9. März 2024

Rumänien als starke Ostflanke der EU: Rede von Klaus Johannis im Europäischen Parlament in Straßburg

Eine aufrüttelnde Rede hielt vor dem Februar-I-Plenum des Europäischen Parlamentes in Straßburg der Staatspräsident Rumäniens Klaus Johannis, Träger der höchsten Paneuropa-Auszeichnung, des Coudenhove-Kalergi-Preises.
Der Siebenbürger Sachse, der schon als junger Bürgermeister von Hermannstadt/Sibiu enge Beziehungen zur Paneuropa-Union sowohl in Deutschland als auch in Rumänien pflegte, bezeichnete die aktuelle „Wertekrise“ als die noch vor den politischen und wirtschaftlichen Krisen bedeutendste Herausforderung für die EU: „Wir stehen in der Tat vor einem Werteverfall innerhalb unserer Gemeinschaft, der die Wahrnehmung eines Niedergangs Europas oder zumindest seiner globalen Rolle verstärkt.“ Ausdruck dessen sei der Verlust „des öffentlichen Vertrauens in unsere Institutionen“. Die letzten Jahre hätten gezeigt, „dass unser gemeinsames Handeln als Einheit, als echte Union, von entscheidender Bedeutung ist […]. Die Stärkung unserer inneren Widerstandsfähigkeit ist eine Grundvoraussetzung für eine stärkere EU und für ihre größere geopolitische Rolle.“ Es gelte „die besten Strategien zu finden, um auf hybride Bedrohungen zu reagieren und die Funktionalität unserer demokratischen Systeme zu erhöhen.“

Das Staatsoberhaupt jenes EU-Mitgliedslandes, das die längste Grenze mit der Ukraine hat, hob hervor, dass „unsere Union vor beispiellosen geostrategischen Aufgaben steht. Unsere Zukunft und die Zukunft der nächsten Generationen hängen von jeder einzelnen Entscheidung ab, die wir jetzt treffen.“ Durch die Aggression Russlands gegen die Ukraine, den Konflikt im Nahen Osten, die Lage im Roten Meer und die Entwicklungen in der Sahelzone hätten „Instabilität und Unsicherheit alarmierende Ausmaße erreicht“. Der Präsident rief dazu auf, die Unterstützung für die Ukraine, die Republik Moldau und den westlichen Balkan nicht nur aufrecht zu erhalten, sondern zu intensivieren: „Es darf keine Solidaritätsmüdigkeit geben.“ Dazu gehöre auch eine stärkere Konvergenz im Bereich der europäischen Sicherheit: „Es ist in der Tat höchste Zeit, unsere europäischen Ambitionen in Bezug auf unsere Verteidigungsindustrie zu verwirklichen.“
Rumäniens Staatspräsident Klaus Johannis hielt am ...
Rumäniens Staatspräsident Klaus Johannis hielt am 7. Februar eine aufrüttelnde Rede vor dem Plenum des Europäischen Parlamentes in Straßburg. Foto: Rumänisches Präsidialamt (www.presidency.ro)
Nicht zuletzt mit Blick auf die heimische Öffentlichkeit nannte Johannis „mein Land eines der besten Beispiele für die transformative Kraft der EU. Die Mitgliedschaft hat uns unbestreitbare und ganz konkrete Vorteile gebracht. Die europäischen Mittel, die Rumänien seit dem Beitritt zugeführt wurden, haben es uns ermöglicht, wichtige Infrastrukturprojekte zu verwirklichen. Mehr als 600 000 junge Rumänen nahmen am Erasmus-Programm teil und lernten so die europäische Lebensart kennen.“ Johannis sprach aber auch kritisch die Tatsache an, dass Rumänien aufgrund einer Blockade durch Österreich bislang nur einen Teil der Schengen-Errungenschaften erhalten hat: „Der Aufhebung der Luft- und Seegrenzkontrollen im März muss natürlich bald die Aufhebung der Landgrenzkontrollen folgen.“

Der rumäniendeutsche Politiker, der für die Jahre nach seiner Amtszeit als Staatspräsident für zahlreiche internationale Funktionen in Frage kommt, schloss mit einem Zitat des jüngst verstorbenen Jacques Delors: „Das europäische Modell ist in Gefahr, wenn wir das Prinzip der persönlichen Verantwortung auslöschen.“ Parlamentspräsidentin Roberta Metsola aus Malta hatte schon in ihrer Begrüßung lobende Worte für die Heimat von Klaus Johannis gefunden. Sie dankte dem rumänischen Volk „besonders für die unerschütterliche Unterstützung der Ukraine und der Republik Moldau“.

Der Beitritt Rumäniens in die EU habe deren Ostflanke maßgeblich gefestigt; „und wir werden noch stärker sein, wenn Sie endlich ihren rechtmäßigen Platz im Schengen-Raum einnehmen und in Zukunft auch der Eurozone beitreten. Auf dieser Reise werden Sie unser Haus an Ihrer Seite finden.“ Rumänien habe, so Metsola, „einen besonderen Platz in meinem Herzen. Es ist ein Land, das angenommen hat, was es bedeutet, Europäer zu sein. Auf dem Höhepunkt der Pandemie flogen rumänische Ärzte in Krankenhäuser in anderen Mitgliedstaaten, um zu helfen. Als wir mit verheerenden Naturkatastrophen konfrontiert wurden, verließen rumänische Feuerwehrleute ihr Land, um sich den Flammen entgegenzustellen. In den ersten Tagen der brutalen russischen Invasion in der Ukraine stürmten rumänische Familien zur Grenze, um die Flüchtenden zu trösten.“

In der anschließenden Debatte erinnerte der EVP-Fraktionsvorsitzende Manfred Weber daran, dass Johannis schon bei seinem ersten Amtsantritt 2014 darauf hingewiesen habe, dass Verteidigungspolitik eine der Prioritäten für die Europäische Union sein müsse. 2017 sei es dem Staatsoberhaupt gelungen, das heimische Parlament dazu zu bewegen, „die Verteidigungsausgaben zu erhöhen, um der NATO-Verpflichtung von zwei Prozent nachzukommen, und im Jahr 2023 folgte die Aufstockung der Mittel auf 2,5 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes.“

Wie Weber signalisierten auch Juan Fernando Lopez Aguilar von den Sozialdemokraten, Valerie Hayer von den Liberalen und Nicolae Ștefănuţă von den Grünen Johannis massive Rückendeckung sowohl für seine Außen- und Sicherheitspolitik als auch für den vollen Schengen-Beitritt seines Landes.

Bernd Posselt

Schlagwörter: Klaus Johannis, Staatspräsident, EU, Parlament, Rede

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