24. Januar 2022

Menschen zu betreuen, bleibt Hauptaufgabe der Kirche: Neujahrsempfang erstmals in der Stadtpfarrkirche in Hermannstadt

"Für uns wird laut der Jahreslosung – ,Jesus Christus spricht: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.‘ – das Jahr 2022 ein Jahr mit Christus sein, dem Herrn der Jahre, dem Herrn des Lebens. Nichts kann seine offenen Arme verschließen." Mit diesen Worten eröffnete Bischof Reinhart Guib seine Andacht beim traditionellen Neujahrsempfang, der erstmals in der frisch renovierten evangelischen Stadtpfarrkirche und nicht wie bisher im Bischofspalais der Evangelischen Kirche A. B. in Rumänien (EKR) stattgefunden hat.
Neujahrsempfang in der evangelischen ...
Neujahrsempfang in der evangelischen Stadtpfarrkirche in Hermannstadt, von links: Bischof Reinhart Guib (am Lesepult), Hauptanwalt Friedrich Gunesch, Henriette Guib und ganz rechts stehend Musikwart Jürg Leutert. Foto: Beatrice Ungar
Musikalisch untermalten die Hermannstädter Stadtkantorin Brita Falch-Leutert an einer Hausorgel und Musikwart Jürg Leutert an der Stolzenburger Orgel vierhändig die Veranstaltung am 12. Januar. Nach der Andacht sangen alle unter Leitung von Jürg Leutert einen von ihm zur Jahreslosung komponierten Kanon. Danach folgten die Wortmeldungen, in gewohnter kurzweiliger Art moderiert von Hauptanwalt Friedrich Gunesch.

Das erste Grußwort richtete Landeskirchenkurator Friedrich Philippi an die Anwesenden und benannte dabei wie gewöhnlich die Probleme in der EKR: "Wenn wir heute auf das vergangene Jahr 2021 zurückblicken, dürfen wir dafür dankbar sein, dass unsere Kirche es geschafft hat, vieles von dem, was von ihr erwartet wird, auch unter den veränderten Bedingungen der Pandemie beizubehalten. Ich denke dabei an die Aufrechterhaltung eines, wenn auch eingeschränkten, gottesdienstlichen Lebens mit Gottesdiensten im Freien, mit Online-Gottesdiensten unterschiedlichen Formats oder der Verteilung der sonntäglichen Predigten an die verstreuten Gemeindemitglieder. Das war für alle Beteiligten eine Umstellung und große Herausforderung. Aber als Notlösung sicher richtig und wichtig. Und hat auch zum Nachdenken über diese Art der Verkündigung geführt. Die geistliche Betreuung unserer Gemeindeglieder ist auch angesichts der weiter fortschreitenden Diasporasituation und des sich andeutenden und zum Teil schon spürbaren Pfarrermangels immer schwerer zu bewältigen. Die Freistellung von Pfarrern ins Ausland oder in administrative Funktionen ist dabei leider nicht zweckdienlich. Ich versuche mich dabei in die Lage der über 800 Gemeindemitglieder unserer Kirche zu versetzen, die stark verstreut in den über 90 Gemeinden leben, in denen es zum Teil schon seit Jahren keine regelmäßigen Gottesdienste mehr gibt. Sie nicht zu vergessen, wird auch in den nächsten Jahren eine Hauptaufgabe unserer Kirche bleiben!"

Dabei, so Philippi, sei der EKR im vergangenen Jahr die gute Zusammenarbeit mit dem Siebenbürgenforum zugute gekommen, "durch welche das gemeinsame Diakonieprojekt erfolgreich gestartet werden konnte, das sich durch einen Besuchsdienst gerade an unsere vereinsamten Mitglieder wendet und mit den Erfahrungen im Bezirk Hermannstadt hoffentlich auch auf die anderen Bezirke ausgeweitet werden kann".

Hermannstadts Bürgermeisterin Astrid Fodor sagte, sie vermisse wohl die warme Atmosphäre im Bischofshaus, freue sich aber auch über die renovierte Stadtpfarrkirche und gehe ,,optimistisch und energisch das Jahr 2022 an“. Verraten hat Bürgermeisterin Fodor übrigens, dass das Stadion am Erlenpark im Sommer diesen Jahres eröffnet und seiner Bestimmung übergeben werden wird.

Als Vertreter des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien wünschte dessen Landesvorsitzender Dr. Paul-Jürgen Porr allen "nur die Gesundheit und Frieden. Unseren Politikern wünsche ich mehr Gemeinschaftssinn, dass sie die Wählerinnen und Wähler vertreten, die sie gewählt haben. Und unserer siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft mehr Zusammenhalt. Wir haben ein reiches Kulturerbe und es ist ein Armutszeugnis, dass die Kronstädter Honterusgemeinde die Stelle ihres Archivars gestrichen hat."

Seitens des Konsulats der Bundesrepublik Deutschland in Hermannstadt stellte Vizekonsulin Daniela Siefken fest, dass die Jahreslosung "schwer umzusetzen sei" in einer Zeit, in der Abstand geboten sei. Desgleichen wies sie darauf hin, dass die politische Unsicherheit weltweit diplomatisches Geschick erfordere und es wünschenswert sei, die christlichen Werte auch in schwierigen Zeiten zu erhalten.

Daniel Plier, der Honorarkonsul des Großherzogtums Luxemburg in Hermannstadt, wies seinerseits darauf hin, dass man in den letzten zwei Jahren zwar auf vieles habe verzichten müssen, aber auch gelernt habe, andere und neue Dinge (mehr) zu schätzen.

Grüße von dem DFDR-Abgeordneten Ovidiu Ganț und der Leiterin des Departements für interethnische Beziehungen im Generalsekretariat der rumänischen Regierung, Lacika Enikö, überbrachte Unterstaatssekretär Thomas Șindilariu. Das Departement für interethnische Beziehungen sei nicht nur ein Bindeglied zwischen Regierung und nationalen Minderheiten, sondern fördere auch die Beziehungen zwischen den verschiedenen Ethnien, wobei im Mittelpunkt der Bemühungen das Kulturerbe und die Stärkung der jeweiligen sprachlichen Identität der nationalen Mindergeiten stehen, unterstrich der Redner. Șindilariu forderte in diesem Zusammenhang alle auf, möglichst bald Förderanträge an diese Dienststelle zu richten. Als besonders wichtig stellte Șindilariu die Volkszählung dar, die in diesem Jahr über die Bühne gehen soll. Er wünsche sich dafür eine "Bewusstseinsschärfung", um alle Angehörigen der deutschen Minderheit in Rumänien zu informieren, so dass möglichst viele an der Online-Selbstzählung teilnehmen können, "damit wir nicht in der statistischen Bedeutungslosigkeit versinken". Zuletzt wünschte Șindilariu sich, "das Jahr 2022 möge ein Jahr des strukturierten Aufbaus sein".

Seitens des Studiengangs für Protestantische Theologie an der Lucian Blaga-Universität Hermannstadt richtete dessen Koordinator Prof. Dr. Stefan Tobler ein wie immer launiges Grußwort an die Anwesenden, in dem er meinte, durch die Veranstaltung des bischöflichen Neujahrsempfangs in der evangelischen Stadtpfarrkirche und nicht in den Räumen des Bischofshauses, seien "wir in die Weite gestellt, aufgefordert, einen weiten Blick zu bewahren und nicht eng zu denken".

Die EKR hat das Jahr 2022 zum "Jahr des Religionsunterrichts" erklärt. In diesem Sinn wendeten sich die beiden EKR-Beauftragten Britta Wünsch und Gunda Wittich an die Anwesenden und sprachen ihre Hoffnung aus, dass die Religion-Unterrichtenden entsprechend gewürdigt werden. Die Beauftragte der EKR für Fortbildung und Ökumene, Elfriede Dörr, schlug in die gleiche Kerbe und sagte, sie wünsche sich eine Vereinfachung der Strukturen und Klarheit in den Abläufen.

Zuletzt ergriff Bischofsvikar Dr. Daniel Zikeli das Wort und wies wie auch der erste Redner auf den unzureichenden pastoralen Nachwuchs hin. Desgleichen sagte er, die Jahreslosung sei "das absolute Kapital der christlichen Kirche".

Beatrice Ungar



(Nachdruck aus der Hermannstädter Zeitung)

Schlagwörter: Neujahrsempfang, EKR, Hermannstadt, Hermannstädter Zeitung, Reinhart Guib

Bewerten:

21 Bewertungen: o

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.