10. Dezember 2001

Hans Bergel liest Texte auf CD

Rund siebzig Minuten spricht Hans Bergel auf der seit kurzem durch die Edition Wort und Welt vertriebenen CD "Wenn die Adler kommen" eigene Texte: Erzählprosa und Lyrik. Brahms, Dvorak, Liszt und die Siebenbürger von Bausznern (1866-1931) und Greff-Bakfark (1527-1576) liefern die Musikeinschübe - Klavier, Flöte, Laute.
Es war ein glücklicher Einfall des Berliner Unternehmens trioton, die CD mit diesem Autor herzustellen. Denn dass Hans Bergel ein ausgezeichneter Vorleser eigener Texte ist, weiß das Publikum von ungezählten Literaturveranstaltungen her - über die letzte Herbstlesung dieses Jahres im Raum München urteilte ein Rezensent, dass "sich der Faszination des erzählerischen Habitus Bergels niemand entziehen" könne. Was auf dieser CD zu hören ist, wurde von den Betreiberinnen des "trioton"-Studios ausgewählt, das auch die Einleitungs-, Zwischen- und Schlussmusik mit Geschmack und Gespür aussuchte und verteilte. Bergel liest den Beginn des ersten Kapitels des Bandes eins seines Epochenromans "Wenn die Adler kommen" (l996) - jenen Einstieg in die Welt der Südkarpaten, der in der Schilderung des dort gebräuchlichen Pelzumhangs der Hirten, "cojoc", gipfelt und der zu den Köstlichkeiten des eröffnenden Romankapitels gehört. Bisher öffentlich unbekannt ist dann der Beginn des ersten Kapitels des zweiten Romanbandes, "Pariser Intermezzo", das eine Vorstellung von der Meisterschaft gibt, mit der Bergel an die Schilderung von Ereignissen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs herangeht. Suggestiv der Vortrag dreier reimloser Gedichte in freien Rhythmen, "Ganymed", "Steppe am Schwarzen Meer" und "San Francisco di Forio" - Bildvisionen und Sprachmelodie vereinigen sich in Bergels Stimme zu eben jener "Faszination", von der oben die Rede war.
Zweifellos zu Hans Bergels schönsten Prosatexten gehören die Titel "Der Tod des Hirten oder Die frühen Lehrmeister" (1985), „Dunja, die Herrin" (1982) und "Als ich den Weihnachtsmann zum ersten Mal sah" (1988). Das ist ein dreimaliges Eintauchen in den südosteuropäischen Legendenraum, dreimal sprachgewordene süd- und osteuropäische Lebensatmosphäre und Welt des Donaudeltas, wie es in dieser dichterischen Eindringlichkeit in der deutschen Gegenwartsprosa kein zweites Mal geschrieben wurde. Die Auswahl gerade dieser Texte beweist die Sachkenntnis der Verantwortlichen von "trioton". Bergel liest sie in jenem "raunend beschwörenden" melodischen Erzählerton, der ihm eigen ist; er macht sie so über den Text hinaus zum literarischen Hörereignis.
Der Abschluss mit der oft und oft - in Kirchen, Schulen oder Vorweihnachtsveranstaltungen - vorgetragenen und vielfach nachgedruckten Geschichte von der ersten Begegnung mit dem Weihnachtsmann (sie findet sich in Bergels Erzählungenband „...und Weihnacht ist überall“, Herbig 1988, Ullstein-Taschenbuch 1995) zu den Lautenklängen des Kronstädters Valentin Greff-Bakfark rundet als Höhepunkt der CD mit dem Namen "Wenn die Adler kommen" diese durchwegs geglückte Berliner Produktion ab. Sie eignet sich als Weihnachtspräsent, das seinen Wert lange über den festlichen Tag hinaus bewahrt.

Hans-Rudolf Graber


Hörprobe: Der Weihnachtsmann

Um die Aufnahme hören zu können, benötigen Sie den Real-Player, der kostenlos heruntergeladen werden kann:Download


Hans Bergel: Wenn die Adler kommen, Hörbuch auf CD, triton Berlin 2001, 29,90 DM, Bestellungen: Buchversand Südost, Brigitte Rill, Seebergsteige 4, D-74235 Erlenbach, Telefon: (0 71 32) 9 51 16 12, Fax: (0 71 32) 9 51 16 13, E-Mail: buchversand_rill@t-online.de.

Schlagwörter: Bergel, Hörbuch

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