6. Juli 2010

Rumänien kämpft gegen Haushaltsdefizit

Die rumänische Regierung greift in ihrem Kampf gegen das Haushaltsdefizit weiter zu drastischen Mitteln. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 5 Prozent ist der jüngste Versuch der Regierung um Premierminister Emil Boc (PDL), das Budget in den Griff zu bekommen. Die Bürger zahlen ab 1. Juli 24 Prozent auf alle Waren und Dienstleistungen. Der Staat will so bis zu eine Milliarde Euro zusätzliche Einnahmen kassieren und das Haushaltsdefizit unter der mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) vereinbarten Grenze von 6,8 Prozent halten.
Die Steuererhöhung wurde am 23. Juni per Eildekret beschlossen. Die Regierung nahm damit eine Entscheidung des Verfassungsgerichts vom 25. Juni vorweg, in der das oberste Gericht einen Teil der bereits verabschiedeten Sparbeschlüsse für verfassungswidrig erklärte. Gekippt wurde die 15-prozentige Rentenkürzung. Die Reduzierung der Gehälter der Staatsangestellten um 25 Prozent wurde hingegen nicht beanstandet. Auch die Entlassung von rund 58 000 Angestellten in den Kommunalverwaltungen kann wie beschlossen durchgeführt werden. Die Richter griffen mit ihrer Entscheidung Eingaben der Oppositionsparteien PSD (Sozialdemokratische Partei) und PNL (Liberale Partei) sowie des Obersten Gerichts- und Kassationshofes auf (die Siebenbürgische Zeitung berichtete).

Experten und selbst Regierungsmitglieder sehen durch die massive Mehrwertsteuererhöhung die Erholung der Wirtschaft in diesem Jahr in weite Ferne rücken. Die Maßnahme werde zu einer Erhöhung der Inflation führen, hieß es von Seiten der Rumänischen Nationalbank. Finanzminister Sebastian Vlădescu rechnet nun mit einem Rückgang der Wirtschaft um 1 bis 2 Prozent. Bisher sprach man offiziell über eine Schrumpfung von 0,5 Prozent.

Der Hermannstädter Bürgermeister Klaus Johannis kritisierte den Ad-hoc-Charakter der Maßnahmen aus Bukarest: Steuergesetze könne man nicht über Nacht ändern, zitiert ihn die Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien. Zudem wälze die Regierung einen Großteil ihrer Anti-Krisen-Maßnahmen auf die Kommunen ab, durch Kürzung von Mittelflüssen aus der Einkommenssteuer und die Übertragung von zusätzlichen Aufgaben wie die derzeit durchgeführte Übergabe von Krankenhäusern in kommunale Verwaltung.

Finanzexperten zeigten sich ebenso irritiert über die Fähigkeit der rumänischen Regierung, die Krise wirksam zu bekämpfen. Mit 4,40 Lei für einen Euro fiel die Landeswährung Anfang Juli auf den tiefsten Stand seit der Einführung des Euro, innerhalb weniger Tage ein Verlust von 4 Prozent. Allerdings stabilisierte sich der Leu in der zweiten Juliwoche wieder. Erst mit Verzögerung empfahl der IWF-Vorstand am ersten Juli-Wochenende die Freigabe der nächsten Kredittranche über 930 Millionen Euro.

HW

Schlagwörter: Politik, Wirtschaft, Finanzen

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