24. Dezember 2025

Weihnachten im Licht des Bogeschdorfer Marienaltars

Liebe Schwestern und Brüder, wir feiern Weihnachten. Seit unseren Kindheitstagen hat sich uns der Ruf des Engels über den Feldern von Bethlehem in die Seele geschrieben. Jede und jeder trägt die Heiligen Abende seines Lebens mit sich. Stimmungen, Berührungen, Gerüche, haben sich in unseren Körper und Geist eingraviert. Gefühle werden wach, Erinnerungen lebendig. Sobald wir die biblischen Bilder aufrufen und sie uns am Heiligen Abend vor Augen treten, finden wir uns wieder auf den Weg gebracht zur Krippe, zum göttlichen Kind.
Weihnachtsdarstellung am Flügelaltar aus dem Jahr ...
Weihnachtsdarstellung am Flügelaltar aus dem Jahr 1518 in Bogeschdorf (rumänisch Băgaciu) in Siebenbürgen. Foto: Martin Eichler, München
Auf dem Altar von Bogeschdorf ist das wunderbar dargestellt. Der auf 1518 datierte, vorreformatorische Marienaltar wird Johannes Stoß aus Schäßburg zugeschrieben, dem Sohn des bekannteren Nürnberger Meisters Veit Stoß. Auf dem Bildausschnitt mit der Geburt Jesu sehen wir Maria als junge Frau mit goldenen, engelsgleichen, lockigen Haaren. Sie trägt über dem goldenen Gewand einen blauen Mantel und hat einen unübersehbaren Heiligenschein. Das sind lauter Attribute, die sie als Himmelskönigin ausweisen.

Auch wenn in der christlichen Symbolik Blau als die himmlische Farbe gilt, werden mit ihr als Meeresfarbe auch unbegrenzte Ferne und Tiefe assoziiert. Dementsprechend verknüpft die Farbe Blau Göttliches, Himmlisches und Irdisches. Sie ist Mittlerin des Menschen für die Gegenwart Gottes, sie wird zur Farbe des Glaubens und der Treue. Das alles lässt sich am Bildausschnitt des Bogeschdorfer Altars wunderbar ablesen. Aber auch andere Details fallen auf. Vor Maria liegt das gut genährte Jesuskind, ebenfalls mit einem Heiligenschein ausgestattet, nackt auf einem weißen Tuch, einer Windel, die von zwei Engeln gehalten wird – einem etwas älteren, pummeligen Engel, der einen kurzen Faltenrock trägt, und einem Engel im Kindesalter. Ein weiterer Engel betrachtet die Szene und hält dabei den Gehstock Josefs umklammert. Ein vierter Engel schwebt über dem Ganzen, während Ochs und Esel von der Seite her interessiert zuschauen.

Josef selbst wird als alter Mann dargestellt. Er trägt ein rotbraunes Gewand, in der linken Hand hält er eine brennende Kerze. Die rechte Hand hält er schützend am wärmenden Licht, wie auch Maria die ausgestreckten Hände an der Kerze wärmt. Jetzt schon spüren sie die Wärme, die von diesem Kind für die ganze Welt ausgeht. Josefs Augen sind nachdenklich auf Maria gerichtet, so als wolle er fragen, was das hier alles zu bedeuten hat. Mit dem Licht in der Hand aber ist er der Bedeutung des Geschehens schon auf der Spur: Jesus Christus, das Licht der Welt ist geboren.

Ist damit schon alles erklärt und geklärt? Für Josef wohl noch nicht. Deswegen sein nachdenklicher, fragender Blick.

Und auch wir sind weit davon entfernt, Weihnachten mit einem Satz erklären zu können.

Sonst würden wir nicht Jahr für Jahr zu Weihnachten millionenfach diesen Wunsch nach zu Herzen gehender Stimmung entwickeln, Christen und Nichtchristen, Gläubige und Atheisten, dieses Verlangen nach schönen Melodien und Lichterschmuck und nach Frieden und Harmonie und Weihnachtsfreude. Zu tun hat das alles mit dem Empfinden, dass das Leben doch nicht nur aus Arbeit und Pflicht und, wenn es gut geht, aus etwas Spaß bestehen darf, sondern dass tief innen in uns etwas befriedigt werden möchte. Etwas, das nach Heiligem, Unzerstörbaren, Ewigem verlangt. Deshalb vererbt sich von Generation zu Generation diese Sehnsucht, dass es in der Welt etwas heller sein möchte, diese Sehnsucht nach Frieden und Liebe, dass die Menschen doch gut zueinander sein möchten, und der Wunsch, dass wir selber es könnten, gut zueinander zu sein.

Vor ungefähr 2000 Jahren haben Menschen gemerkt, dass es eine Antwort auf unsere Sehnsucht und unser Suchen nach dem unzerstörbar Guten gibt. Sie stand nicht in gelehrten Büchern, wurde nicht bewiesen im wissenschaftlichen Experiment, nicht ausgedacht von genialen Idealisten, sondern die Antwort findet sich in einem Menschen. In einem Kind. Ein Kind, in dem das letzte Weltgeheimnis steckt, in dem Gott selbst zu uns gekommen ist. Er hat sich uns gleich gemacht, hat begonnen, menschliches Leben aus unserer Perspektive zu sehen und zu leben.

Ich wünsche Ihnen allen, dass dieser Perspektivwechsel auch für Sie erfahrbar wird, dass Gott Ihnen nahe kommt mit seinem Schutz und Segen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen „gläcklich hellich däich“.

Hans-Gerhard Gross

Der Autor ist Vorsitzender der Gemeinschaft Evangelischer Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben im Diakonischen Werk der EKD – Hilfskomitee e.V.

(Beilage „Kirche und Heimat“, Siebenbürgische Zeitung, Folge 20 vom 16. Dezember 2025, Seite 19)

Schlagwörter: Weihnachten, Kirche und Heimat, Bogeschdorf

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