlegt.

Die Solistin Janina Hofmann während der Erstaufführung des Konzertstücks für Klavier und Orchester von Carl Filtsch am 14. April in Weinsberg. Foto: Hartmut Balle
Die Solistin Janina Hofmann während der Erstaufführung des Konzertstücks für Klavier und Orchester von Carl Filtsch am 14. April in Weinsberg. Foto: Hartmut Balle

Es wäre freilich ungerecht, neben Messe und Konzertstück andere Glanzpunkte der Musikwoche zu verschweigen, an der – in der Evangelischen Tagungsstätte Löwenstein – wieder deutlich über 100 Musikerinnen und Musik teilnahmen. Einen exzellenten Beitrag zum Abschlusskonzert lieferten auch der über 30-köpfige Jugendchor unter Leitung von Gertraud Winter-Sailer (Augsburg) und ein von Aurel Manciu (Waldkirch) geführtes Blechbläserquintett.

Eine abermalige Bereicherung waren fünf junge Musiker aus Klausenburg, die durch Vermittlung der Pianistin Gerda Türk an der Musikwoche teilnahmen. Bewährt und zum kleinen Teil erneuert war das Dozententeam mit Harald Christian, Violine, Ilse Herbert-László, Cello, Liane Christian und Christian Turck, Klavier, Bärbel Tirler, Holzbläser. Hanna König, Blockflöten; Aurel Manciu, Blechbläser, Renate Dasch, Gesang, Gertraud Winter-Sailer, Jugendchor und musikalische Früherziehung, Bettina Meltzer, Tanz. Die Organisation lag in Händen von Wolfgang Meschendörfer und Johannes Killyen.

Ebenfalls ein Garant für den Erfolg der Musikwoche: Die Unterstützung durch das baden-württembergische Innenministerium, die Stadt Gundelsheim, die Siebenbürgisch-Sächsische Stiftung, das Kulturreferat für Südosteuropa im Donauschwäbischen Zentralmuseum Ulm, die HOG Kronstadt und die HG Hermannstadt. Zu ihrem zehnjährigen Bestehen hat die GDMSE ein neues Faltblatt und neue Plakate vorgelegt. Ihnen ist das Motto „Entdecken, Bewahren, Erleben“ überschrieben. Zu neuen Ehrenmitgliedern wurden die Organisten, Musikforscher und Kirchenmusiker Horst Gehann und Helmut Plattner ernannt.

Johannes Killyen


Schlagwörter: Filtsch, Musik

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