7. Mai 2008

Familienreise in die alte Heimat

Vier Tartlauer Familien haben sich zusammengetan und in den letzten Pfingstferien eine gemeinsame Reise in die alte Heimat unternommen. Auf dem Programm stand nicht nur Altbekanntes, nicht nur der Heimatort und die siebenbürgisch-sächsischen Städte, sondern auch noch nicht Entdecktes, viele der Kirchenburgen und der rumänischen Klöster – eine Reise quer durch die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes in Rumänien.
Wenn sich Tartlauer in Deutschland treffen, kommt früher oder später immer die Frage auf, wann zum letzten Mal Rumänien besucht worden oder für wann die nächste Reise geplant sei. So kam die Idee auf, einmal gemeinsam nach Tartlau zu fahren und die bekannten Orte aufzusuchen. Die Familien Batschi (Heidrun und Kurt), Bruss (Heidi, Dennis und Werner), Kirres (Wilhelmine und Volkmar) und Tontsch (Diethild und Georg) taten sich zusammen und machten sich in den Pfingstferien auf die Reise in die alte Heimat.
Schloss Hunedoara. Fotos: der Verfasser ...
Schloss Hunedoara. Fotos: der Verfasser
Die Grenze zu Rumänien war im Vergleich zu früher unglaublich einfach zu passieren – im Handumdrehen war man „drüben“. Auf der Fahrt nach Hermannstadt machten wir einen Abstecher zum Schloss Hunedoara, das ohne Frage zu den Sehenswürdigkeiten Transsilvaniens gehört. Leider erlebten wir auch hier ein schockierendes Kontrastprogramm: Hunedoara ist eine Stadt in erbärmlichen Zustand, vor den Toren der Stadt sind soweit das Auge reicht Industrieruinen zu sehen.

Eine andere Sehenswürdigkeit auf unserem Weg war die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörende Kirchenburg Kelling. Der rumänische Verwalter der Kirchenburg erzählte uns, dass noch ein alter Sachse in der Gemeinde lebe. Er beklagte sich, dass die umliegenden Weinberge inzwischen allesamt heruntergewirtschaftet seien und brach lägen. Das Wissen um die Pflege der Weinberge sei mit dem Weggang der Sachsen verlorengegangen. Noch vor Einbruch der Dunkelheit trafen wir in der schmucken Villa Mary-Luisa in Salzburg ein. Alle waren erleichtert, den ereignisreichen, aber auch anstrengenden ersten Tag gut überstanden zu haben.
Kirchenburg Heltau ...
Kirchenburg Heltau
Der nächste Höhepunkt der Reise war die die letztjährige Kulturhauptstadt Europas Hermannstadt. Leider fanden während unseres Aufenthaltes dort keine nennenswerten kulturellen Veranstaltungen statt, an denen wir hätten teilnehmen können. So machten wir uns einfach selbst ein Bild von Hermannstadt und Umgebung. Die Altstadt bot ein harmonisches Bild mit der Kirche und den Türmen, den schön renovierten, alten Gebäuden auf dem Großen und Kleinen Ring und in der Heltauer Straße, der Fußgängerzone. Auch das Brukenthal-Museum hat uns beeindruckt. In ziemlichem Kontrast dazu, standen die Straßen, die aus der Altstadt herausführen und von hässlichen, renovierungsbedürftigen Häuserfassaden gesäumt sind. Auf diesen Straßen gab es auffallend viele alte Frauen, die ein auf Almosen angewiesenes Leben führen.

Die weitere Fahrt ging durch die harmonische Hügellandschaft des Kokellandes. Die Regenschauer unterwegs verdarben uns nicht die gute Laune und wir freuten uns auf das nächste UNESCO-Weltkulturerbe: Das Stadtzentrum von Schäßburg. Der weithin sichtbare und dominierende „Stundturm“ wurde unser Treffpunkt. Wir pilgerten an dem „Haus mit Hirschgeweih“ entlang, dann die Treppen hoch zum Haltrich-Lyzeum und der Bergkirche. Entlang der Wehrmauern ging es zurück zum Hauptplatz. Trotz vieler Baustellen im Zentrum Schäßburgs hat die Stadt mit dem mittelalterlichen Flair einen angenehmen Eindruck auf uns hinterlassen.
In der evangelischen Kirche in Tartlau ...
In der evangelischen Kirche in Tartlau
Am späten Nachmittag des gleichen Tages kamen wir in Rosenau an. Das Saxonia-Hotel, das wir noch in Deutschland gebucht hatten, erwies sich als ein sehr gepflegtes Haus, mit freundlichem Personal und gutem Frühstück. An diesem Tag hätte uns nichts und niemand davon abbringen können, weiter nach Tartlau zu fahren. Die Kirchenburg war natürlich unser erstes Ziel. Obwohl bereits auf unzähligen Fotos festgehalten, drückte jeder immer wieder auf den Auslöser, damit uns kein noch so kleines Detail entginge.

Dass der Zustand der Kirchenburg vollkommen in Ordnung ist, ist sicherlich zum einen der Tatsache zu verdanken, dass die Tartlauer Kirchenburg zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, zum anderen der Patenschaft der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung, die immer wieder Mittel für die Renovierung zur Verfügung stellte.

Nach dem Besuch der Kirchenburg war „der Platz“, das Zentrum von Tartlau, unser nächstes Ziel. Das Zentrum machte auf uns wegen der ungepflegten Fassaden und Straßenränder einen schlechten Eindruck. Der einzige Lichtblick – der renovierte Hochzeitssaal – ist einfach zu wenig für eine stattliche Gemeinde wie Tartlau. Die Einkaufsmöglichkeiten muten inzwischen deutlich bescheidener an, als vor unserer Aussiedlung nach Deutschland.
Vor dem Honterus-Lyzeum in Kronstadt. ...
Vor dem Honterus-Lyzeum in Kronstadt.
Den nächsten Tag widmeten wir voll und ganz Kronstadt. Unsere Erwartungen wurden dabei nicht enttäuscht. Kronstadt ist auf dem besten Wege, den Wandel zu einer modernen europäischen Stadt zu schaffen. Wir schlenderten über die Purzengasse zum Marktplatz, zur Schwarzen Kirche und dem Honterus-Lyzeum. Natürlich ließen wir „Honterianer“ es uns nicht nehmen, ein Gruppenfoto von uns vor dem Lyzeum machen zu lassen.

Am Sonntag besuchten wir den Gottesdienst in der Schwarzen Kirche von Kronstadt. Stadtpfarrer Christian Plajer hielt die Predigt, an der Orgel spielte, virtuos wie immer, Eckardt Schlandt. Für einige von uns war es der erste Gottesdienst in dieser größten gotischen Hallenkirche östlich von Wien. Aber nicht nur deswegen war er sehr ergreifend: Die Art und Weise, wie in Siebenbürgen ein Gottesdienst gefeiert wird, ist für uns einmalig und bedeutet ein Stück verlorengegangener Heimat.
Auf der Welterbeliste der UNESCO: die Kirchenburg ...
Auf der Welterbeliste der UNESCO: die Kirchenburg Keisd.
Nach acht gemeinsamen Tagen gingen wir nun familienweise getrennte Wege. Familie Kirres machte sich daran, die Liste der UNESCO-Weltkulturerbestätten in Rumänien abzuarbeiten. Wegen schlechter Wegverhältnisse verzichteten wir auf den Besuch Deutsch-Weißkirchs. In Keisd hatten wir wiederum Pech, da die Kirchenburg zu dem Zeitpunkt renoviert wurde und somit nicht besichtigt werden konnte. Das Dach der imposanten Kirche war stark beschädigt und tatsächlich in einem renovierungsbedürftigen Zustand. Also begnügten wir uns mit ein paar Fotos und nahmen als positive Tatsache mit, dass ein wertvolles Kulturgut nun gerettet wurde.

Die Kirchenburg von Birthälm zeigte sich sehr beeindruckend. Nicht zuletzt durch die terrassenartige Anlage auf einem Hügel, die imposante Architektur und durch das idyllisch anmutende Umland. Der letzte Teil unserer Reise war den rumänischen Klöstern und der Maramuresch gewidmet. Auf dieser Strecke lag auch Bistritz und wir ließen uns die Gelegenheit nicht entgehen, die Stadt zu besuchen. Neben Kronstadt und Hermannstadt gehört auch Bistritz zu den Städten im modernen Wandel.

Weitere Stationen von der UNESCO-Weltkulturerbe-Liste folgten: Kloster Voroneț, bekannt als „Sixtinische Kapelle des Ostens“, Kloster Humor, Kloster Moldovița mit den sehr schönen Außenanlagen und die Holzkirchen von Ieud und Barsana im Izatal. Damit hatten wir ein Versäumnis vergangener Jahre nachgeholt und waren trotz einiger Strapazen mit dem Verlauf unserer Tour mehr als zufrieden.

Unsere Reise bescherte uns mehr als 2 000 Kilometer, die wir allein in Rumänien gefahren sind, den Besuch bekannter Stätten und noch nicht entdeckter Sehenswürdigkeiten. Es war gleichzeitig Urlaub, Abenteuer und – wie immer wenn man in die alte Heimat fährt – ein Stück Vergangenheitsbewältigung. Es hat viel Spaß gemacht, eine solche Reise mit Gleichgesinnten zu unternehmen und sich gleich an Ort und Stelle über die Eindrücke auszutauschen.

Volkmar Kirres jun.

Schlagwörter: Reise, Reisebericht, Tartlau

Bewerten:

59 Bewertungen: o

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.