20. Juli 2018

Huetplatztreffen mit nachfolgender Rundreise

Seit geraumer Zeit treffen sich jene, die sich gestandene, mit Heimatgefühl und Hang zur Geselligkeit ausgestattete Hermannstädter nennen, im Jahresturnus jeweils im herbstlichen Dinkelsbühl und zur Weinlesezeit in Hermannstadts Mauern. Seit ein paar Jahren nun wurde, da viele die Freitag- bis Sonntagstreffen in Hermannstadt als zu kurz ansahen, anschließend an das Huetplatztreffen eine einwöchige Reise durch abwechselnde Gegenden Rumäniens veranlasst. Seit ihrer Übernahme des Vorsitzes der HOG Hermannstadt forcierte Dagmar Dusil/Zink mit organisatorischem Geschick und phantasievoller Zusammenstellung diese Fahrten, die, von der idyllischen Donauschifffahrt bis in die Goldgegend von Roșia Montană, von der Banater Heide bis in die zauberhafte Maramurescher Gegend reichend, zum Gaudium und zur vollen Zufriedenheit der Teilnehmer stattfanden.
Das dreitägige Huetplatztreffen heuer hatte ein umfassendes und sehr gelungenes Programm, wobei einige Darbietungen besonders hervorstachen. So regte das im Radu-Stanca-Theater aufgeführte, sich ins Groteske steigernde Stück „Die Firma dankt“ positiv zum Reflektieren an; beeindruckte die Rede des Geschäftsführers des Landesforums, Benjamin Józsa, durch dessen klarlinige Aktivitätsvorstellungen zur Wahrung des Fortbestandes des Forums; verleitete die durch dessen Gestik, Mimik und Eloquenz gleichermaßen begeisternde Buchpräsentation von Regisseur und Autor Alexander Hausvater, der in sein autobiographisches Buch einführte, das Publikum zu Beifallsstürmen.

Die drei Tage klangen, wie schon vor zwei Jahren, mit einem ausgelassen-üppigen Gelage im feudalen Landsitz in Săliște bei Speis, Trank und Gesang harmonisch aus.

Dagmar Dusil/Zink hatte diesmal für die paar aus Deutschland mitkommenden Nichtsiebenbürger eine spezielle Dreiteilung der anschließenden Reise parat: Sie wollte ihnen (und uns auch) die reizvollen Unterschiede von Sprache, Brauchtum und Mentalität der drei hauptsächlich hier siedelnden Volksgruppen der Rumänen, der Ungarn (Szekler in diesem Fall) und der Siebenbürger Sachsen vorführen; Vertreter der zahlenmäßig starken Gruppe der Roma waren überall anzutreffen – ihre grellbunte Bekleidung und die oft wahrzunehmenden Prunkhäuser mit zahllosen silberglänzenden Spitztürmchen fielen immer wieder auf.

So ging es zunächst durch das Alttal in Richtung Süden, durch den Roten-Turm-Pass bis zum berühmten Kloster Cozia. Von Mircea dem Alten gegründet, beeindruckt die klösterliche Dreifaltigkeitskirche mit ihren in prachtvollen Farben sich darbietenden Mosaiken im Pronaos und Naos. Eine gewaltige Menschenmenge durchströmte die ganze Klosteranlage – es war Pfingstmontag, Andachten waren angesagt.

Weiter ging es nach Râmnicu Vâlcea, der sich mausernden Bezirksstadt, die mit einem stattlichen Rathaus, Kirchen mehrerer Konfessionen (auch eine evangelische darunter für die im beginnenden 20. Jahrhundert zugezogenen sächsischen Handwerker), einem pompösen Bischofssitz, einem idyllischen Erholungspark, Zăvoi genannt, und dem Geburtshaus von Anton Pann aufwartete. Unsere Reiseteilnehmerin Gudrun Datky gab als hier Geborene eine kundige Stadtführerin ab. Der Weg führte weiter in die Weingegend rund um Drăgășani, wo der deutsche Weinexperte Oliver Bauer, Leiter des Weingutes der fürstlichen Știrbey-Familie, von seiner Mannschaft sekundiert, uns mit fachkundigen Erklärungen und einem reichhaltigen Imbiss samt Weinverkostung erwartete. Von den nachmittäglich sonnendurchfluteten Weinbergen ging es anschließend in die Industriestadt Pitești, in der wir nächtigten.

Am nächsten Tag ging es weiter in die ehemalige Fürsten- und jetzt immer noch Bischofstadt Curtea de Argeș mit ihrer berühmten, in byzantinischem, mit orientalischen Arabesken und Zierbändern angereichertem Stil errichteten Klosterkirche, die die Gräber der Basarab-Gründerfamilie sowie auch der Hohenzollern‘schen Königsfamilie beherbergt. Die Grüfte des kürzlich verstorbenen König Mihais und seiner Gattin sind in der neu erbauten Kirche daneben untergebracht. Der in der Nähe aufzufindende Brunnen des Meisters Manole, des Erbauers der Klosterkirche, erinnert an die traurige Legende, wonach der Baumeister seine Gattin der Fertigstellung des christlichen Baues opferte.

Durch dichte Wälder und über die Bergeshöhen des atemberaubenden Rucăr-Bran-Passes ging es in Richtung Törzburg weiter, wo den Magenhungrigen unter uns ein spätes Mittagessen, den Wissenshungrigen aber die Besichtigung der Törzburg angeboten wurde. Die Weiterfahrt brachte uns nach Kronstadt, wo noch ein kurzer Bummel bei frühabendlichem Sonnenschein durch die Altstadt und natürlich ein Eintauchen in die steinern-gotische Wunderwelt der wuchtigen Schwarzen Kirche angesagt war.
Ihren Höhepunkt erreichte die Reise in Frieder ...
Ihren Höhepunkt erreichte die Reise in Frieder Schullers Pfarrgarten in Katzendorf. Der bekannte Dichter, Stückeschreiber und Filmer ist rechts im Bild zu sehen. Foto: Kurt Thomas Ziegler
Am nächsten Morgen erwartete uns zunächst die neben jener Tartlaus wohl repräsentativste Kirchenburg des Burzenlandes, nämlich Honigberg. Die dreischiffige Basilika, die verschlungenen Verteidigungsgänge und die Vorratskammern, die sechs erhaltenen Türme und die in Kriegszeiten als Refugium dienenden Wohnräume bilden zusammen ein erstaunliches Ensemble, das von einem Deutsch sprechenden, aus dem Ausland zurückgekehrten rumänischen Burgwart samt Gattin exemplarisch verwaltet wird. Anschließend besuchten wir im Dorf eine von Schweizer Kennern ihres Faches geleitete Orgelwerkstatt. Die in den letzten Jahren durch Renovierung vor dem endgültigen Verfall gerettete Repser Burg, heute eine touristische Attraktion, empfing uns auf windiger Höhe, doch bald erwartete uns ein kleines Schockerlebnis: Die Kirchenburg von Draas, einst östlichste Begrenzung des Königsbodens, empfing uns mit einem herrlichen romanischen Portal, einem frisch gedeckten Dach, zwei freigelegten, mehrhundertjährigen Fresken, im Inneren mit sanierten Kirchenfenstern – und sonst mit nichts: kein Altar, keine Bankreihen, keine Orgelempore, nichts als ein leerer Kirchenraum. Gelder sind geflossen, um diese Teilrenovierung durchzuführen, doch dann wurde mit dem Argument „Wozu?“ (so eine dazugekommene alte Bäuerin) alles abgeblasen. Kaum Sachsen mehr da, keine HOG-Unterstützung, keine EU-Gelder mehr vorhanden und viel zu entlegen, um vom Staate als eventuell kulturellem Veranstaltungsort hergerichtet zu werden – also dem langsamen Verfall preisgegeben. Bedrückt verließen wir das verwaiste Kircheninnere durch das imposante Portal. Doch was nun folgte, sollte stimmungsaufhellend das Gegenteil zu dieser in Draas angetroffenen Tristesse sein. In Katzendorf empfing uns mit behäbig-breitem Lächeln das Multitalent Frieder Schuller, Dichter, Filmemacher, Stückeschreiber und phantasievoller Organisator kultureller, vorab literarischer Ereignisse in seinem prachtvollen Pfarrgarten. Seit Jahren seine Bleibe in Berlin mit jener in Katzendorf teilend, hatte Schuller das Pfarrhaus, in dem einst sein Vater residierte, samt Garten, Scheune und Nebengebäuden gepachtet, prächtig wieder instand gesetzt und eine von Dorfgerüchen, Literatur und Musik geschwängerte Atmosphäre geschaffen, die einen staunen lässt. Mit Käsehäppchen und Schnaps wurden wir zunächst empfangen, um dann in die offene, umgebaute Scheune zu einem üppigen Mittagsmahl gebeten zu werden. Kulinarisch mehr als zufriedengestellt, suchte sich jeder im weitläufigen Garten einen Liegestuhl oder in den Nebengebäuden, alle mit Schlafplätzen ausgestattet, eine Ruhestätte zwecks Siesta. Nach dem Erwachen überraschte uns Frieder Schuller bei Kaffee und Kuchen mit einem Schubertprogramm. Als gewiefter Kenner von Leben und Werk des jung verstorbenen Meisters aus dem Wiener Vorort brachte er eigene Verse zu Schubert zu Gehör, unterlegt mit einem musikalischen Blumenstrauß herrlichster Schubertkreationen – ein Akt zauberhafter Wort-Ton-Symbiose, dem wir uns, auch dank der genossenen Gläschen Wein, selig hingaben. Es war (so später das fast einstimmige Urteil der Gruppe) der absolute Höhepunkt unserer Reise.

Nach einer weiteren Übernachtung in Kronstadt fuhren wir am nächsten Tag zum Abschluss unseres Burzenlandaufenthaltes in die stattliche Gemeinde Heldsdorf, um dort den beeindruckenden vorreformatorischen Doppelflügelaltar zu bewundern. Dann ging es in den ungarisch-szeklerischen Abschnitt unserer Reise, zunächst aufs Gut des ungarischen Grafen und Prinz-Charles-Freundes Kálnoky, in dessen kühlem Gästehauskeller uns ein leckeres Mittagessen erwartete. Leider konnte das gräfliche Schloss nicht besucht werden und so fuhren wir weiter nach Oderhellen, unserem Nächtigungsort. Das saubere, ungarisch geprägte Städtchen lässt bei einem abendlichen Spaziergang ein stattliches Rathaus und auffallend viele Kirchen verschiedener Konfessionen erkennen. Die unter Fürst Johann Sigismund erbaute Burg gibt es nicht mehr, dafür mehrere sehr gepflegt aussehende Gymnasien und Kollegien.

Am nächsten Tag wurde uns in einer kleinen Werkstatt im Dorf Korond zunächst die umständliche Herstellung von Taschen, Amuletten, Behältnissen verschiedener Art aus Baum- oder Zunderschwamm vorgeführt, bevor wir eine Töpferwerkstatt aufsuchten, deren es viele in Korond gibt, wo die berühmten, meist in rot-grünen Farben gehaltenen Keramiken seit Generationen hergestellt werden. In Praid besuchten wir das zum lärmenden Riesenplatz für Volksbelustigungen und Kinderspiel umgebaute Salzbergwerk, in Sovata schlenderten wir zum Bärensee und nach der Ankunft in Schäßburg – die Kokelstadt beherbergte uns zwei Nächte lang – gab es zunächst oben auf der Burg einen Rundgang entlang der turmbewehrten Mauern und zum Burgplatz, wo ein Kindermusical, bunte Luftballons, Erfrischungsstände und eine begeisterte Kinderschar uns klarmachten, dass eben der 1. Juni, der Tag des Kindes, festlich begangen wurde. Vor dem Abendessen gab es einen Abstecher zum Wohnsitz der Patchwork-Künstlerin Lilian Theil. Die lockere, sympathisch-nonkonformistische Dame zeigte uns, was für originelle Teppiche und Wandbehänge aus ihr von vielen zugetragenen Fetzen und Flicken sie zu zaubern imstande war und weiterhin ist.

Der vorletzte Reisetag führte uns zunächst nach Keisd, wo nach einem kurzen Blick in die zufällig geöffnete Kirche uns in einem in ausländischem Besitz befindlichen Privatbetrieb die Marmeladenherstellung „nach Großmutters Art“ vorgeführt wurde. Danach fuhren wir ins Harbachtal, an Henndorf mit seinen berühmten Truhen und an Neithausen mit seinem frisch renovierten Gotteshaus vorbei nach Agnetheln, wo wir auch einen Blick in das Kircheninnere der stattlichen, aber doch sehr renovierungsbedürftigen Kirchenburg werfen konnten. An Großschenk und Mergeln vorbei gelangten wir zur Mittagszeit nach Schönberg, wo wir auf einer kleinen Anhöhe mit Blick auf Dorf und Kirchenburg in der Pension „Elisabeta“, auch „Centrul țării“ genannt, ein reichhaltiges Mahl serviert bekamen. Deutsch-Weißkirch, die herrliche Kirchenburganlage, konnten wir nicht auslassen. Die Schwester der berühmten Caroline Fernolend (Leiterin des Eminescu-Trustes und Intima des Prinzen Charles) sagte uns einiges zur Geschichte der von zwei Ringmauern umgebenen, von Türmen und Basteien beschützten, mächtig wirkenden Wehrkirche und führte uns die noch funktionierende Orgel vor.

Am letzten Tag brachen wir bei strahlendem Wetter aus Schäßburg auf in Richtung Mediasch, das uns mit frisch getünchten Wehrtürmen und restauriertem Hauptplatz und mit dem harmonisch zusammenhängenden Ganzen von Stefan-Ludwig-Roth-Schule und Stadtpfarrkirche empfing. Zu dem eben beginnenden Gottesdienst gesellten wir uns dazu und fuhren dann, seelisch gestärkt und Sonntagsfrieden im Herzen, nach Wurmloch als letzter Station. Mit ihren gewaltigen Ausmaßen, mit den zwei mehrgeschossigen, durch ein hohes Langhaus verbundenen Türmen stellte sich die Wehrkirche wirklich imposant dar.

Nach Hermannstadt zurückgekehrt, dankten wir im Chor nicht nur unserem Fahrer und unserer gut vorbereiteten, sympathischen und vor allem geduldigen Reiseleiterin Viktoria, sondern auch unserer energischen Dagmar Zink für all das Gesehene und Erlebte und ließen verlauten, dass wir jetzt schon gespannt der sehr wünschenswerten nächsten Reise in zwei Jahren entgegensehen.

Kurt Thomas Ziegler

Schlagwörter: Huetplatz, Treffen, Reise, Siebenbürgen

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