27. Juli 2017

Dem Verfall der Kirchenburg Birthälm einen Riegel vorgeschoben

Die Kirchenburg Birthälm ist nicht nur das Aushängeschild der gleichnamigen Gemeinde und durch ihre exponierte Lage auf einem Hügel mitten im Ort von weither sichtbar. Schon bevor sie 1993 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wurde, war der ehemalige Sitz des evangelischen Bischofs (1572-1867) eine bedeutende touristische Attraktion in Siebenbürgen. Die Siebenbürgisch-Sächsische Stiftung in München zieht im Folgenden Bilanz über die Restaurierung dieses herausragenden Denkmals in den letzten Jahren.
Jedes Jahr richtet das Siebenbürgenforum seit 1991 hier die Sachsentreffen aus, seit 2006 geschieht das mit Unterbrechungen. Und so kommen viele Siebenbürger Sachsen in der Kirchenburg zusammen, wie einst ihre Vorfahren. Der älteste Mauerring des Sakralbaus wird übrigens auf Ende des 14. Jahrhunderts datiert.

Dass die Zeit nicht spurlos an der gotischen Hallenkirche, umgeben von drei Ringmauern, sechs Türmen mit Pyramidendach (Stundenturm, Glockenturm, Mausoleumsturm, Katholischer Turm, Speckturm, Einfahrtsturm), zwei Türmen mit Pultdach (Rathausturm, Weberturm) sowie einer Bastei (Scheidungshaus bzw. Ehegefängnis), vorüber gegangen ist, war schon lange sichtbar. Und so entschloss sich die Siebenbürgisch-Sächsische Stiftung zu handeln und dem zunehmenden Verfall Einhalt zu gebieten. Sie war bei der Instandsetzung der Kirchenburg federführend dabei und mitverantwortlich, dass Besucher aus aller Welt das altehrwürdige Denkmal auch heute noch bewundern können.
Renovierungsarbeiten an der Kirchenburg Birthälm. ...
Renovierungsarbeiten an der Kirchenburg Birthälm. Foto: Jan Hülsemann
Von 2011 bis 2015 haben deutsche und rumänische Wissenschaftler und Denkmalfachleute die stetig mehr verfallende Kirchenburg unter besonderer Beachtung von Naturschutzzielen in ein Wahrzeichen siebenbürgischer Kultur verwandelt, das sich wieder sehen lassen kann. Projektträger war die Siebenbürgisch-Sächsische Stiftung. Dem Vorsitzenden des Stiftungsrates Dipl.-Ing. Hans-Christian Habermann gelang es, mehrere Partner für das Vorhaben zu gewinnen. Die Stiftungen World Monument Fund und die Deutsche Bundesstiftung Umwelt leisteten dabei einen großen Beitrag. Mit dem technischen Projektleiter, dem Bremer Architekten Jan Hülsemann, wurden die notwendigen restauratorischen und konservatorischen Maßnahmen in Angriff genommen. Zusammen mit verschiedenen internationalen und rumänischen Projektpartnern wurde ein spezielles Restaurierungskonzept entwickelt, das die durch fehlende Pflege und Wartung der Gebäude sowie Umweltbelastung erheblich geschädigte historische Substanz zum großen Teil wiederhergestellt hat.

Die Projektbewilligung im Juli 2011 gab den Startschuss für die Planungsphase zur Erwirkung der Baugenehmigung sowie der Projektziele. Nach Vorgesprächen und vielfältigen Sondierungs- und Recherchearbeiten wurde mit der aufwändigen Planungsphase begonnen. Weit über 30 Ingenieure, Architekten und verschiedene Fachleute mit ihren Mitarbeitern haben an dieser komplexen Aufgabe mitgewirkt. Von Anfang an stand die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Vordergrund. Denn: „Wir sehen uns als Brückenbauer zwischen den Kulturen und wollen alle in dieses äußerst umfangreiche Projekt integrieren“, erklärt Helmuth Hensel, Geschäftsführer der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung.

Im Juni 2013 begannen schließlich die ersten Arbeiten: Instandsetzung verschiedener Abschnitte der äußeren sowie zweiten Ringmauer, Bau eines Stückes Trockenmauer gegen den Hang, Reparatur des Mauerwerks für eine begrünte Mauerkrone, Reinigung des gesamten Bereiches zwischen Mausoleums- und Glockenturm, Ausbau der Epitaphien aus dem Mausoleumsturm und deren Einlagerung in der Kirche, Türdurchbruch in der Zwischenebene des Rathausturmes zur Erschließung über den späteren Wehrgang, Wegepflasterungen, Erdarbeiten und unterirdische Drainagen, Instandsetzung der hölzernen Treppenstiege, Zimmerarbeiten am Rathausturm.

Die Arbeiten wurden von kleinen, lokalen Firmen und von den Mitarbeitern der Kirche vorgenommen. Vorteile dieser Vorgehensweise sind eine bessere Kontrolle und geringere Kosten sowie eine weitgehende Qualitätskontrolle der eingesetzten Materialien, Bauweisen und Geräte. Ein Nachteil ist der hohe Aufwand für die Projektleitung und die Mitarbeiter der Kirche. Die meisten Handwerksarbeiten hat Ernst Linzing mit seinem Team übernommen. Der Inhaber der Firma „J und K“ S.R.L. ist ein in der Denkmalpflege erfahrener Bauunternehmer aus dem Nachbarort Malmkrog, der das gesamte Projekt mit seiner handwerklichen Erfahrung und seinen logistischen Möglichkeiten begleitet und bereichert hat. Einzelne Baukomponenten wurden auch durch Arbeitsgruppen der internationalen Zusammenarbeit durchgeführt, etwa mit der Berufsschule Ebersbach der Handwerkskammer Hessen, der FSB Bau München oder einer Gruppe französischer und deutscher Wandergesellen. Und auch eine Freiwilligengruppe von etwa 30 Helfern des Vereins zur Kunst- und Kulturförderung in den Neuen Ländern e.V. (VKF) half bei den Arbeiten an der Kirchenburg.

Dass nicht immer alles reibungslos verlief, war trotz aller Planung und Vorbereitung nicht zu vermeiden. Die Kommunikation zwischen der deutschen Projektleitung und den hauptsächlich rumänischen Mitarbeitern vor Ort war oft schwierig und das sehr knappe Budget erlaubte nur wenig Spielraum für fachliche Veranstaltungen zum Wissensaustausch und zur Beschaffung von Gerät und Werkzeugen sowie für unvorhergesehene höhere Kosten, wie zum Beispiel für die Treppenstiege.

Die Gesamtbaukosten betrugen schließlich über 585.000 Euro und mussten ständig aktualisiert und angepasst werden, was angesichts der Größe des Projekts normal ist. Das insgesamt niedrige Budget für die Planungen hat ebenfalls zu Irritationen geführt. Einzelne Fachleute hatten deutlich höhere Honorare erwartet. Gleichzeitig gibt es nicht viele Fachleute, und die Projektleitung hatte keine großen Auswahlmöglichkeiten.

Auch die rechtlichen Grundlagen gestalteten sich schwierig, da die umsatzsteuerpflichtige Gemeinde Birthälm die geforderte Umsatzsteuer erst einmal nicht ­bezahlen konnte. Die langwierigen Verhandlungen zum Grundlagenvertrag zwischen der Gemeinde Birthälm als Bauherrn und dem Projektträger haben zu Irritationen bei den Mitarbeitern und zur sehr späten Aufnahme der Arbeiten durch einzelne Fachleute geführt. Die Vertragsverhandlungen zwischen dem Bauherrn und den Fachleuten stagnierten über mehrere Monate. Die Koordination der einzelnen Fachgebiete war nicht immer einfach, insbesondere die zeitliche Abstimmung vor Ort. Auch dadurch kam es immer wieder zu Verzögerungen. Erschwerend kam hinzu, dass die Projektleitung nur etwa alle vier Wochen für mehrere Tage vor Ort zusammenkommen konnte. So ergaben sich mitunter große Lücken in der Koordination. Mit erheblichen Kosten sind auch die Übersetzungen der deutschen und rumänischen Dokumente verbunden. So liegt trotz ständigen Drängens bis heute die erste Studie vom März 2011 nicht vollständig übersetzt vor, obwohl diese doch die Grundlage für die weiteren Planungen bieten sollte. Gleichwohl muss man die bilaterale Zusammenarbeit als äußerst wertvoll für beide Seiten einschätzen.

Unterschiedliche Sicht- und Herangehensweisen, Darstellungsformen, Richtlinien und Wertigkeiten mussten mitunter mehr als in einem geschlossenen Kulturkreis üblich diskutiert und entwickelt werden. Hier liegt aber auch ein sehr wertvoller Aspekt einer solchen Zusammenarbeit, die sich am Ende als positiv für den Erhalt des Denkmals herausstellte.

Zusammenfassend kann aus Sicht der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung gesagt werden, dass es angesichts der großen Herausforderungen äußerst schwierig war, das Projekt durchzuführen, insbesondere unter der Prämisse, an dem Weltkulturerbe Kirchenburg Birthälm nur hochwertige Arbeiten mit hochwertigen Materialien durchzuführen.

Eine der wichtigsten Erkenntnisse der Beschäftigung mit dem Bauwerk ist die Tatsache, dass an der Kirchenburg über all die Jahrhunderte bis heute fortlaufend Instandsetzungs- und Verbesserungsmaßnahmen durchgeführt wurden, die aber teilweise nicht dokumentiert und heute nur mit moderner Technologie (z.B. Dendrochronologie) nachweisbar sind. Ein bedeutender Aspekt der Denkmalpflege ist daher eine genaue und objektive Dokumentation, um einerseits künftigen Generationen ein besseres Verständnis der kontinuierlichen Entwicklung zu hinterlassen und gleichzeitig anderen vergleichbaren Bauvorhaben fundierte Erfahrungswerte zur Verfügung zu stellen.

Bettina Ponschab

Schlagwörter: Birthälm, Kirchenrenovierung, Kirchenburg, Siebenbürgisch-Sächsische Stiftung

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