14. April 2020

Kulturmedaille des Landes Oberösterreich in Gold für Ingrid Schuller

Am 9. März (tags darauf wurden wegen der Corona-Krise alle Innenveranstaltungen mit mehr als 100 Personen verboten) wurden im Steinernen Saal des Linzer Landhauses die Kulturauszeichnungen durch Oberösterreichs Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer verliehen. Unsere Referentin für Kultur- und Brauchtumspflege Ingrid Schuller erhielt die „Kulturmedaille des Landes OÖ in Gold“ in Anerkennung ihres vielseitigen und vielfältigen Schaffens für unsere siebenbürgische Gemeinschaft und darüber hinaus.
Ingrid Schuller wurde als Ingrid Prall am 27. Dezember 1957 geboren und wuchs in Laakirchen in einer kinderreichen Familie auf. Die Eltern stammten aus Tschippendorf – der Tschippendorfer Treck wurde nach seiner Ankunft im November 1944 bei Bauern in Vorchdorf und Umgebung einquartiert. Bei der einheimischen und durchwegs katholischen Landbevölkerung waren die mittellosen Flüchtlinge anfangs meist nicht gern gesehen und stießen vielerorts auf Vorurteile. Den Spottreim „Weber, Ohler, Prall gibt es überall“ hat auch Ingrid als Jugendliche noch einige Male zu hören bekommen. Doch überall, wo sie untergebracht waren oder sich ansiedelten, erwarben die Siebenbürger Sachsen über die Jahre mit Ehrlichkeit, Anstand und großem Fleiß allmählich Respekt und Anerkennung der einheimischen Bevölkerung.

1960 war die Nachbarschaft Gmunden-Laakirchen gegründet worden, 1964 die Siebenbürger Volkstanzgruppe Laakirchen und 1965 der Siebenbürger Musikverein. Ingrid und die ganze Familie waren hier aktiv: Die älteren Geschwister in der Tanzgruppe und bei der Musikkapelle, die Eltern bei der Nachbarschaft. Ingrid wurde von klein auf hier eingebunden, trat nach der Konfirmation der Tanzgruppe bei und war Jahrzehnte lang auch in der Musikkapelle z.B. als Trachtenmutter und in der Nachbarschaft unterstützend tätig.

Eine Pause in der Tanzgruppe legte sie nach ihrer Hochzeit ein – im Alter von 21 heiratete Ingrid einen „Einheimischen“ und bekam drei gemeinsame Kinder, die jetzt erst einmal Vorrang hatten. Die Kinder wurden größer und so hatte Ingrid nun Zeit, sich wieder stärker zu engagieren. Daher übernahm sie 2001 das Amt der Nachbarmutter von Erna Krauss und brachte frischen Schwung mit. 2004 übernahm Ingrid das Amt für „Frauenarbeit und Brauchtumspflege“ im Verband der Siebenbürger Sachsen in Oberösterreich. Hier warteten viele neue Aufgaben und die Fußstapfen von Vorgängerin Herta Schell waren groß. Aber Ingrid steckte voller Energie und konnte nun ihre vielen Ideen verwirklichen. Neben all den Näh- und Stickkursen, Workshops, der Fortführung der Keramikmalkurse, dem Organisieren von Ausstellungen, Veranstaltungen und Ausflügen, dem Mitwirken bei den Heimattagen und den Erinnerungstagen, einem Mitteilungsblatt u.v.m. sind einige ihrer Aktivitäten und „Produkte“ besonders erwähnenswert.
Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer überreicht ...
Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer überreicht die Kulturmedaille des Landes OÖ in Gold an Ingrid Schuller. Bildquelle: Max Mayerhofer / Land Oberösterreich
2005 wurde das Buch „Die Geschichte des Soldaten Michael Barth“ veröffentlicht. Über anderthalb Jahre lang hat Ingrid aus Erzählungen des Herrn Barth seine Geschichte niedergeschrieben und über einen Verlag drucken lassen. Die Präsentation in der Öffentlichkeit war ein großer Erfolg und mehrere 100 Bücher wurden verkauft.

Ingrid ist der Nachbarschaft Traun und den „Lustigen Adjuvanten“ seit Langem freundschaftlich verbunden und hat mit ihnen viele gemeinsame Fahrten nach Siebenbürgen unternommen. Die erste gemeinsame Reise zum Sachsentreffen in Birthälm im September 2004 inspirierte Ingrid zur Praline „Süße Heimat“, einer in Weinbrand eingelegten Rosine in Nougatcreme, umhüllt von Schokolade. Dank Tochter Sonja, einer Zuckerbäckerin, und deren Arbeitgeber (eine in Gmunden sehr bekannte Konditorei) konnte diese Idee umgesetzt werden. Die Praline wurde 2007 präsentiert und entwickelte sich zu einem beliebten Geschenk und Mitbringsel. Der gesamte Gewinn von 2007 bis zur Einstellung der Praline 2019 wurde für soziale Zwecke in Siebenbürgen zur Verfügung gestellt – ein gutes Beispiel dafür, dass sich auch kleine Beträge summieren und eine große Hilfe sein können. 2007 wurde im Rahmen einer Sonderausstellung im Freilichtmuseum Sumerauerhof in St. Florian zur Kultur der Heimatvertriebenen mit dem Titel „Mitgebracht“ auch das „Katharini-Dirndl“ im Rahmen einer Trachten-Modeschau vorgestellt.

In Österreich wird gerne Tracht und Dirndl getragen. Bei machen Veranstaltungen ist das Tragen unserer schönen siebenbürgischen Tracht aber nicht notwendig oder nicht angebracht. Das „Katharini-Dirndl“ füllt diese Lücke: kein Ersatz der Siebenbürgertracht, sondern etwas ganz Eigenständiges, sozusagen unsere gemeinsame österreichische Tracht, ein Bekenntnis zur neuen Heimat. Gleichzeitig zeigt es in seinen Details unsere Liebe zu Siebenbürgen, z.B. mit dem Schnitt des Leibchens, den Biesen und dem Samtband am Rocksaum und in der Farbgebung. Die Stickerei am rückwärtigen Halsausschnitt lehnt sich an die Stickereien der Kirchenpelze an. Nachdem Ingrid die Idee dazu hatte, setzte sie diese mit großer Unterstützung von Damen aus den einzelnen Nachbarschaften höchst professionell und konsequent um. Es wurden im Vorfeld Ideen gesammelt, Trachtenvorführungen der Goldhaubengruppen besucht, entworfen, wieder verworfen und diskutiert. Schließlich wurde in Traun der Schnitt erstellt und der Prototyp genäht, zu guter Letzt das gute Stück im Heimatwerk von Profis begutachtet und dort sogar das Dirndlkleid in die OÖ. Trachtenmappe aufgenommen. Ob in Laakirchen, Rosenau-Seewalchen, Wels oder Traun, überall kann man bei verschiedenen Veranstaltungen Frauen im „Katharini-Dirndl“ bewundern. Diese Idee von Ingrid wurde somit ein großer Erfolg.

Das größte Herzensprojekt von Ingrid Schuller ist sicher der Kulturherbst. Der Heimattag in Wels 2012 stand unter dem Motto „Tage der Gemeinschaft – Tage der Kultur“ und daraus entstand der erste Kulturherbst der Siebenbürger Sachsen in Oberösterreich mit 15 kulturellen Veranstaltungen, verteilt aufs ganze Land. Unter Mithilfe der Nachbarschaften entwickelte sich dieser erste Versuch zu einer großartigen Sache, der Kulturherbst fand 2019 bereits zum 8. Mal statt. Ingrid kann dank ihrer guten Vernetzung in der siebenbürgischen Welt viele Kontakte zu Autoren, Musikern usw. herstellen. Die Zahl der angebotenen Veranstaltungen steigert sich jährlich und wird sehr gut angenommen, dank der professionellen Arbeit und Vermarktung auch von Nichtsiebenbürgern. Ob Lesung oder Konzert, Vortrag oder Theaterstück – es ist für jede Altersgruppe etwas dabei und Ingrid trägt als Ideenlieferantin und kreativer Kopf dahinter ganz entscheidend zum Erfolg bei!

Ingrid wurde 2007 zu unserer Bundesfrauenreferentin (heute: Bundeskulturreferentin) für ganz Österreich gewählt, sie ist seit 2013 auch Schriftführerin im Landesverband OÖ und kümmert sich gemeinsam mit ihrem Gatten Manfred, da es leider keinen eigenen Sozialreferenten mehr gibt, um die sozialen Belange, also in erster Linie Hilfslieferungen nach Siebenbürgen, Projekte zur Selbsthilfe usw. Sie besucht mit dem Gatten regelmäßig den Heimattag in Dinkelsbühl und das Sachsentreffen in Siebenbürgen, war im Vorstand der HOG Bistritz-Nösen aktiv und ist wie erwähnt sehr gut vernetzt. Großen Wert legt sie auf die Pflege dieser Kontakte, etwa zu Pfarrer Zay und zur Familie Lehni. Für den Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreis, der international jedes Jahr zu Pfingsten in Dinkelsbühl von den Föderationsmitgliedern Deutschland und Österreich vergeben wird, zeichnet Ingrid Schuller als Vertreterin für Österreich im Preisgericht verantwortlich.

Ingrid ist es wichtig, außerhalb der siebenbürgischen Welt, also zu unseren österreichischen Landsleuten und Institutionen, gute Kontakte zu pflegen und ist auch hier zu großem Engagement bereit. 2005 bis 2010 hatte sie die Stelle als Pressechefin der Zeitung „Mitteilungsblatt“ im Landesverband der OÖ. Heimatvereine inne, bei dem z.B. die siebenbürgischen Gruppen wie Wels und Traun Mitglied sind. Für die Nachfolgezeitung „Brauch ma“ verfasst sie regelmäßig Berichte und so kommt es, dass unsere siebenbürgische Kultur und Bräuche im ganzen Land bekannt sind.

Der Verband der Siebenbürger Sachsen in OÖ trat 2017 als 25. Mitglied dem Forum Volkskultur bei und seither ist Ingrid Schuller dort als Schriftführerin im Vorstand vertreten. Seit 2018 ist sie Schriftführerin und Pressereferentin beim Verband Salzkammergut. Die zahlreichen guten Kontakte, besonders zum Forum Volkskultur, zum Rundfunk, zu den Volkskundlerinnen beim Land OÖ und den Museen, zahlen sich aus und bringen auch den einzelnen Vereinen etwas – man denke an die großartigen Veranstaltung der Reihe „Musik der Völker“ im Brucknerhaus Linz, wo u. a. die Vöcklabrucker Stubenmusi, die Lustigen Adjuvanten und die Kindertanzgruppen Traun und Wels auftreten durften. Nicht alles kann hier angeführt werden. Fest steht aber: Hinter dieser ehrenamtlichen Tätigkeit stecken unzählige Stunden an Arbeit, Zeit und auch Geld, manchmal Mühsal, vor allem aber Liebe, Begeisterung und ganz viel Idealismus. Das wurde 2010 mit dem „Goldenen Ehrenzeichen“ des Bundesverbandes der Siebenbürger Sachsen in Österreich und 2016 mit dem „Ehrenzeichen des Landesverbandes“ vom Verband der Heimat und Trachtenvereine in Oberösterreich belohnt.

Abseits des Ehrenamtes hat Ingrid auch ein Privatleben, sie hat sich viele Jahre um die betagten Schwiegereltern im Haus und ihre restliche Familie gekümmert. Besonders wichtig sind die Kinder und Enkelkinder, die sie gerne umsorgt. Viele Jahre hat sie die Privatzimmervermietung im Haus Schuller in Altmünster gemanagt und der Pension ihren Stempel aufgedrückt. Seit kurzem ist Ingrid in Rente. So hat sie in Zukunft (hoffentlich) mehr Zeit für die Reisen ins geliebte Siebenbürgen, ihre Familie und ihre ehrenamtlichen Tätigkeiten.

Liebe Ingrid, herzliche Gratulation im Namen aller siebenbürgischen Vereine und Nachbarschaften in OÖ zur „Kulturmedaille des Landes OÖ in Gold“! Diese hast Du Dir wirklich verdient. Wir sind gespannt auf Deine neuesten Ideen. Wenn die Corona-Krise vorbei ist, sind wir gerne bereit, Dich bei Deinen neuesten Projekten zu unterstützen.

Irene Kastner

Schlagwörter: Österreich, Oberösterreich, Ingrid Schuller, Kulturreferentin, Ehrung, Landeshauptmann, Stelzer, Kulturherbst

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  • 14.04.2020, 22:21 Uhr von Doris Hutter: Liebe Ingrid, auch wir gratulieren zur Kulturmedaille: Du hast mit Herzblut und Bedacht so ... [weiter]

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