12. März 2010

Philipp Melanchthon: Der meistgelesene Autor im Siebenbürgen des 16. Jahrhunderts

In Siebenbürgen gelangten bis zum Ende des 16. Jahrhunderts mehrere zehntausend im In- und Ausland gedruckte Bücher in die Hand der Leser: antike Autoren und zeitgenössische Humanisten (Aristoteles, Cicero, Erasmus, Ramus, Lipsius, Boccaccio), aber in erster Linie theologische Arbeiten, ging es doch damals um das Für und Wider der kirchlichen Reformation. Meistgelesener Autor - noch vor Martin Luther - war gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge Philipp Melanchthon, der vor 450 Jahren starb.

Der Mensch

Geboren wurde Melanchthon am 16. Februar 1497 als Philipp Schwarzerdt in Bretten (Kurpfalz) als Erstes von fünf Kindern. Der Junge blieb klein, auch als Erwachsener maß er gerade mal 1,50 m. Zudem hatte er einen kleinen Sprachfehler. Als er später seinen Nachnamen ins Griechische übersetzte, wurde er sehr bald der „kleine Grieche“ genannt. Sein Vater war Handwerker, seine Mutter stammte aus einer Kaufmannsfamilie. Als der Junge elf Jahre war, starben Vater und Großvater. Mit zwölf finden wir ihn bereits als Student mit herausragenden Leistungen an der Universität Heidelberg immatrikuliert. Mit 15 wollte er sein Abschlussexamen ablegen, wurde aber von den Professoren als kleiner „Wicht“ abgelehnt. Daraufhin wechselte er die Universität und bestand ein Jahr später glänzend sein Magisterexamen in Tübingen.

Der Magister

Am 28. August 1518 erhielt Melanchthon einen Lehrstuhl für Griechische Sprache an der Universität Wittenberg, nachdem er die Zuhörer, darunter auch Luther, mit seiner Antrittsvorlesung über die „Erneuerung des Lebens durch Erneuerung der Studien“ im Geiste des Humanismus von Erasmus begeistert hatte. Luther soll von der hier geübten Kritik am verzopften, zu kirchennahen und weltfremden Schulwesen stark bewegt gewesen sein. So zumindest berichtet der Kirchenhistoriker Bernd Müller.

Der Theologe

Der Altphilologe Melanchthon entwickelte sich in Wittenberg zum Theologen, betrieb aber auch sprachwissenschaftliche Studien und begann mehr und mehr Luther zu beeinflussen. Dieser schwärmte von dem „kleinen Griechen“, der „mich auch in der Theologie übertrifft“. Besonderes schätzte er an ihm die Gabe, seine Gedanken aufzugreifen, über sie nachzudenken, um sie dann „fein kurz zu fassen“.

Melanchthon half Luther durch seine Sprachkenntnisse maßgeblich bei der Bibelübersetzung, vertrat ihn auf der Wartburg und wurde bereits 1529 kurz zum Wortführer der Reformation auf dem Reichstag in Speyer, weil Luther als Geächteter hier nicht teilnehmen durfte.

Die Schriften

Von den zahlreichen Schriften Melanchthons wollen wir hier vor allem die „Confessio Augustana“ (1530) erwähnen. Sie ist bis heute noch die gültige Bekenntnisschrift der Lutheraner weltweit, verfasst anlässlich des Reichstages von Augsburg. So trägt auch die Landeskirche der Siebenbürger Sachsen den Zusatz „A.B“ (Augsburgischen Bekenntnisses). Bezeugt ist, dass Luther die Schrift über die Maßen liebte. Ein Jahr später ließ Melanchthon noch eine „Apologie“ folgen. Neben einer griechischen Grammatik verfasste er noch zahlreiche Lehrbücher, die wahrscheinlich auch in Siebenbürgen verbreitet waren. Eine eingehende Untersuchung steht meines Wissens noch aus.

Der Schulmann

Wie bereits erwähnt, ging es Melanchthon auch um die Erneuerung des Schulwesens (vgl. die Antrittsvorlesung in Wittenberg) und es gelang ihm in der Tat, ein grundlegend neues Bildungssystem an den Schulen und Universitäten durchzusetzen. Dieses brachte ihm die ehrenvolle Bezeichnung „Lehrer der Deutschen“ ein. Hochaktuell sind heute noch Sätze, die er damals aufschrieb: „Die Jugend in den Schulen vernachlässigen, heißt nichts anderes, als den Frühling aus dem Jahr hinweg zu nehmen. Wahrhaftig, die nehmen den Frühling aus dem Jahr hinweg, welche die Schulen verfallen lassen. Und schreckliche Finsternisse werden in der ganzen bürgerlichen Gesellschaft die Folge sein, wenn man das Studium der Wissenschaften vernachlässigt.“ Welches waren nun die Grunderneuerungen? Fragen stellen, Antworten geben – Wissen nicht nur pauken, sondern sich durch logisches Denken erarbeiten. Darauf kam es ihm an. Dank seiner wurde auch die allgemeine Schulpflicht durchgesetzt, humanistische Gymnasien wurden als Fundamente des wissenschaftlichen Studiums gegründet. Eines der Ersten von ihm gegründeten war das in Nürnberg(1526), das später seinen Namen erhielt. Kernfächer waren hier Griechisch und Latein, Rhetorik und Dialektik, Mathematik, Religion, Musik und „kreatives Schreiben“. Im Laufe der Jahrhunderte war auch der berühmte Philosoph Hegel Direktor dieser Schule.

Ausstrahlung

1535 trafen sich Melanchthon und Honterus in Wittenberg, eine Begegnung mit weitreichenden Folgen für Siebenbürgen. Auch ein Briefwechsel zwischen ihnen ist dokumentiert.

Bereits 1544 gestaltete der Humanist, Reformator und Ratsherr Johannes Honterus die Kronstädter Stadtschule in ein „Humanistisches Gymnasium“ im Sinne Melanchthons um. Es war die erste dieses Typs auf siebenbürgischem Boden. Nach diesem Vorbild entstanden dann auch in Hermannstadt und Bistritz, später in Schäßburg und Mediasch humanistische Gymnasien. Diese wurden aber zum Unterschied von Melanchthons Auffassung von der weltlichen und von der geistlichen Obrigkeit getragen.

1542 wurde in Kronstadt die Messe im reformatorischen Sinn geändert. Der Verfasser der neuen Kirchenordnung war ebenfalls Honterus. Diese wurde auch in Hermannstadt zur Kenntnis genommen, vom dortigen skeptischen Stadtpfarrer Matthias Ramser jedoch den Reformatoren Luther, Melanchthon und Bugenhagen zur Begutachtung in Wittenberg zugeschickt. Letztere waren begeistert von der Kronstädter Kirchenordnung, ließen sie sofort nachdrucken und Melanchthon schrieb eine Vorrede dazu. In der Folge kam es zu einem Briefwechsel, wo Melanchthon zum ersten Mal Siebenbürgen erwähnt (3. September 1543). Obwohl Melanchthon nie in Siebenbürgen gewesen ist, pflegte er nunmehr immer engeren Kontakt mit Siebenbürgern, die teils in Wittenberg studierten, teils dort studiert hatten (Martin Heinz, Georg Kakas, Caspar Helt u.a.). Obwohl es sich um Siebenbürger Sachsen handelte, sprach er stets von „Ungarn“, ähnlich wie sie heute undifferenziert als„Rumänen“ bezeichnet werden. Er erwähnt die Ordination zweier „Ungarn“, die unter den Türken das Evangelium predigen – es handelte sich um die Pfarrer Albert Kirschner aus Wurmloch und Lucas Schifflich aus Kronstadt.

Melanchthon nimmt auch Kenntnis von Valentin Wagners griechischem Katechismus (1544) und dem leider verschollenen rumänischen, den Albert Kirschner erwähnt. Wagner hatte ebenfalls in Wittenberg studiert.

Melanchthon kümmerte sich um die sächsischen und ungarischen Studenten, deren Heimat von Katholiken und Osmanen bedrängt war. Zu erwähnen wären hier Valentkovitz, Rubigallus, Abadi, Gelons. Letzterer blieb auch als späterer Präfekt der Burg Saros mit Melanchthon in brieflicher Verbindung.

Epilog

Luther und Melanchthon ermutigten die reformatorischen Anstrengungen in Siebenbürgen. Sie glaubten, in der relativen Religionstoleranz der Osmanen in Pannonien eine zumindest teilweise verwirklichte Zwei-Reiche-Lehre, die Trennung von Kirche und Staat, zu erkennen. Melanchthon wurde, nachdem er zeit seines Lebens im Schatten Luthers gestanden hatte, nach dessen Tod die maßgebende Instanz der Reformation. Hoch angesehen als Philologe, Philosoph, Humanist, Theologe, Lehrbuchautor und Dichter starb er am 19. April 1560 nach kurzer Krankheit im Alter von 63 Jahren in Wittenberg.

Dr. Wolfgang Knopp

Schlagwörter: Kirche und Heimat, Reformation

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