27. Januar 2010

Reife Leistung – Promotion mit 81 Jahren: Hans-Udo Krasser

Ungewöhnlich ist es schon, wenn Diplomingenieure promovieren. Sie sind mehr Praktiker denn Theoretiker, koordinieren lieber eine Bau- oder Maschinenbautätigkeit statt mehr oder weniger umfangreiche Abhandlungen zu schreiben. Noch viel ungewöhnlicher ist es, wenn ein über Achtzigjähriger Doktor der Ingenieurswissenschaften wird. Unglaublich aber, wenn das ein Parkinsonkranker tut, der sich in der Heidelberger Parkinson-Selbsthilfegruppe engagiert.
Das Kunststück ist Dr. Ing. Hans-Udo Krasser am 10. Dezember 2009 gelungen, wie der Sender SWR-4 Baden-Württemberg kürzlich (am 21. Januar 2010, 8.38 Uhr) berichtete. 2008 schrieb er sich an der Technischen Universität Klausenburg als Doktorand ein, 15 Monate später verteidigte er seine Dissertation „Leichtbeton als wärmedämmendes Baumaterial“ vor einer hochrangigen Klausenburger Professorenkommission (Doktorvater Prof. Dr. Ing. Traian Oneț, korrespondierendes Mitglied der Rumänischen Akademie) und erhielt die keineswegs selbstverständliche Höchstnote „foarte bine“ (sehr gut). Krasser hat die Dissertation in rumänischer Sprache am Computer geschrieben, ebenso eine sechsseitige Zusammenfassung in englischer Sprache – eine Leistung, die ihm manch Jüngerer nicht so leicht nachmachen kann.
Dr. Ing. Hans-Udo Krasser (4. v. l.) und die ...
Dr. Ing. Hans-Udo Krasser (4. v. l.) und die Kommission, vor der er seine Dissertation verteidigt hat. 1.v. l.: Doktorvater Prof. Dr. Ing. Traian Oneț. Foto: Georg Scherer
Hans-Udo Krasser, am 31. Januar 1929 in Mühlbach geboren, studierte an der Technischen Hochschule in Temeswar Ingenieurswissenschaften, ließ sich in Hermannstadt nieder und arbeitete als allgemein anerkannter Bauingenieur. Dank seines Einsatzes wurde der Leichtbeton für Außenwände bei den Blockhäusern gegen oftmals hartnäckigen Widerstand in großem Maße eingeführt. So wurde er bei den Baubehörden und Forschungsinstituten in Bukarest bekannt, doch nahm er deren Angebot, in der Hauptstadt zu arbeiten, nicht an. Mit früheren Kollegen, die inzwischen an die 1956 in Klausenburg neu gegründete Technische Universität gekommen waren, ging Krasser, der Initiator der neuen Bauweise in Hermannstadt, technisch-wissenschaftliche Kollaborationsverträge ein. 1970 inskribierte er dort als Doktorand und publizierte 1971 einen ersten wissenschaftlichen Beitrag. Wegen seines Wunsches, den kommunistischen Herrschaftsbereich zu verlassen, konnte er aber die Arbeit nicht abschließen. Nach seiner Aussiedlung (1976) arbeitete er in Heidelberg an einem Bauunternehmen. Beim Bau seines dortigen Hauses wandte er weitgehend seine Kenntnisse in punkto Wärmedämmung an; die dabei gemachten Erfahrungen hat er in seine Dissertation eingebaut.

Erst als Rentner konnte Krasser wieder an Weiterbildung denken. Und das tat er, zunächst – zusammen mit seiner Gattin – als Gasthörer an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg, dann als Doktorand der Universitatea Tehnică Cluj-Napoca. Als die Redakteurin Johanna Jeschke den frisch gebackenen Doktor fragte, was er denn nun zu tun gedenke, antwortete Krasser humorvoll, er werde sich auf seinen Lorbeeren ausruhen. Wer während einer Siebenbürgenexkursion des Landeskundevereins seine Erläuterungen über das Wege- und Eisenbahnnetz oder über den Straßenbau gehört hat oder in einem seiner Vorträge über die Entwicklung der Autobahnen in Deutschland war, weiß, dass das ein Witz ist. Hans-Udo Krasser arbeitet weiter und bildet sich weiter – uns allen als ein Vorbild für sinnvolles Gestalten des Alters.

K.G.

Schlagwörter: Ingenieurswissenschaften

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