1. August 2017

Zukunftsszenarien für Siebenbürgen

So manch einer, der auf kleinen Landstraßen durch die herrliche Landschaft Siebenbürgens fährt, wünscht sich, diese möge für immer so bleiben: sanfte grüne Hügel bis zum Horizont, verschlafene kleine Dörfer, üppig blühende Blumenwiesen. Dann, in einem Dorf: Kinder in Plastikschlappen, ein mageres Pferd grast am Straßenrand. Man denkt mit einem Anflug von schlechtem Gewissen: Für sie wäre es nicht gerecht, wenn hier alles beim Alten bliebe ...
Was könnte sich in den nächsten 30 Jahren verändern? Mit dieser Frage setzt sich die Studie „Die Zukunft von Mensch und Natur in Siebenbürgen“ von Joern Fischer, Andra Ioana Horcea-Milcu, Tibor Hartel, Jan Hanspach und Friederike Mikulcak auseinander, herausgegeben von der Arbeitsgruppe für nachhaltige Landnutzung an der Leuphana Universität Lüneburg. Sie zeichnet vier fiktive Zukunftsversionen vor.

In Szenario 1 „Wohlstand und Wachstum“ wird die wirtschaftliche Entwicklung im ländlichen Raum gefördert. Traktoren bearbeiten den Boden, es gibt kein Brachland mehr. Doch der Wettbewerb wird härter. Böden und Wälder werden ausgebeutet, ohne Kunstdünger geht nichts mehr. Das Dorfbild verändert sich. Es gibt zwar keine Armut mehr, doch auf Kosten der Natur. Der traditionelle Charakter der Landschaft geht verloren, Tourismus gibt es nur noch in denkmalgeschützten Orten und Vergnügungsparks.
Studie der Uni Lüneburg über die Zukunft ...
Studie der Uni Lüneburg über die Zukunft Siebenbürgens.
In Szenario 2 „Unser Land – deren Wohlstand“ verändern sich die Parameter: Zwar schafft die wirtschaftliche und politische Lage große Nachfrage nach land- und forstwirtschaftlichen Erzeugnissen, doch Kleinbauern und Familienbetriebe werden nicht gefördert. Großinvestoren von außen drängen in die Region. Die Einheimischen gehen leer aus, sie wandern als Arbeitskräfte ab. Zurück bleiben Arme und Alte.

In Szenario 3 „Gleichgewicht schafft Schönheit“ führt eine fiktive Umweltkatastrophe in Westeuropa zu einer Neuausrichtung der gesamten EU-Politik: ökologische Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit sind die neuen Zauberwörter. Öko-Landbau wird überall gefördert, doch nur für Betriebe, die sich zu Vereinen zusammenschließen und die strengen Naturschutzauflagen einhalten können. Die Menschen müssen gemeinsame Initiativen entwickeln. Resultat: Das Brunnenwasser bleibt sauber, die Landschaft intakt. Dorftourismus und traditionelle Feste ziehen Touristen aus ganz Europa an. Zwar werden die meisten Einheimischen davon nicht reich, doch die Armut geht stark zurück. Junge Menschen verlassen die Region meist nur kurzzeitig und kehren später wieder heim.

Um „Verpasste Chancen“ geht es im vierten Szenario: Auch hier werden großzügige Subventionen an Biobauern vergeben, doch nur ab einer gewissen Mindestfläche. Allerdings schaffen es die Menschen nicht, sich zusammenzuschließen. Misstrauen, Streit und Korruption stehen im Weg. So werden Investoren aus dem Ausland auf die fruchtbaren Böden und billigen Arbeitskräfte aufmerksam. Sie kaufen Land, errichten große Bio-Betriebe, streichen Förderungen ein. Wieder geht die lokale Bevölkerung leer aus. Trotz strenger Umweltschutzregeln führt die Armut zu illegalen Abholzungen, geduldet von korrupten lokalen Behörden. Die Lokalbewohner betrachten die hohen Naturschutzauflagen als Schikane. Die Jugend verlässt die Dörfer, die Bevölkerung nimmt ab. Wegen der großflächigen Flugbereinigung nimmt auch die Artenvielfalt rund um die großen Ökofarmen ab.

17 Organisationen wurden für die Studie ­befragt. „Unseren Szenarien zufolge liegt die Lösung zu einem guten Teil in der Schaffung örtlicher Netzwerke, in denen Vertrauen, Fachwissen und Gemeinschaftsgefühl vorherrschen“, schreibt das Autorenteam.

„Siebenbürgen ist dank seiner Naturschönheit, seiner reichen Geschichte, des friedlichen Zusammenlebens in multikulturellen Dorfgemeinschaften und der starken authentischen Bindungen zwischen Mensch und Natur eine einzigartige Kulturlandschaft. Diese Gegend verdient eine Zukunft zum Vorteil von Mensch und Natur“, begründen die Autoren die Notwendigkeit ihrer Studie. Sie darf zu nichtkommerziellen Zwecken unter Nennung von Autoren und Quelle frei verwendet, vervielfältigt und verteilt werden. Leicht verständlich und ansprechend aufbereitet durch die fiktiven „Zeitzeugenberichte“, die die Gefühle der Dorfbevölkerung reflektieren, eignet sie sich als Augenöffner und Diskussionsstoff, auch im Rahmen des Schulunterrichts. Die Studie kann als pdf-Datei unter dieser Adresse heruntergeladen werden: https://peisajesustenabile.files.wordpress.com/2015/05/the-future-of-people-and-nature-in-southern-transylvaniadie-zukunft-von-mensch-und-natur-in-sc3bcdsiebenbc3bcrgen.pdf.

Nina May

Schlagwörter: Siebenbürgen, Zukunft, Studie

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Neueste Kommentare

  • 01.08.2017, 18:31 Uhr von Doris Hutter: Eine ernst zu nehmende Studie, die ich sehr wichtig und intelligent aufgebaut finde. Ich ... [weiter]

Artikel wurde 1 mal kommentiert.

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