17. November 2024

Nachbarschaft Traun: „Abschied und Neubeginn: 80 Jahre seit der Flucht aus Siebenbürgen"

Unter diesem Motto lud die Siebenbürger Nachbarschaft Traun am 19. Oktober zu einer Gedenk- und Festveranstaltung ins Schloss Traun. Die Sorgen betreffend Besuch („Haben die Menschen auch 80 Jahre danach noch Interesse an dem Thema Flucht“ etc.) erwiesen sich glücklicherweise als unbegründet, denn Mitglieder wie Ehrengäste strömten an diesem noch lauen Abend zahlreich herbei. Nach dem üblichen Begrüßungsstamperl füllten sich die Sitzreihen im Schönbergsaal. Nachbarvater Kons. Dietmar Lindert konnte über 180 Besucherinnen und Besucher begrüßen, darunter viele Ehrengäste.
Danach übergab er das Wort an Mag. Irmgard Hofmann, die nun charmant die weitere Veranstaltung moderierte. Nach ihrer Einführung in die Hintergründe ersuchte sie Kulturstadtrat Mag. Johann Böhm und Bürgermeister Ing. Karlheinz Koll um ihre Grußworte: Johann Böhm ließ uns an seinen Erinnerungen als Kind von Geflüchteten teilhaben. Bürgermeister Ing. Koll zeigte sich stolz, die größte Nachbarschaft Österreichs in Traun zu haben, und würdigte unseren Anteil an der kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt.

Es folgte ein Musikstück und nach einer Überleitung durch die Moderatorin die erste Hälfte des Programms, das von drei Sprecherinnen und einem Sprecher gestaltet wurde: Annemarie Hiotu begann mit dem geschichtlichen Hintergrund zu den politischen Entwicklungen und den Ursachen der Flucht sowie deren Abwicklung. Danke dafür an Horst Göbbel, der uns diesen Text zur Verfügung gestellt hat!
Sie haben den vorgetragenen Erinnerungen ein ...
Sie haben den vorgetragenen Erinnerungen ein Gesicht verliehen – die erste, zweite und dritte Nachfolge-Generation: Hanna Roth (mit Wurzeln in Sanktgeorgen/Weilau/Heltau), Carina Hofmann (Abtsdorf bei Mediasch), Jürgen Stefani (Rode) und Annemarie Hiotu (Hermannstadt und Alzen). Foto: Dietmar Hofmann
Die sieben südsiebenbürgischen Gemeinden an der Grenze zu bzw. in Rumänien wurden als erste am 8. September 1944 evakuiert, daher fuhr Hanna Roth mit den Erinnerungen der früheren Nachbarmutter Gertrude Kreischer, geb. Kopes fort, die als Zwölfjährige nur mit dem, was sie am Leibe trug, flüchten musste. Ihre Erinnerungen an die Schulzeit in Rainbach bei Schärding mit den erlittenen Demütigungen rührten zu Tränen.

Nach einem weiteren Musikstück der zweite Teil: Die Evakuierung des Reener Ländchens begann am 9. September 1944. Carina Hofmann trug einen Ausschnitt aus den anschaulichen Erinnerungen von Traugott Keller vor, der den kleinen Treck der Bewohner von Sächsisch-Regen (der Großteil wurde mit der Bahn evakuiert) von der Abfahrt am 11. September bis zur Ankunft in Vöcklabruck am 21. November begleitete und 1250 km zurücklegte. Zuletzt wurden die 33 Gemeinden des Nösnerlandes evakuiert: Die Trecks in den Dörfern fuhren meist am 17. September ab, weshalb die Erinnerungen von Martin Hesch den Abschluss bildeten, die von Jürgen Stefani vorgetragen wurden. Martin Hesch, Jahrgang 1899, war in Waltersdorf längere Zeit Kirchen- und Gemeindekassier und verfasste die erste, 1977 erschienene Waltersdorfer Chronik. Seine Nachkommen leben ebenfalls in Traun. Mit Hanna Roth, Jahrgang 1998, studierte vergleichende Kultur- und Literaturwissenschaften und betätigte sich bereits erfolgreich selbst als Autorin („Spiegel der Welt“). Aus ihrem neuesten Werk „Herz gegen Kopf“ trug sie „Siebenbürgische Identitäten“ vor – eine passende Ergänzung des Programms, die zum Nachdenken anregte. Irmi Hofmann dankte unseren Leserinnen und dem Leser: Sie hatten den vorgetragenen Schicksalen ein Antlitz verliehen und die Erinnerungen greifbar und spürbar gemacht.

Großer Applaus auch für die beiden Musikerinnen Lara Ziss (Querflöte) und Julia Homolka (Klarinette), beide bei der Trachtenkapelle Traun aktiv: Sie umrahmten die Veranstaltung mit klassischen Stücken. Die Schlussworte kamen von unserem Bundesobmann Kons. Manfred Schuller: Er ging auf die Flucht und den schweren Neubeginn hier in Österreich ein, richtete seinen Blick aber auch auf Gegenwart und Zukunft unserer kleinen Gemeinschaft.

Moderatorin Irmgard Hofmann lud nur zweiten Hälfte des Programms, dem Fackeltanz im Schlosshof sowie zur anschließenden Bewirtung im Raum der Kunst. Ein besonderer Anlass verlangt nach einem besonderen Abschluss: Der Fackeltanz wurde zuletzt 2011 beim 55-jährigen Vereinsjubiläum aufgeführt und wurde nun fürs Jubiläum wieder neu einstudiert. Die Aufführung mit den drei Kreisen bzw. 24 Tanzpaaren verlief sehr gut. Es war draußen dunkel und die Fackeln erleuchteten den Schlosshof, eine feierliche Stimmung verbreitete sich gleichermaßen unter den Tänzerinnen und Tänzern wie im Publikum. Nach diesem eindrucksvollen Abschluss wurde nun im Raum der Kunst diskutiert und gelacht, gegessen und getrunken. Großer Dank an alle Mitwirkenden, Helferinnen und Helfer sowie an Gabi Kopes und Birgit Pfeiffer und ihre Teams, mit denen sie die kleinen Köstlichkeiten vorbereitet haben. Dank auch den Gästen, denn ohne Gäste keine Feste.

2026 feiern wir das 70-jährige Bestandsjubiläum, dann werden wir uns mit dem Neustart in Österreich beschäftigen und freuen uns heute schon auf zahlreichem Besuch!

Irene Kastner

Schlagwörter: Nachbarschaft, Traun, Flucht, Gedenken, Manfred Schuller

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