6. April 2013

Partner in der EU: Botschafter von Mettenheim über die deutsch-rumänischen Beziehungen

Nur das Negative präge sich ein, Klischees bestimmten das Rumänienbild der Deutschen, monierte Andreas von Mettenheim, seit 2009 deutscher Botschafter in Bukarest. Zu Beginn seines Vortrages „Partner in der Europäischen Union“ am 4. März, der im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Außenpolitik live – Diplomaten im Dialog“ stattfand, versprach er mit neuen Erkenntnissen über das EU-Land zu überraschen. Der EuropaPunktBremen und das Institut für Auslandsbeziehungen hatten nach Bremen geladen, und viele interessierte Zuhörer, darunter Volkmar Gerger, Vorsitzender der Landesgruppe Niedersachsen/Bremen des Verbands der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, ließen sich die Gelegenheit nicht entgehen, einen Blick hinter die Kulissen der deutschen Diplomatie zu werfen und sich in den Dialog einzubringen.
Die Staatskrise im Sommer 2012, innenpolitische Machtkämpfe und korrupte Politiker verstärken die allgemeine Politikverdrossenheit in Rumänien. Korruption und mangelhafte Rechtsstaatlichkeit sind daher auch Problemfelder, in denen die Europäische Union tätig ist. Um Fortschritte zu überwachen, wurde ein Monitoring-Verfahren, der Kooperations- und Überprüfungsmechanismus, eingeführt. Für Rumänien stelle dieses Verfahren, welches nur in Rumänien und Bulgarien Anwendung findet, allerdings ein Problem psychologischer Art dar, führte der Botschafter aus. Die Wahrnehmung als Europäer zweiter Klasse werde zusätzlich durch den ausbleibenden Beitritt zum Schengenraum verstärkt. Nichtsdestotrotz ist Rumänien ein wichtiger Partner in der EU, der den Fiskalpakt ratifiziert hat, dem Euro-Plus-Pakt beigetreten ist und mittelfristig die Einführung des Euro anstrebt.

Auch aus wirtschaftlicher Sicht ist Rumänien ein interessanter Partner. Das Land ist ein bedeutsamer Standort in der Autozulieferindustrie, verzeichnete zuletzt Fortschritte im IT-Sektor und verfügt über eine hervorragende geopolitische Lage. Botschafter von Andreas von Mettenheim verwies auf die Chancen, die sich für deutsche Investoren ergeben, auch da die Staatsverschuldung Rumäniens mit unter 40% im europäischen Vergleich relativ gering ausfällt. Schon jetzt ist Deutschland Rumäniens wichtigster Handelspartner. Indes ist Rumänien nach Bulgarien nach wie vor das ärmste Land der EU, der Durchschnittslohn liegt bei 340 Euro netto monatlich, nicht in jeder Region ist fließendes Wasser und ein Anschluss ans öffentliche Stromnetz die Regel. Die Krise hat das wirtschaftlich instabile und infrastrukturell schwache Land besonders stark getroffen – die EU-Euphorie der Rumänen wurde dadurch merklich gebremst.
Andreas von Mettenheim in Bremen. Foto: Johanna ...
Andreas von Mettenheim in Bremen. Foto: Johanna Sokoließ
Vor diesem Hintergrund und der teilweise schwachen Bildungsinfrastruktur, seien Migrationsbewegungen verständlich, sagte der Diplomat. Die Abwanderung qualifizierter Fachkräfte schwäche Rumänien. Problem der Armutsflüchtlinge aus Rumänien sei in Deutschland noch überschaubar. Zwar entstünde in einigen Ballungsgebieten der Eindruck einer massenhaften Zuwanderung, aber generell seien eher Italien, Frankreich und Spanien Zielländer ungelernter Arbeitskräfte aus Rumänien. Deutschland profitiere eher von Akademikerzuwanderung. Wie man das Blatt auch wende, so Botschafter von Mettenheim, dürfe man nicht vergessen, dass Mobilität eines der Grundprinzipien der EU sei.

Vorbildlich sei der Vielvölkerstaat für seine Multikulturalität und gut verankerte Minderheitsrechte. So schicken beispielsweise 18 Minderheiten je einen Vertreter ins Parlament. Roma, die mit circa zwei Millionen zweitgrößte Minderheit Rumäniens, haben allerdings auch heute noch mit Vorurteilen zu kämpfen. In einer vom Auswärtigen Amt gemeinsam mit einer rumänischen NGO in Auftrag gegebenen Studie wird die aktuelle Lebenssituation der Roma untersucht mit dem Ziel, Methoden zur besseren Inklusion in Rumänien zu identifizieren. Ende 2012 erhielt Botschafter von Mettenheim für sein Engagement den „Award for Supporting Roma Minority“.

Ein weiterer Schwerpunkt der deutschen Botschaft in Bukarest ist die Etablierung und der sukzessive Ausbau der dualen Berufsausbildung. Bis dato gibt es kaum Möglichkeiten einer praxisorientierten Ausbildung, Pilotprojekte sollen den Grundstein für ein neues System legen. Eine flächendeckende Anwendung muss die rumänische Regierung, mit Hilfe europäischer Gelder, allerdings selber leisten. Aktiv ist die deutsche Botschaft auch in der Pflege der kulturellen Beziehungen, die nicht zuletzt wegen der von der deutschen Minderheit aufgebauten renommierten Kultur- und Bildungsinstitutionen ausgezeichnet sind.

Die deutsche Minderheit genießt ohnehin einen ausgesprochen guten Ruf in Rumänien. Emblematisch hierfür ist die kürzliche Berufung des deutschen Bürgermeisters von Hermannstadt, Klaus Johannis, zum Stellvertretenden Vorsitzenden der Nationalliberalen Partei. Auch in Zeiten der Krise hat sich das Bild der Deutschen kaum verschlechtert, trotz stringenter finanzpolitischer Haltung der Bundesregierung und stagnierenden Abbaus der Binnengrenzen. Ziel der Bundesrepublik müsse es sein, seinen Prinzipien treu zu bleiben, schloss Botschafter von Mettenheim den anregenden Diskussionsabend, gleichzeitig aber die Frustration der Rumänen so gering wie möglich zu halten und somit der Gefahr einer wachsenden EU-Müdigkeit entgegenzuwirken.

Johanna Sokoließ

Schlagwörter: deutsch-rumänische Beziehungen, Politik, Vortrag, Bremen

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  • 06.04.2013, 18:55 Uhr von lori: Foaie verde... [weiter]

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