23. November 2011

Für eine Stärkung der siebenbürgisch-sächsischen Kultur und Gemeinschaft

Der Verbandstag, das höchste Organ des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, tagte am 12.-13. November 2011 in der Deutschmeisterhalle in Gundelsheim am Neckar (siehe Kurzbericht und neuer Bundesvorstand in derSiebenbürgischen Zeitung Online vom 14. November 2011). In einer Resolution forderten die Delegierten die Bundesregierung auf, die siebenbürgisch-sächsischen Kultureinrichtungen in Gundelsheim in ihrem Fortbestand zu sichern. An die rumänische Regierung erging eine Resolution zur Wiedergutmachung für Russlanddeportierte und Rückgabe des enteigneten Eigentums. Es wurde beschlossen, den Mitgliedsbeitrag von 40 auf 46 Euro zu erhöhen. Durch ein eindeutiges Votum und in lebhaften Diskussionen wurde der Bundesvorstand ermächtigt, die bisherige erfolgreiche Arbeit zur Stärkung des vielseitigen Kultur- und Gemeinschaftslebens sowie der Interessenvertretung fortzuführen. Der Bundesvorsitzende Dr. Bernd Fabritius wurde mit einem hervorragenden Ergebnis (bei einer Gegenstimme) wieder gewählt. Stellvertretende Bundesvorsitzende sind Alfred Mrass, Doris Hutter, Rainer Lehni und Herta Daniel.
Als Tagungsort wurde Gundelsheim am Neckar bestimmt, um ein Zeichen der Verbundenheit und Verantwortung für unsere Kultureinrichtungen zu setzen. Der Zukunft dieser Einrichtungen war eine Tagung am 11.-12. November auf Schloss Horneck mit Führungen durch das Siebenbürgische Museum und das Siebenbürgen-Institut gewidmet (siehe separater Bericht). In einer einstimmig verabschiedeten Resolution forderten die Delegierten des Verbandstages die Bundesregierung auf, die Aufgaben gemäß Paragraph 96 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) beherzt wahrzunehmen, um die siebenbürgisch-sächsischen Kultureinrichtungen, die eine Leuchtturmwirkung weit über Gundelsheim hinaus haben, in ihrem Fortbestand zu sichern und in ihrer Wirkungsfähigkeit zu stärken.

Die Bedeutung der Kulturpflege hob Heike Schokatz, Bürgermeisterin der Stadt Gundelsheim, in ihrem Grußwort zur Eröffnung des Verbandstages hervor. Unser Maßstab für die Pflege der Kulturgüter sollte ein Wort des britischen Premierministers Winston Churchill sein: „Je weiter man zurückblicken kann, desto weiter kann man vorausblicken.“ Aus dem Blick zurück könnten wir „Erkenntnisse für unser Handeln in der Gegenwart und für die Zukunft“ gewinnen. Die Bürgermeisterin brachte ihre Freude zum Ausdruck, „dass in unserer Stadt Gundelsheim die Kultur der Siebenbürger Sachsen mit dem Heimathaus auf Schloss Horneck und den Kultureinrichtungen gepflegt wird und einen festen Platz in unserem gesellschaftlichen Leben einnimmt“. Weiter betonte sie: „Wer weiß, wie unsere Stadtsilhouette ohne ein renoviertes Schloss Horneck aussehen würde, ob wir eine sinnvolle Nutzung für das alte Rathaus hätten und was aus dem Haus Nr. 41 in der Schlossstraße ohne Siebenbürgen-Institut geworden wäre.“ Wegen dieser besonderen Beziehung hatte Schokatz angeregt, den Verbandstag „in der guten Stube unserer Stadt, der Deutschmeisterhalle“, zu veranstalten.

Schon Friedrich Dürrenmatt habe festgestellt: „Was alle angeht, können nur alle lösen. Jeder Versuch eines einzelnen, für sich zu lösen, was alle angeht, muss scheitern.“ Heike Schokatz zeigte sich überzeugt, dass die Stadt Gundelsheim und die siebenbürgischen Organisationen auch künftig von ihrem guten Miteinander profitieren werden. „Denn unser Tun ist ja nicht Selbstzweck, sondern im Mittelpunkt stehen die Bürgerinnen und Bürger, die Siebenbürger Sachsen bei uns, in Baden-Württemberg und in ganz Deutschland sowie darüber hinaus.“
Der neue Bundesvorstand. Foto: Siegbert Bruss ...
Der neue Bundesvorstand. Foto: Siegbert Bruss
Den Gedanken des gemeinschaftlichen Wirkens griff auch der Bundesvorsitzende Dr. Bernd Fabritius in seinem Tätigkeitsbericht auf. Drei Schwerpunkte habe der Bundesvorstand in der Amtszeit von November 2007 bis November 2011 verfolgt: eine nachhaltige Interessenvertretung, das Kulturerbe zu pflegen und zu sichern sowie das Selbstbewusstsein der Siebenbürger Sachsen zu stärken. Bernd Fabritius rief die Delegierten auf, sich weiter für die Einrichtungen in Gundelsheim, „unser kulturelles Rückgrat“, einzusetzen. Um auch Nichtmitglieder an der Aufgabe der Kulturgutsicherung zu beteiligen, soll ein Anteil aus dem Verkauf der Heimattagsabzeichen für die Einrichtungen in Gundelsheim fließen.

„Wir sind eine vollständige, lebendige Kultur – das zeigen wir in Dinkelsbühl“, führte der Bundesvorsitzende aus. Die Heimattage seien eine gute Möglichkeit, die Gemeinschaft in all ihren Facetten zu pflegen. Das Programm habe sich zunehmend verdichtet und fordere die Organisatoren bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Es sei ein Erfolgserlebnis, dass hochkarätige Gäste wie der deutsche Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich, der rumänische Außenminister Dr. Andrei Baconschi und Peter Maffay beim Heimattag 2011 dabei waren: „Sie sind deshalb gekommen, weil wir eine starke Gemeinschaft sind.“

Ein besonders Augenmerk wurde auf die Förderung der Jugendarbeit gelegt: „Die Jugend als Brücke unserer Gemeinschaft in die Zukunft wurde in ihren Bemühungen zur eigenverantwortlichen Jugendarbeit unterstützt.“ Der Bundesvorsitzende rief alle siebenbürgischen Familien auf, die junge Generation an unsere Kultur heranzuführen.

Der Verband konnte seine Anliegen und die Gemeinschaft, für die er sich einsetzt, durch eine aktive Öffentlichkeitsarbeit ausgesprochen positiv positionieren. „Nach außen werden wir zunehmend als ‚zusammenführende Gemeinschaft‘ wahrgenommen“, sagte Fabritius. So hatte der Aussiedlerbeauftragte der Bundesregierung Dr. Christoph Bergner beim Heimattag 2010 in Dinkelsbühl anerkennend festgestellt: „Sie sind Ansprechpartner der Bundesregierung für Aussiedlerfragen.“ Zudem wurden unsere Themen in Spitzengesprächen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Horst Köhler vorgebracht.

„Wir wissen zwar nicht, wie die Ernte aussehen wird. Aber verzichtet ein Bauer auf die Saat im Frühjahr, weil die Ernte im Herbst schlecht ausfallen könnte?“ Mit diesem Bild sprach sich der Bundesvorsitzende dafür aus, den konstruktiv-kritischen Dialog mit den Entscheidungsträgern in Rumänien fortzusetzen, um unsere Anliegen durchzusetzen.

In einer Resolution forderten die Delegierten den rumänischen Staat auf, seine Aufmerksamkeit auf das Schicksal der Russlanddeportierten zu lenken und den rechtlichen Rahmen für ihre Entschädigung als politische Opfer zu schaffen. Ebenso wurde die Rückgabe des im Kommunismus enteigneten Eigentums angemahnt.

Im Bereich der Integrationshilfe sei der Verband im Interesse seiner Mitglieder vielseitig aktiv geworden. In zahlreichen Gesprächen mit bundesdeutschen und rumänischen Verantwortungsträgern sei es gelungen, den Fiktivabzug abzuwenden. Aktueller Stand der Rentenpraxis sei, dass nur der Betrag abgezogen wird, der tatsächlich an Rentenanteilen aus Rumänien an den Rentner in Deutschland fließe. „Das ist ein großer Erfolg der Integrationshilfe. Alle Mitglieder, aber auch Nichtmitglieder können unserem Verband dafür dankbar sein“, betonte Dr. Bernd Fabritius.

Wie in dieser Zeitung berichtet, wurde die „Interessengemeinschaft gegen Fremdrentenkürzungen“ (IgF) aufgelöst. Dank der Initiative des landsmannschaftlichen Verbandes haben viele Rentner für die Jahre 1996 bis 2000 Nachzahlungen in bis zu fünfstelliger Höhe erhalten. Eine Abwendung der Rentenkürzungen konnte allerdings nicht durchgesetzt werden. Auf Antrag von Johann Lauer (Leimen) soll ein detaillierter Rechenschaftsbericht über die Verwendung der IgF-Gelder in der Siebenbürgischen Zeitung veröffentlicht werden. Diesem Antrag stimmten die Delegierten mit dem Hinweis auf eine Bilanz zu, die sie in der 134 Seiten starken Tagungsmappe zur Kenntnis genommen hatten.

Gute Zusammenarbeit

Mit den Banater Schwaben, Sathmarer Schwaben und Bukowinadeutschen treten die Siebenbürger Sachsen als Einheit auf. Diese Entwicklung wird auch von außen positiv wahrgenommen. Innerhalb des Bundes der Vertriebenen (BdV), zu dessen Vizepräsident Bernd Fabritius im Oktober 2010 gewählt wurde, kann man sich besser gegenüber der Politik artikulieren. Die Vernetzungsplattform Deutsch-Rumänisches Forum unter dem Vorsitz der Bundestagsabgeordneten Susanne Kastner funktioniert gut. Einen Dank richtete Bernd Fabritius auch an den Aussiedlerbeauftragten der Bundesregierung, Dr. Christoph Bergner, der sich dafür eingesetzt hatte, dass der landsmannschaftliche Verband in der Deutsch-rumänischen Regierungskommission vertreten ist.
Gute Stimmung herrschte während des gesamten ...
Gute Stimmung herrschte während des gesamten Verbandstages, auch bei den Wahlen. Foto: Siegbert Bruss
Sehr gut arbeitet der Verband auch in der weltweiten Föderation mit den siebenbürgisch-sächsischen Partnerorganisationen in Österreich, Kanada, den USA und in Rumänien, ebenso mit der Landeskirche, dem Hilfskomitee und vielen anderen Einrichtungen zusammen. Das Interesse und die Wertschätzung für die Arbeit des Verbandes bezeugen auch die Beitritte von Vereinen. So konnten sieben Beitrittsverfahren eingeleitet werden: Hilfsverein Johannes Honterus, Urzelnzunft, Blasmusik Stuttgart, Blasmusik Böblingen, Carl-Wolff-Gesellschaft, Nachbarschaft Lohhof, Hilfsverein Stephan-Ludwig-Roth.

„Es ist unser essenzielles Interesse, dass all diese Verbände weiter bestehen, um unterschiedliche Aufgaben wahrzunehmen und unsere Kräfte zu bündeln“, betonte der Bundesvorsitzende. Ziel eines mit dem Verband der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften geplanten Rahmenvertrags sei auch, mehr Gewicht in der Öffentlichkeit zu erhalten.

Zudem setzte sich der Verband finanziell für die von einer Brandkatastrophe betroffene evangelische Stadtpfarrkirche in Bistritz ein und initiierte die Gründung der Carl-Wolff-Gesellschaft, des Siebenbürgischen Wirtschaftsclubs in Deutschland e. V., in dem sich Leistungsträger für die Gemeinschaft engagieren. Dem steigenden Interesse an der Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit wurde durch eine Podiumsdiskussion beim Heimattag 2011 in Dinkelsbühl Rechnung getragen. Mit dem Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas werden Gespräche zwecks Gründung einer Aufarbeitungskommission geführt.

Der Vorschlag des Bundesvorstandes, den jährlichen Mitgliedsbeitrag je Familie ab Januar 2012 von derzeit 40 auf 46 Euro zu erhöhen, wurde mit großer Mehrheit angenommen. Auf diese Weise soll gewährleistet werden, dass unser Verband und seine Untergliederungen auch künftig ihre Aufgaben und Leistungen ohne Abstriche bei Umfang und Qualität erfüllen können.

Werner Schobel (Karlsruhe), Dieter Hann (Lahr) u.a. äußerten in teils kontroversen Diskussionen die Befürchtung, dass Landsleute aus finanziellen Gründen aus dem Verband austreten könnten. Allerdings halten sich die monatlichen Mehrkosten von 50 Cent pro Familie in Grenzen. Die bedürftigten Mitglieder werden gebeten, von ihrem Recht auf soziale Grundsicherung in Deutschland Gebrauch zu machen und gegebenenfalls einen ermäßigten Mitgliedsbeitrag bei ihrem Landesverband zu beantragen. Diese Themen wird unsere Zeitung in separaten Beiträgen aufgreifen.

„Der Verband ist ein Instrument, das wir uns geschaffen haben, um etwas zu erreichen“, betonte der Bundesvorsitzende. Er dankte allen Ehrenamtlichen für ihren Einsatz und forderte sie auf, sich weiter einzubringen, „mit dem, was Sie am besten können“. Gleichzeitig wolle man Kritik als produktives Potential nutzen.

Erörtert wurde auch die Frage des Mitgliederschwundes und wie man gegensteuern und neue Mitglieder gewinnen kann. Bundesweit ist die Mitgliederzahl des Verbandes der Siebenbürger Sachsen von 38 981 im Jahr 2007 auf 34 599 Anfang 2011 gesunken.

„Einen wichtigen Impuls zur Trendwende könnte die Steigerung des gemeinschaftlichen Bewusstseins und des Verständnisses für die Notwendigkeit einer gemeinschaftlichen Vertretung setzen“, sagte Bernd Fabritius. Er äußerte die Hoffnung, dass immer mehr Leute den Nutzen unseres Engagements erkennen und den Verband durch ihre Mitgliedschaft stärken. Der Stellvertretende Bundesvorsitzende Alfred Mrass sagte: „Die beste Werbung für unseren Verband ist eine gute Arbeit.“

Geplant ist die Einführung eines Ausweises für alle Mitglieder. Das sei nicht nur eine Formalie, sondern solle die Identität und das Zugehörigkeitsgefühl der Mitglieder stärken, betonte Fabritius. Die Bundesgeschäftsstelle wird die Ausweise erstellen sowie die finanzielle und logistische Last tragen. Aber auch die Kreisgruppen werden gebeten, bei der Erfassung und Aktualisierung der Daten mitzuhelfen.

Der Sonntag begann traditionsgemäß mit einer Andacht, gehalten von Dekan i.R. Hermann Schuller, Vorsitzender der Gemeinschaft Evangelischer Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben im Diakonischen Werk der EKD (Hilfskomitee). Er wies auf die Gemeinschaft des Heiligen Geistes (2. Kor. 13,13) und auf die Notwenigkeit menschlicher Wärme hin: „Den Menschen muss es in unserer Nähe wohl sein und sie müssen fühlen, dass der Grund dazu in unserer Verbindung mit Gott liegt.“

Unter der Wahlleitung des Ehrenvorsitzenden Dr. Wolfgang Bonfert wurde anschließend der neue Bundesvorstand gewählt. Bernd Fabritius erhielt 149 von 159 abgegebenen Stimmen, bei einer Gegenstimme und neun ungültigen Wahlzetteln. Wiedergewählt wurden als Stellvertretende Bundesvorsitzende Alfred Mrass (149), Doris Hutter (145), Rainer Lehni (145). Herta Daniel erhielt 142 von 155 abgegebenen Stimmen.

Der alte und neue Bundesvorsitzende dankte den scheidenden Mitgliedern des Bundesvorstands, die sich verdienstvoll für den Verband eingebracht haben: Karin-Servatius Speck, stellvertretende Vorsitzende, Peter Pastior, langjähriger Vorsitzender des Sozialwerks, Sozialreferent und Schatzmeister, Enni Janesch, Bundesfrauenreferentin, Rechtsanwalt Ernst Bruckner, Rechtsreferent für Soziales, Hannes Schuster, ehemaliger Chefredakteur der Siebenbürgischen Zeitung und Beisitzer, und Dr. Anneli Ute Gabanyi, Beisitzerin.

Die Satzung des Verbandes wurde redaktionell und inhaltlich nur geringfügig geändert. So wurde beschlossen, die Verbandsrichtlinien als konstitutiven Bestandteil in der Satzung zu verankern. Klargestellt wurde auch, dass die Mitglieder der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland (SJD) ordentliche Mitglieder des Verbandes sind. Der Passus bezüglich anderer „jugendlicher Mitglieder“, der seit längerem keine Bedeutung mehr hat, wurde abgeschafft.

Der Verbandstag hat in ausführlichen Diskussionen deutlich gemacht, dass die Kulturpflege, Jugendarbeit, Mitgliederwerbung und vieles mehr Aufgaben sind, die der Verband auf Bundes-, Landes- und Kreisgruppenebene nur gemeinsam bewältigen kann. Dadurch wurden das Bewusstsein und die Motivation der Führungskräfte für diese Aufgaben geschärft.

Siegbert Bruss


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Schlagwörter: Verbandstag 2011, Wahlen, Verbandspolitik, Gundelsheim

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  • 23.11.2011, 12:11 Uhr von orbo: Der Verband hat sich wieder auf höchster politischer Ebene in Deutschland und Rumänien Gehör ... [weiter]

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