16. Juni 2022

Oberbürgermeister Christoph Hammer: "Die Siebenbürger Sachsen haben uns bereichert"

Zur Eröffnung des 72. Heimattages der Siebenbürger Sachsen am Samstag, dem 4. Juni, in der Schranne hieß Oberbürgermeister Dr. Christoph Hammer alle Gäste in ihrer Stadt Dinkelsbühl herzlich willkommen. Er freue sich, dass nach zweijähriger Pause, Dinkelsbühl zu Pfingsten wieder das Zentrum der Siebenbürger Sachsen weltweit sei. Es erfülle ihn mit Stolz, Bürgermeister einer Stadt zu sein, in der Entscheidungen von europapolitischer Tragweite getroffen worden sind. Auch die Aufnahme Rumäniens in die Europäische Union habe ihren Nährboden in Dinkelsbühl, zeigte er sich überzeugt. Die Siebenbürger Sachsen würdigte er als Bereicherung für die Städte, in denen sie sich angesiedelt haben. Das Grußwort des Oberbürgermeisters Christoph Hammer wird im Folgenden leicht gekürzt wiedergegeben.
Oberbürgermeister Dr. Christoph Hammer hieß alle ...
Oberbürgermeister Dr. Christoph Hammer hieß alle Gäste in der Stadt Dinkelsbühl herzlich willkommen. Foto: Christian Schoger
Wir mussten zwei Mal Vorlieb nehmen, eine Videobotschaft aus dem Spitalshof zu den digitalen Heimattagen 2020 und 2021 zu versenden. Man kann das mit einer Veranstaltung wie heute natürlich nicht vergleichen. Der Mensch ist ein soziales Wesen, er muss sich austauschen, sich kennenlernen, miteinander kommunizieren, damit etwas Vernünftiges herauskommt.

Sprache und Austausch sind die Grundlage jedes Verständnisses und gedeihlichen und gemeinsamen Miteinanders. Deshalb finde ich es toll, dass Dinkelsbühl dieses Pfingstwochenende wieder das Zentrum der Siebenbürger Sachsen weltweit ist. Wir sind in der Stadt ausgebucht, wir danken für den starken Wirtschaftsfaktor!

Ich habe das Treffen erstmals als junger Verwaltungsrichter erlebt. In den neunziger Jahren vernahm ich dieses Summen, dieses Miteinander-Reden der Siebenbürger Sachsen. Damals wusste ich noch nicht, dass ich dieses Treffen nun bald zwanzig Jahre mitverfolgen darf. Sie haben uns, die Stadt Dinkelsbühl, auf eine Reise mitgenommen, seit über 70 Jahren, für die ich Ihnen sehr dankbar bin. Der nordrhein-westfälische Aussiedlerbeauftragte Heiko Hendriks ist das erste Mal hier in Dinkelsbühl, ebenso die Bundesaussiedlerbeauftragte Natalie Pawlik.

Es erfüllt mich mit Stolz, Bürgermeister einer Stadt zu sein, in der auch europapolitische Entscheidungen getroffen worden sind. Auch die Aufnahme Rumäniens in die Europäische Union hat ihren Nährboden hier in Dinkelsbühl.

Im Bayerischen Fernsehen wurde ein Beitrag gezeigt „Dinkelsbühl für immer oder einen Tag“. Viele sind nach Dinkelsbühl gekommen und waren einen Tag da. Viele sind jedoch gekommen und hier hängen geblieben. So ist es auch mir ergangen.

Zum Motto „Wurzeln suchen – Wege finden“. Die Stadt ist Ihnen dankbar. Meine Kollegen Nora Engelhard und Georg Piott haben auch wegen Ihnen eine Reise in den Karpatenbogen unternommen, und so war es auch bei mir. Ohne Sie wäre ich nie nach Rumänien bzw. in Ihr Heimatland gereist. Als wir das erste Mal dort waren, am Flughafen in Hermannstadt – der sah damals aus wie der Flughafen in Ostberlin, nur viel kleiner – , wurden wir begleitet von Reportern der „Zeit“. In der Reportage in der „Zeit“ wurde sehr ausführlich, auf fünf Seiten, über unsere Reise berichtet. Ohne Sie hätte ich das nie geschafft. Wir haben Menschen in dieser Nähe kennen gelernt, die ich sonst nie kennen gelernt hätte.

Als Klaus Johannis als Bürgermeister von Hermannstadt, heute ist er Staatspräsident Rumäniens, in seiner Körperlichkeit und Aura hier auf dem Weinmarkt auftrat, war ich total begeistert. Und als Peter Maffay beim Heimattag da war, haben der Bundesvorsitzende und ich als Bürgermeister keine Rolle mehr gespielt. Die Siebenbürger Sachsen waren stolz auf ihn, und Peter Maffay hat das genossen. Ein Jahr später hat er ein Konzert auf der Schwedenwiese gegeben.

Wir haben viele Menschen kennen gelernt. Wir haben die Kirchenburgen erlebt, die Bergkirche in Schäßburg, aber auch Orte, von denen ich gesagt habe, die muss man sehen, solange es sie noch gibt. Ich war sieben oder acht Mal in Siebenbürgen. Ich habe mich so begeistern lassen von diesem Virus des Karpatenbogens, dass ich auch mit dem Rad hingefahren bin. Es ging über einen Bergpass nach Klausenburg und über Mediasch, Schäßburg und Kronstadt nach Bukarest und Griechenland, aber zentral ging es um die Siebenbürger Sachsen. Ich habe es Ihnen zu verdanken, sonst wäre ich nie an den deutschen Botschafter in Bukarest herangekommen, der ein Jahr zuvor zu Gast beim Heimattag in Dinkelsbühl war. Die Botschaft ist übrigens ein kleiner Staatspalast.

Es war für mich eine total bewegende Reise, 20 Jahre Siebenbürger Sachsen über Dinkelsbühl in Ihre Heimat. Danke, dass Sie mich das haben miterleben lassen.

Zum Motto „Wurzeln suchen – Wege finden“. Sie haben Ihre Heimat nicht freiwillig verlassen. Was mir auch sehr gefallen hat, war das Zusammenrücken der rumänischen Regierung und der Landsmannschaft hier in Dinkelsbühl. Es war ein riesiger Verlust für Rumänien, dass diese Elite – Sie haben überproportional viele Ingenieure – gegangen ist. Der wirtschaftliche, geistige und kulturelle Motor hat das Land verlassen. Es freut mich, wie Sie sich seit Jahren in gutem Einvernehmen bemühen auch zu sagen: „Besinnt euch auf eure Heimat, auf eure Wurzeln“, auch wenn viele zu uns, nach Deutschland, kamen. Und ich kann mich noch an die Worte der damaligen Präsidentin des Bayerischen Landtags, Barbara Stamm, am Heimattag 2015 erinnern: „Die Eingliederung der Flüchtlinge und Vertriebenen wurde zu einer großartigen Erfolgsgeschichte. Die Integration ist auf bewundernswerte Weise gelungen.“

Sie waren eine Bereicherung in doppelter Hinsicht: einerseits haben die Städte, wo Sie sich angesiedelt haben, insbesondere auch Dinkelsbühl, von Ihnen profitiert. Andererseits haben Sie auch eine gelungene Reintegration in Ihre Heimat vollzogen. Ich habe bei Ihnen nie einen Revanchismus erlebt, gegen die rumänische Staatsregierung, einen Groll, für das, was passiert ist. Sie waren immer nachdenklich und versöhnlich mit Blick auf die Zukunft.

Wir erleben momentan eine Welle von Menschen, die ihr Heimatland verlassen müssen. Über 100 Tage Krieg in der Ukraine. Viele haben Ihre mahnenden Worte, die die Redner beim Volkstrauertag und am Pfingstsonntagabend an der Gedenkstätte der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl gesprochen haben, abgetan: Muss das sein, gehört das nicht schon zur Vergangenheit? Vieles Besinnen in der Vergangenheit stellt sich heute, leider Gottes, als absolut berechtigt heraus. Ich wünsche mir, dass dieses Miteinander, das Sie betreiben, auch Vorbild sein sollte für andere entscheidenden Menschen.

Ich sage Ihnen ganz herzlichen Dank. Durch Sie habe ich auch eine doppelte Ehrung erfahren, sowohl mit dem Großen Ehrenwappen des Verbandes der Siebenbürger Sachsen als auch dem Ehrenleutnant des rumänischen Staates.

Unsere Sparkasse beschreibt die Siebenbürger Sachsen als etwas schizophrene Persönlichkeit. Wenn Sie einen Kredit aufnehmen, sieht die Sparkasse das mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Mit einem lachenden, weil es nie Abschreibungen gibt und der Kredit immer zurückgezahlt wird – mit einem weinenden, weil meistens kurz darauf die Frage nach einer vorzeitigen Tilgung kommt.

Ich wünsche Ihnen alles Gute in Ihrer Stadt Dinkelsbühl, gute Tage!

Schlagwörter: Heimattag 2022, Christoph Hammer, Dinkelsbühl

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