16. Juni 2018

Benjamin Józsa: "Die Zukunft beginnt jetzt"

Die Festrede beim 13. Begegnungsfest auf dem Huetplatz in Hermannstadt (diese Zeitung berichtete) hielt Benjamin Jósza, Geschäftsführer des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien. Unter dem Titel „Die Zukunft beginnt jetzt“ setzte sich der Redner am 26. Mai mit dem Fortbestand des Forums, des deutschen Kulturerbes und des deutschen Schulwesens auseinander. Es habe kürzlich ein Strategieplanungsprozess begonnen, „in einem Umfang, wie es seit Gründung des Forums noch nicht der Fall gewesen ist“. Für die vielseitigen Aufgaben nimmt Jósza nicht nur die in Siebenbürgen verbliebenen Sachsen in die Pflicht, sondern alle seien gefordert, „die Ärmel hochzukrempeln“. Benjamin Józsas Festrede wir im Folgenden ungekürzt wiedergegeben.
Verehrte Ehrengäste,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Hermannstädter von nah und fern,

wenn von Zukunft die Rede ist in den letzten Wochen und Monaten, dann meist mit einem Fragezeichen versehen. Ob in den Vereinigte Staaten von Amerika, wo ein irrlichternder Präsident alles in Frage stellt, was bisher politischer Konsens gewesen ist, in Syrien, wo Stellvertreterkriege der Großmächte zunehmend drohen aus dem Ruder zu laufen, oder beim Expansionsdrang des furchterregenden Nachbarn im Osten, Russland, überall stellt man sich bange Fragen, wie eine Zukunft aussehen mag und ob eine friedliche Zukunft überhaupt noch möglich ist. Und weil mittlerweile die Welt vernetzt ist, wie nie zuvor, können Ereignisse, die tausende Kilometer von uns entfernt stattfinden, große Auswirkungen auf unser tägliches Leben haben.

Auch die rumänische Politik bietet nicht gerade Anlass zur Entspannung. In Bukarest ist eine unheilige Allianz an der Arbeit, alles was einem Rechtsstaat heilig ist in die Luft zu sprengen und uns wirtschaftlich mit einer Hypothek zu belasten, an der noch unsere Enkelkinder werden tragen müssen. Zukunft? Mehr als ungewiss.
Benjamin Jósza hielt die Festrede zum Thema "Die ...
Benjamin Jósza hielt die Festrede zum Thema "Die Zukunft beginnt jetzt" am 26. Mai 2018 im Spiegelsaal des Forums in Hermannstadt. Foto: Beatrice Ungar/HZ
Dafür wird im Forum verstärkt über die Zukunft nachgedacht, nach außen hin, aber vor allen Dingen nach innen. Nach außen hin haben wir einmal mehr unsere Stimme gegen Korruption erhoben und uns der Bürgerinitiative beigesellt, die unter dem Slogan „Ohne Straftäter in politischen Ämtern“ für eine Gesundung der Politik an der Dâmbovița kämpft. Wir glauben nach wie vor, dass eine saubere Politik in Rumänien möglich ist, die frei von Klüngel und Günstlingswirtschaft rechtsstaatlichen europäischen Werten verpflichtet ist. Und dass eine freie Justiz den Bürger vor der Willkür der Mächtigen schützt und nicht die Mächtigen vor dem Gesetz.

Strategieplanungsprozess hat begonnen

Nach innen hin haben wir uns in einen Strategieplanungsprozess begeben, in einem Umfang wie es seit Gründung des Forums noch nicht der Fall gewesen ist. Unzeitgemäße Gedanken? Jetzt, wo die Zukunft hüben und drüben bedroht scheint, denken wir darüber nach, wie unser Forum im Jahr 2030 aussehen könnte? Das Land brennt und die Alte kämmt sich, wie unsere rumänischen Freunde es in ihrem unübertroffenen Sprüchereichtum formulieren? Könnte man glauben.

Doch hat das Forum seit seiner Gründung eine lange Tradition in unzeitgemäßen Gedanken. In den Umbruchtagen des Jahres 1989 gegründet, als die überwiegende Mehrheit der Rumäniendeutschen auf gepackten Koffern und Kisten saß und nur einen Gedanken hatte, „möglichst schnell weg von hier“, war eine Zukunft im Land genauso denkbar wie Filme auf einem Telefon schauen. Die Zeitläufte schienen anderes. Kriegsfolge, Deportation, Enteignung, Perspektivlosigkeit, Unterdrückung und Elend haben jedes seinen Teil dazu beigetragen, dass ein Völkchen, das Tataren und Türken jahrhundertelang getrotzt hatte, keine Zukunft mehr im eigenen Land sah. Und es war ja auch so! Der Umbruch, bei dem man sich die Freiheit um den Preis von sovielen Menschenleben erkauft hatte, war eines, doch die kommunistische Hydra, die schon in den ersten Monaten des Jahres 1990 so augenfällig bei den ethnischen Zusammenstößen in Neumarkt am Mieresch (Târgu Mureș), aber vor allen Dingen bei den Bergarbeiterunruhen, den sogenannten „Mineriaden“, ihren Kopf emporreckte, zeigte, dass es nicht leicht werden würde. Und es wurde nicht leicht.

Nach 1990 glaubten nur wenige an eine Zukunft in Siebenbürgen

Damals gab es einige Wenige, die einen Traum hatten. Die an eine Zukunft in Siebenbürgen, im Banat, im Sathmarland oder in der Bukowina glauben. Die den Aderlass, den der Wegzug der Mehrheit darstellte, zwar registrierten, aber unbeirrt weitermachten.

Unzeitgemäß war es, an ein vielhundertjähriges Schulwesen zu glauben, das wider Erwarten trotz Fehlens rumäniendeutscher Schüler mit Deutsch lernenden Rumänen weiterhin am Leben erhalten wurde.

Unzeitgemäß war der Gedanke, landespolitisch wie kommunalpolitisch aktiv zu werden und mit der Maxime „nicht ohne uns über uns sprechen“ ein allseits geschätzter politischer Faktor im In- und Ausland zu werden.

Unzeitgemäß war der Gedanke, im Jahr 2000 einen bis dato kaum bekannten Physiklehrer als Bürgermeisterkandidaten aufzustellen, den später allseits geachteten Bürgermeister Hermannstadts und jetzigen Präsidenten Rumäniens, Klaus Johannis.

Unzeitgemäß war es, an die Rettung und Erhaltung des materiellen Kulturerbes zu glauben, in einer Zeit, als ein Bild mit einem Kirchenpelz als Decke für ein Romapferd als Sinnbild für das „finis saxoniae“ kursierte.

Unzeitgemäß war es, entgegen der damaligen wirtschaftlichen Vernunft die Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien als Tageszeitung weiterzubetreiben, als die einzige deutsche Tageszeitung Südosteuropas und unverzichtbares Informationsmedium der Rumäniendeutschen.

Zu all den Erfolgen gesellten sich auch Versäumnisse

Doch zu all diesen Erfolgen gesellten sich nach und nach auch Versäumnisse. Das erste – und folgenschwerste – war, dass man die ersten zwei Jahrzehnte kaum etwas für eine mittel- und langfristige Zukunftsplanung tat, geschweige denn für eine Zukunftsstrategie. Gab es ein Problem, wurde es gelöst, brauchte man einen Mandats- oder sonstigen Funktionsträger, wurde er getreu dem Motto „bisher war immer jemanden da, wenn man ihn gebraucht hat“ gefunden. Mit anderen Worten, man kümmerte sich um das Dringende statt um das Wichtige.

Das zweite Versäumnis – eng mit dem ersten verbunden – war der Mangel an einer kohärenten und nachhaltigen Jugendarbeit. Da beide Aspekte eng miteinander verzahnt sind, so dass man sie nicht wirklich trennen kann, möchte ich sie zusammen ausführen.

Als ich im Jahr 1991 zum Jugendforum kam, galt der Grundsatz, dass die Jugend gut sei für Stühle-Tragen und Plakate-Kleben, aber ansonsten den Mund zu halten habe und tunlichst keine neuen Ideen äußern sollte, bis man irgendwann spät im Erwachsenenalter als voll genommen werden konnte. In einer Zeit, wo sich die Welt anschickte ins Computerzeitalter zu schießen und Firmengründer in den frühen Zwanzigern normal waren und Großes vollbrachten, leistete sich das Forum den Luxus einer Weltanschauung des 19. Jahrhunderts, die dazu führte, dass es eine Nachwuchskraft nach dem anderen verlor, ohne etwas dagegen zu tun. Erst 1998 mit der Gründung der Arbeitsgemeinschaft deutscher Jugendorganisationen (ADJ) wurde zaghaft begonnen, dem Mangel abzuhelfen.

Großer Schub in der Kommunalpolitik durch Klaus Johannis

In der Kommunalpolitik erhielt das Forum zur Jahrtausendwende einen großen Schub mit der Wahl Johannis‘ zum Bürgermeister und vier Jahrte später einen noch größeren, mit dessen fulminanter Wiederwahl und dem Einzug von 16 Stadträten (von 23) in den Stadtrat Hermannstadts. Mit den großen politischen Erfolgen der Anfangszeit und vor allen Dingen mit dem Projekt Kulturhauptstadt Europas im Jahr 2007 war plötzlich ein glänzender Aufschwung von Hermannstadt und implizit des Forums möglich.

Auch heute ist mir noch der Wahlabend 2004 in die Erinnerung eingegraben. Eine gelöste Stimmung herrschte im Großen Saal, fast sogar Ausgelassenheit, wie wir wissen eine Seltenheit bei den Siebenbürger Sachsen. Wir, die jüngeren Semester, die in den Stadtrat gewählt wurden, und auch die, die sich auf den unwählbaren Plätzen befunden hatten, machten uns Gedanken darüber, wie es weitergehen würde. Man müsste sich die Bereiche aufteilen, dachten wir, jeder was er am besten könne, Kurse besuchen, lernen, sich Fachwissen aneignen ... Doch nichts dergleichen geschah. Die Initiativen wurden von keinem gebündelt. Der Aufbruchsmoment, in dem man eine Konsolidierung der Personaldecke des Forums und ein Heranziehen neuer Kräfte hätte in Angriff nehmen sollen, wurde ungenutzt verstreichen gelassen.

Fünf Jahre später wurde ein erneuter Anlauf unternommen, über die Zukunft des Forums zu sprechen. Zwanzig Jahre nach Gründung des Forums war es allerhöchste Zeit, sich Gedanken zu machen, ob die Wege, die eingeschlagen wurden noch zeitgemäß sind, und ob eine Anpassung des Kurses nötig sein sollte. Mit im Boot war auch die Evangelische Kirche A.B., die dieselben Gedanken umtrieben: Mitgliederschwund, fehlende Jugend, knappe Ressourcen für viel zu viele Aufgaben. Infolge dieser Tagung entstand ein Tagungsband, der die Gedanken um „Zukunft und Perspektiven“ zusammenfasste, doch da sich lediglich das Siebenbürgenforum und das Hermannstädter Forum diese Initiative zu eigen machten, blieb sie strikt auf diesen lokalen Wirkungskreis beschränkt.

Ein Weiter-So kann es nicht mehr geben

Diese paar Eckdaten habe ich bloß angeführt, um noch einmal zu unterstreichen: Ein Weiter-So kann es nicht mehr geben. Wir können nicht so tun, als wären wir immer noch 300.000 und auf paar Talente, die gehen, käme es nicht mehr an. Unsere Baustellen sind mittlerweile überall. In der Schule fehlen an allen Ecken und Enden Lehrer. Im Stadtrat von Hermannstadt sind die reiferen Jahrgänge überrepräsentiert. Mitarbeiter (auch hauptamtliche) sind schwer bis gar nicht zu finden. Und die Jugendgruppen sind geschrumpft, weil selbst die wenigen Rumäniendeutschen im Alter zwischen 14 und 25 den Weg nicht mehr zu den Jugendforen finden.

Lange Rede kurz, es musste etwas getan werden.

Einer unserer langjähriger Partner, die Konrad-Adenauer-Stiftung in Bukarest, dachte in eine ähnliche Richtung, so dass im Jahre 2017 nach einigen Gesprächen eins zum anderen kam und sich im Dezember die Möglichkeit bot, in Zusammenarbeit eine landesweite Tagung zur Zukunft des Forums zu organisieren. Die Strategieplanung „Forum 2030“ war geboren.

Strategieplanung „Forum 2030“

Dabei war das Datum 2030 nicht zufällig gewählt. Der Kerngedanke der Strategieplanung war, dass wenn alles so weitergehe wie bisher, das Forum in zehn Jahren nur noch ein Schatten seiner selbst sein würde, mit überalteten Gremien, mit verkrusteten Strukturen und mangelnder Attraktivität für Jugend und Neumitglieder. Ich möchte nicht Jugend vs. Alter in Stellung bringen, doch muss ich ganz kühl feststellen, dass sich der Lauf der Welt in den letzten fünfzehn Jahren ungeheuer beschleunigt hat. Dass man das Forum mit Mitteln des 19. und 20. Jahrhunderts nicht mehr effizient führen kann. Dass Plattformen wie Facebook, Twitter, Instagram, Skype und WhatsApp nicht neumodische Spielereien für Halbwüchsige sind, die nichts Besseres zu tun haben, sondern Realität und Arbeitswerkzeuge einer neuen globalen Wirklichkeit.

Der Grundgedanke der Strategieplanung war also, die nächsten 12-13 Jahre auszuleuchten, um die Weichen zu stellen, dass es im Jahr 2030 noch Forumsmitglieder gibt, die sich über eine Zukunft Gedanken machen, die Politik gestalten, an Schule festhalten, Kultur und Medien pflegen sowie eine zeitgemäße Jugendarbeit betreiben, so dass es auch ein Strategiepapier Forum 2070 geben kann, in dem jüngere Leute als meine Wenigkeit ganz kühl feststellen, dass sich der Lauf der Welt ungeheuer beschleunigt hat und dass man mit Mitteln des 19. und 20. Jahrhunderts wie Facebook, Twitter, Instagram, Skype und WhatsApp das Forum nicht mehr effizient führen kann.

Das Forum sollte bei seinen Kernkompetenzen bleiben

Doch welches sind überhaupt noch die Kernanliegen des Forums? Das Forum muss eine zeitgemäße Politik führen, antworteten die Teilnehmer des größten Workshops, „Politik“, und das Forum muss beginnen, landesweit Politik zu gestalten. Ich muss gestehen, dass es mir bei diesem letzten Gedanken unwohl ist. Zunächst ist das DFDR keine Partei sondern eine Minderheitenselbstvertretung. Somit ist die Politik nur Mittel zum Zweck aber nie ein Zweck an sich. Außerdem hat sich das Forum in den vergangenen 28 Jahren einen wohlverdienten Ruf als äquidistante politische Kraft und konstruktiver Gesprächspartner erarbeitet. Diesen Ruf aufzugeben und in Grabenkämpfe einzusteigen, die, wie wir zur Genüge wissen, in Rumänien sehr schmutzig sein können, und meist zu keinen messbaren Ergebnissen führen, ist alles andere als eine gute Idee. Außerdem setzen wir uns damit der Beliebigkeit aus. Wir sind dann nicht mehr DAS Forum sondern irgendein Forum, dem es erst um Machterhalt geht und erst danach um die Sache.

Das heißt aber nicht, dass wir keine politischen Ambitionen entwickeln sollen. Wir sollten aber darauf achten, streng bei unseren Kernkompetenzen zu bleiben: eine verlässliche und bürgernahe Verwaltung in der Kommunalpolitik sowie das Einstehen für europäische Werte wie Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung, Minderheitenrechte und Meinungsfreiheit in der Landespolitik.

Doch Politik muss nicht nur gestaltet werden, sondern auch den Mitgliedern vermittelt werden, und dieses sollte beileibe keine Einbahnstraße sein. Die Vermittlung hat in beide Richtungen hin zu funktionieren. Hier möchte ich wieder das Hermannstädter Modell als Beispiel heranziehen.

Die indirekte Erklärung der Forumspolitik funktioniert gut. Lokalpresse sowie Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien und Hermannstädter Zeitung berichten regelmäßig über die Geschehnisse in der Stadt und die Tätigkeit der Stadtverwaltung, der Informationsfluss läuft. Weniger gut läuft die direkte Erklärung, zumeist aus Zeitmangel. Die Mitgliederversammlungen des DFD Hermannstadt finden zwei Mal im Jahr statt, zu selten, um einen regelmäßigen Austausch über Forumspolitik zu gewährleisten.

"Die Ideen unserer Mitglieder müssen wir systematisch und wiederholt abfordern"

Die Gegenfahrbahn ist allerdings fast inexistent. Es gibt zurzeit kein Gremium, das Ideen oder Vorschläge der Mitglieder bündelt und an unsere Kommunalpolitiker heranträgt. Sie werden jetzt antworten, die Mitglieder können doch in den Mitgliederversammlungen aufstehen. Oder wenn es mal brennt, die Audienzen der Stadträte, der Bürgermeisterin oder der Vizebürgermeisterin aufsuchen. Alles richtig, doch nicht wirklich realitätsnahe. Die Mitgliederversammlungen sind einfach zu groß und finden zu selten statt, um dieses zu gewährleisten. Auch ist es nicht jedermanns Sache vor einem großen Gremium zu sprechen, wenn der Saal zudem auch schon mit den Füßen scharrt, weil sich die Sitzung durch jede Wortmeldung verlängert. Audienzen hingegen implizieren dagegen ein gewisses Maß an Zeitmanagement, da sie meist in die Arbeitszeit des Einzelnen fällt. Ob man als einfaches Forumsmitglied diesen zeitraubenden Weg der Audienz beschreitet, um die Idee der Neugestaltung eines Parks zu lancieren, wage ich zu bezweifeln.

Deswegen müssen wir die Ideen unserer Mitglieder systematisch und wiederholt abfordern. Wir müssen kleine Formate wie die „Hermannstädter Gespräche“ dazu nützen, oder zusätzliche Formate entwickeln, um zu erfahren, was die Mitglieder von „ihrem“ Forum wünschen.

Zwar ist es richtig, dass das Forum von der Mehrheitsbevölkerung gewählt wurde und somit alle Bürger der Stadt zu vertreten hat. Es wäre aber ein verheerendes Zeichen, unseren Mitgliedern den Eindruck zu geben, sie zählen nicht, weil sie wenige sind. Denn was das Forum – also den Ort für einen freien und offenen Austausch – ausmacht, waren und sind die Mitglieder, die es direkt und indirekt prägen.

Politische Debatten zum Wohle des Landes

Zusammenarbeit muss in der Forumspolitik auch weiterhin groß geschrieben werden. Wir müssen mit allen politischen Kräften den Konsens suchen und uns an Debatten zum Wohle unseres Landes beteiligen. Punktuelle Zusammenarbeiten zu Themen, die das Land auf Jahrzehnte hinaus prägen können, wie die eingangs erwähnte Kampagne „Ohne Straftäter in öffentlichen Ämtern“ sind allemal besser als vornehmes Schweigen. Wir müssen unsere Prinzipien deutlich artikulieren und an die Öffentlichkeit bringen selbst wenn sie nicht sofortigen und unmittelbaren Erfolg zeitigen.

Zu einer guten Forumspolitik gehört auch die Verbindung zum Mutterland Deutschland und die Verbindungen zu den anderen deutschen Minderheiten Europas.

Mit Deutschland verbindet uns nach der Wende eine lange Erfolgsgeschichte. Bisher hat jedwede Bundesregierung die Rolle der Rumäniendeutschen zum Wohle ihres Landes und als Verbindung zu Deutschland gewürdigt und ihre Förderung (beileibe nicht nur durch Geld!) als grundlegend erachtet. Mit Freude nahmen wir zur Kenntnis, dass im letzten Koalitionsvertrag erstmalig auch die deutschen Minderheiten in Europa in einem eigenen Absatz angeführt werden.

Zwei Siebenbürger Sachsen in der Bundesregierung

Trotzdem, Beziehungen müssen gepflegt werden. Wir haben leider infolge der letzten Wahl drei der profiliertesten Freunde der Rumäniendeutschen im Bundestag verloren. Deshalb müssen wir verstärkt nach Partnern Ausschau halten, um ihnen unsere Themen und Sorgen nahezubringen. Das Forum ist nur stark mit starken Partnern an einer Seite.

In dieser Hinsicht war es eine besondere Freude zu hören, dass die Bundesregierung einen Hermannstädter in der Person von Dr. Bernd Fabritius zum neuen Beauftragten für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten ernannt hat. Wir sind sicher, dass er diese Stelle mit dem gewohnten Engagement und Temperament ausfüllen wird.

Doch hat die Bundesregierung mit Dr. Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, noch einen weiteren siebenbürgischstämmigen Beauftragten. Die Ernennung beider Beauftragten ist wohl die augenfälligste Anerkennung, dass wir Rumäniendeutsche uns konstruktiv zum Wohle aller einbringen können – und dieses auch tun.

Partnerschaften auf verschiedenen Ebenen pflegen

Die deutschen Minderheiten in Europa, namentlich jene aus den Ländern des ehemaligen Ostblocks, haben dieselben Aufgaben und kämpfen mit ähnlichen Problemen. Deswegen ist es nur folgerichtig, dass wir zusammenarbeiten und gemeinsame Probleme auch gemeinsam gegenüber der Bundesrepublik Deutschland artikulieren. Mit der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten (AGDM) ist eine gute Plattform geschaffen worden, um sich zu vernetzen und gemeinsame Lösungen für gemeinsame Probleme zu finden. Wir Rumäniendeutschen wollen uns in der AGDM auch weiterhin aktiv einbringen.

Wir müssen auch die Partnerschaften auf bilateraler Ebene pflegen und weiter ausbauen. Mit der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen haben wir einen Lehreraustausch aus der Taufe gehoben der in diesem Jahr ins vierte Jahr geht. Mit dem Verband der sozio-kulturellen Gesellschaften aus Polen gab es ein gemeinsames Projekt im Bereich Deutschunterricht, dieses soll in diesem Jahr weiter vertieft werden. Kollegen von den Russlanddeutschen interessierten sich für das Konzept unserer Sozialstationen und unternahmen eine Informationsreise nach Rumänien. Die Vorsitzende vom Verband der Deutschen aus Lettland besuchte unsere Geschäftsstelle, um sich über Verbandsentwicklung und mögliche Kulturprojekten zu informieren. Es sind solche Projekte, die eine Verbindung zwischen den Deutschen Europas lebendig erhalten und noch einmal unterstreichen, was wir sind: eine große Familie mit Wurzeln in zwei verschiedenen Kulturkreisen, tätig zum Wohle beider.

Zweiter Workshop: Kultur und Medien

Im zweiten Workshop der Tagung, in dem es um Kultur und Medien ging, wurde die Frage gestellt: Was nehmen wir mit in die Zukunft? Wir haben ein ungeheuer großes materielles Kulturerbe, das es zu pflegen gilt, Kirchen, Kirchenburgen, Schulen und Museen. Können wir alles in die Zukunft retten? Mit einem Blick auf die vergangenen zehn Jahre muss ich sagen, dass ich mir über das materielle Kulturerbe weniger Sorgen mache denn je. Die Evangelische Kirche leistet zusammen mit der „Stiftung Kirchenburgen“ Großes für den Erhalt der siebenbürgischen Kulturlandschaft. Dass zwei Staatspräsidenten, der deutsche Bundespräsident zusammen mit dem rumänischen Präsidenten, in der Kirchenburg Heltau gemeinsam festhalten, wie wichtig die siebenbürgische Kulturlandschaft für Europa ist, unterstreicht dieses auf nachdrückliche Weise. Die vielen „kleinen“ Initiativen wie Kleinschenk, Felldorf oder Trappold, um stellvertretend nur drei zu nennen, machen Mut. Natürlich ist noch vieles zu tun, natürlich werden nicht in jedem Fall optimale Ergebnisse erzielt werden. Lassen Sie es mich trotzdem deutlich unterstreichen: Wir gehen mit großen Schritten in die richtige Richtung.

Sorge bereitet das imaterielle Kulturgut

Was mir hingegen Sorge bereitet, ist unser immaterielles Kulturgut, das immer stärker vom Aussterben bedroht wird. Der siebenbürgisch-sächsische Dialekt wird immer seltener und von immer älteren Leuten gesprochen. Unsere Bräuche, wie das Kronenfest, das Urzelnlaufen, das Eierschibbeln, sind bis auf wenige Ausnahmen kaum noch anzutreffen. Das Forum tut zwar vieles dafür, dass diese Bräuche bewahrt und weitergegeben werden, aber die Weise, diese Bräuche in die Zukunft zu überführen, muss noch gefunden werden.

Der Bereich des immateriellen Kulturguts, der am stärksten bedroht ist und auf den ich deswegen gesondert eingehen möchte, sind unsere alten Gassennamen. Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, so ist die erste spirituelle Landkarte meiner Stadt Hermannstadt von diesen Gassennamen geprägt. Wir spazierten durch die Poschengasse in die Unterstadt, gingen über den Weinanger, erklommen die Sagstiegen und schlenderten über den Kleinen Ring in die Reispergasse. Diese Straßennamen und damit ein wichtiger Teil Stadtgeschichte werden, wenn nichts passiert, in der Generation meiner Tochter endgültig verlorengegangen sein.

Ich weiß, das Thema zweisprachige Straßenschilder ist mit Emotionen behaftet und gilt als schwierig. Trotzdem denke ich, sollten wir die Verständniskraft unserer rumänischen Freunde nicht unterschätzen. Sie sind in der Mehrheit stolz auf die deutsche Geschichte ihrer Stadt und sie würden, eine gute Kommunikation vorausgesetzt, als erste zweisprachige Straßenschilder begrüßen, wie auch die Bewohner von Bistritz, Schäßburg und Mühlbach ihrerseits diese seinerzeit begrüßt haben. Denn sie haben sofort verstanden, dass man damit nichts wegnimmt, sondern der Stadt etwas zurückgibt. Wenn wir, die Hermannstädter Deutschen, unsere Geschichte nicht hochhalten, wie können wir erwarten, dass es andere tun?

Unsere Geschichte und Tradition wird geschätzt, meine Damen und Herren, das beweisen jeden Tag unsere Schulen, in denen mehrheitlich rumänische Schüler deutschen muttersprachlichen Unterricht genießen. Eine neue Generation wächst hier heran, die zwar rumänisch und orthodox ist, aber deutsche Gedichte und siebenbürgisch-sächsische Traditionen lernt. In zehn, zwanzig Jahren werden wir eine ganze Reihe Architekten, Ärzte, Richter und Ingenieure haben, die Absolventen der Brukenthalschule sind. Diesen Generationen muss unser Augenmerk ebenfalls gelten, da unsere Themen auch schon die ihren sind.

Drei wichtige Aufgaben der deutschsprachigen Schulen

Im dritten Workshop, „Schule“, ging es folgerichtig um Probleme des Unterrichts in deutscher Sprache, die schnellestens gelöst werden müssen, wenn das deutsche Schulwesen gut auch weiterhin funktionieren soll.

Das erste und größte Problem ist der Lehrermangel, wobei der Lehrermangel bei den Fachlehrern am gravierendsten ist. Lehrer, die Geschichte, Biologie, Mathematik oder Physik in deutscher Sprache unterrichten können, sind so selten, dass man eigentlich schon Kopfgeld auf sie aussetzen müsste. Verstärkt wird das Ganze noch dadurch, dass der Bedarf an deutschsprachigem Unterricht immer größer wird. Hier eine Lösung zu finden, wird DIE Kernaufgabe der Zukunft sein, wenn wir nicht wollen, dass die Zukunft bald der Vergangenheit angehört.

Das zweite Problem ist der Mangel an Schulbüchern. Das Unterrichtsministerium hat es in fast dreißig Jahren nicht geschafft, ein kohärentes Verfahren für das Herstellen der Lehrbücher der Minderheiten zu schaffen. Lassen Sie es mich deutlich sagen: Es ist ein Skandal, dass im Zeitalter des Digitaldrucks und der Kommunikation in Echtzeit, die Schüler sich noch ihre Aufgaben mühevoll aus alten Büchern übersetzen müssen! Der Stellenwert, der zurzeit seitens der Politik der Schulbildung zugemessen wird, stimmt traurig und lässt für die Zukunft nichts Gutes erahnen.

Die dritte Aufgabe, die aber in unserer Hand liegt, ist die Verbindung des Forums zu den Lehrern. Trotz Schulkommission ist es vielfach so, dass unsere Lehrer und unser Forum zwei verschiedene Gebiete sind, die nur selten interferieren. Wir müssen es schaffen, hier eine tragfähige Verbindung zu schaffen und das Forum als Begegnungsort (auch) unserer Pädagogen werden zu lassen.

Die Jugendarbeit ist der am meisten gefährdete Bereich des Forums

Der wahrscheinlich wichtigste, aber zahlenmäßig kleinste Workshop war schließlich die Jugendarbeit. Das Leitbild, das der Jugendstrategie vorangestellt ist, gibt eine deutliche Richtung vor: „Durch seine Jugendarbeit will das DFDR darauf hin arbeiten, dass die deutsche Minderheit als Ganzes, aber auch konkret der Verein DFDR eine gesicherte Zukunft haben. Unser Bestreben ist die Pflege und Weiterentwicklung der deutschen Kultur allgemein sowie der für die rumäniendeutschen Gruppen spezifischen Bräuche und Traditionen im Besonderen. Das DFDR möchte mitwirken, dass junge Menschen sich persönlich entwickeln, untereinander Gemeinschaft pflegen und zu mündigen Bürgern Rumäniens werden.“

„Was will die Jugend vom DFDR“, aber auch „Was will das DFDR von seiner Jugend“ waren die beiden Fragen, die gestellt wurden, um daraus einen sehr konkreter Maßnahmenkatalog zu entwickeln. Trotzdem sehe ich die Nachwuchsförderung als den am meisten gefährdeten Bereich des ganzen DFDR.

Die Ursachen sind mannigfaltig. Wir leben in einer globalisierten und vernetzten Welt, in der die Mobilität unheimlich gewachsen ist. Bietet ein Arbeitgeber oder ein Verein in Dublin, Barcelona oder gar Palo Alto einem Jugendlichen Spielraum zu seiner Entfaltung, so ist er in wenigen Stunden und für kleines Geld bald dort. Wird er an einer Stelle gebremst, so wird er sich eine andere suchen, an der er auch gefragt ist. Wir sollen es nicht vergessen: Der Kampf des 21. Jahrhunderts wird um Köpfe ausgetragen! Und wir müssen uns ganz ehrlich fragen, was wir den jungen Leuten bieten können. Hier sehe ich ein doppeltes Handicap. Einesteils durch eine verfehlte Landespolitik Rumäniens, die einen sowieso schon mörderischen brain drain weiterhin anheizt, und andererseits durch unser eigenes Dazutun, indem wir im Forum ein starres, schwerfälliges und innovationsfeindliches Umfeld beibehalten. Überall? Natürlich nicht. Aber leider oft genug.

Konkret würde das bedeuten, dass wir die Jugend sehr früh zu fördern beginnen. Kindergruppen, beginnend mit dem Kindergarten, würden sicherstellen, dass man frühzeitig auf Talente aufmerksam wird. Datenbanken mit Namen und möglichen Aufgabenbereichen, die ergänzt und gepflegt werden, wären ein guter Anfang. Heranziehen der jungen Leute an, Kultur, Traditionen der Minderheit, Politik und Soziales durch Workshops, sollte das Mindeste sein. Wir müssen proaktiv auf die Schulen zugehen und die Ausbildung begabter Jugendlicher durch Hospitationen, Praktika, Volontariate und Stipendien sicherstellen.

Auch das so oft angesprochene Problem des fehlenden politischen Nachwuchses kann man nur durch aktives Heranziehen lösen. Bei einem Gespräch schnappte ich einen Satz auf: Wir können Jugendliche nur dann in der Politik gebrauchen, wenn sie gut ausgebildet sind und Verwaltungserfahrung haben. Wirklich? Braucht ein guter Architekt im Stadtrat Verwaltungserfahrung, um Vergehen gegen den Denkmalschutz festzustellen oder Ideen im Bereich Straßenplanung zu entwickeln? Muss man Diplom-Verwaltungswirt sein, um festzustellen, wo Infrastruktur veraltet ist? Natürlich nicht. Wir brauchen gute Fachleute auf ihrem Gebiet, Leute mit gesundem Menschenverstand, die sich einbringen wollen. Diese müssen wir anhören und machen lassen, dann wird sich auch die Verwaltungserfahrung einstellen, wo sie auch wirklich benötigt wird.

Wir müssen eine Sache ständig im Hinterkopf behalten: Probleme werden nicht durch einfaches Ansprechen verschwinden. Wir müssen selber aktiv werden. Alle! Jeder von uns! Deswegen wird es darauf ankommen, wie wir das Strategiepapier „Forum 2030“ zur Umsetzung bringen. Wir alle sind gefragt, wenn es gilt, den festgehaltenen Grundsätzen Leben zu verleihen.

Nun werden Sie einwenden, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass ich ausschließlich über Siebenbürgen und Hermannstadt gesprochen habe und kein Wort über unsere Landsleute gesagt habe, die in Deutschland wohnen, in Österreich, in Kanada oder in den Vereinigten Staaten, und die so zahlreich heute erschienen sind. Dass ich nicht die enge Verbindung beschworen habe zwischen unseren Ausgewanderten und den hiergebliebenen Landsleute. Doch das ist nicht richtig.

Die Kraft der Erinnerung lebt in jedem Siebenbürger Sachsen weiter

Ich muss gestehen, dass ich „Hiergebliebener“ mit der Trennung „Hiergebliebene“ und „Ausgewanderte“ nie viel anfangen konnte. Ein Hermannstädter, der nach München oder Stuttgart umzog, hat sein Hermannstädter-Sein, seine Erinnerungen und sein ganzes seelisches „Gepäck“ mit Sicherheit nicht an der Grenze abgegeben. Ein Hermannstädter wird auch in Blankenese oder Neukölln noch ein Unterstädter bleiben, auf der Konradwiese geboren sein oder sich daran erinnern, dass er seine erste Liebe auf den Brettern gefunden hat. Diesem werden auch mit neunzig noch die Namen Schreyermühle, 90er Kaserne und Entengasse die Augen aufblitzen lassen. Diese werden in ihren Träumen auch nach dreißig, vierzig Jahren noch am „Platz“ einkaufen gehen.

"Wir sind alle wichtig, wenn es um die Zukunft unserer Jugend geht"

Deswegen wendete sich diese Rede an uns alle, an uns Siebenbürger, an uns Hermannstädter, an alle Oberstädter, Unterstädter, Bewohner der Konradwiese, der Hallerwiese oder des Hippodrom, egal wo sie ihren Wohnort zurzeit haben. Wir sind alle gefragt, wenn unser materielles und vor allen Dingen immaterielles Kulturgut erhalten werden soll. Wir sind alle verantwortlich dafür, dass in der Brukenthalschule auch noch die nächsten 600 Jahre deutsch unterrichtet wird. Wir sind alle in der Pflicht, wenn es um den Erhalt unserer Trachten und unserer Bräuche geht. Wir sind alle wichtig, wenn es um die Zukunft unserer Jugend geht. Sprecht sächsich (oder landlerisch) mit euren Kindern! Bringt ihnen die deutschen Gassennamen bei. Erzählt ihnen von euren Erinnerungen aus Siebenbürgen und Hermannstadt und erklärt ihnen, dass es schade wäre, wenn ihre Erinnerungen diese wunderschöne Stadt nicht mit einschließen würden. Kommt her. Wohnt hier. Baut ein Haus. Pflanzt einen Baum. Erzählt euren Freunden von Hermannstadt und Siebenbürgen. Bringt euch ein, in allen Bereich, denn in allen Bereichen seid ihr wichtig und nötig. Denkt immer dran: Wir alle sind das Forum, wir alle sind die Zukunft unserer gemeinsamen Heimat Siebenbürgen.

Und diese Zukunft beginnt jetzt. Aber nur dann, wenn wir uns die Ärmel hochkrempeln und das tun, was wir am besten können: Aufbauen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

Schlagwörter: Huetplatz, Treffen, Hermannstadt, Forum

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