Partnerschaftliches Miteinander: Podiumsdiskussion in Dinkelsbühl erörtert gewachsene Beziehungen zwischen Stadt und Siebenbürger Sachsen
Alljährlich kehren wir nicht nur der Trachten und Blasmusik wegen nach Dinkelsbühl zurück, „sondern um das Wir-Gefühl zu erleben, das unsere Gemeinschaft prägt“, meinte der Stellvertretende Bundesvorsitzende Werner Kloos in seiner Anmoderation zur diesjährigen Podiumsdiskussion. „Wann ist wieder Dinkelsbühl? Die Stadt, der Heimattag und die Siebenbürger Sachsen“ lautete das Thema am Pfingstmontagvormittag im gut besuchten Schrannen-Festsaal. Immerhin schon seit 1951, einem Dreivierteljahrhundert also, ist Dinkelsbühl zu Pfingsten das Zentrum der siebenbürgisch-sächsischen Welt. Es sollte – auch dank des Publikums – eine gehaltvolle Podiumsdiskussion werden.
Werner Kloos, der am 15. Juni seinen 60. Geburtstag beging (s. Bericht auf Seite 13), hieß das Saalpublikum herzlich willkommen und führte in das Diskussionsthema ein. Der Moderator stellte das Podium vor als „Vertreter verschiedener Generationen und Perspektiven“, neben sich den Leiter des Amtes für Tourismus und Kultur der Großen Kreisstadt Dinkelsbühl, Philip Schürlein, den Bundesreferenten für die Organisation des Heimattages Horst Wellmann, den Landesjugendleiter der Landesgruppe Bayern der Siebenbürgisch-Sächsischen Jugend in Deutschland (SJD-Bayern) René Buortmes und Martina Haas von der Redaktion der Fränkischen Landeszeitung (FLZ).
Einleitend unterstrich Kloos, dass Dinkelsbühl als Synonym für den Heimattag stehe. Das zeige, „wie eng diese Stadt mit den Siebenbürger Sachsen verbunden ist“. Ins Zentrum der nachfolgenden Diskussion rückte der Moderator die Frage nach der Bedeutung des in diesem Jahr 75. Heimattages in Dinkelsbühl „für unsere Identität, für unser Miteinander, die Zukunft unserer Gemeinschaft“. Die Große Kreisstadt erinnere durch Lage und Stadtbild an die alte Heimat. Die Siebenbürger Sachsen seien hier an der Wörnitz immer willkommen gewesen, „wo der Heimattag auch als Wirtschaftsfaktor gesehen wird“. Kloos erinnerte an die 1955 in Dinkelsbühl errichtete Vertriebenensiedlung, in der auch Landsleute heimisch geworden seien, 1959 „Keimzelle einer aktiven Kreisgruppe des Verbandes“, deren Kreisgruppenvorsitzender der mit auf dem Podium sitzende Horst Wellmann ist. Kloos erwähnte in seinen Ausführungen auch die regelmäßigen Treffen von Heimatortsgemeinschaften in Dinkelsbühl als auch die Gedenkstätte der Siebenbürger Sachsen an der Lindenallee. Aufgrund dieser zahlreichenden verbindenden Faktoren hätten die Stadt und der Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, damals noch als Landsmannschaft, am 25. Mai 1985, während des Heimattags, eine Partnerschaft geschlossen „mit dem Ziel, sich gegenseitig zu unterstützen und die gewachsenen Beziehungen zu festigen und zu fördern“. Zu diesem 40-jährigen Partnerschafts-Jubiläum wolle er herzlich gratulieren, sagte Kloos. Das Saalpublikum applaudierte.
Auf dem Podium im Schrannen-Festsaal diskutierten, von links: Philip Schürlein, Horst Wellmann, Moderator Werner Kloos, Martina Haas und René Buortmes. Foto: Christian SchogerPhilip Schürlein erinnerte sich an seine ersten Heimattage. Der Leiter des Amtes für Tourismus und Kultur der Großen Kreisstadt Dinkelsbühl schilderte, wie verblüffend es für ihn seinerzeit gewesen sei zu beobachten, wie viele Leute sich hinter den Kulissen ehrenamtlich engagierten, um die vielfältigen Veranstaltungen zu ermöglichen. „Das hat mich tief beeindruckt und seitdem habe ich mir gesagt: Da muss man mit dabei sein.“ Schürlein betonte, dass die Stadt versuche, alles möglich zu machen, in Absprache mit dem Verband, „dass der Heimattag im Vorfeld perfekt vorbereitet ist und am Heimattag alles stressfrei funktioniert“. Für die rund 13000 Einwohner zählende Stadt sei der Heimattag „extrem wichtig“: Die etwa 1400 Hotelbetten der Stadt seien über die drei Tage komplett ausgebucht, auch die benachbarten Ortschaften profitierten von den vielen Gästen an diesem Wochenende. Neben dem wirtschaftlichen Aspekt gehe es hauptsächlich um die gute Imagewerbung für Dinkelsbühl aufgrund der prominenten Politiker, die nach Dinkelsbühl kämen. Die Stadt werde von den vielen Gästen, die nach dem Heimattag als Multiplikatoren fungierten, begünstigt. Deren positives Feedback sei „einfach unbezahlbar“. Davon profitierten Tourismus, Hotellerie und Gastronomie.
Die ersten Kontakte mit den Siebenbürger Sachsen reichen bei der gebürtigen Dinkelsbühlerin Martina Haas in ihre Kindheit zurück, Heimattagsveranstaltungen erlebte sie jedoch später erst beruflich als Redakteurin der Fränkischen Landeszeitung (FLZ) und sei „völlig überwältigt gewesen von der Fülle an Veranstaltungen“. Auf die Frage des Moderators, wie die Öffentlichkeit den Heimattag wahrnehme, antwortete die Journalistin, die Dinkelsbühler Bevölkerung reagiere oftmals mit einer „gewissen Überforderung“ und „wohlwollenden Resignation“. Vor allem die in der Altstadt wohnenden Menschen fühlten sich manchmal „überrannt“ von den Tausenden Siebenbürger Sachsen, viele führen daher am Pfingstwochenende weg. Die gewöhnlichen Bürger ohne öffentliche Funktion könnten sich „nicht so recht mit dem Heimattag verbinden“. Haas schlug daher vor, von Verbandsseite aus im Vorfeld des Heimattages Informations- und Begegnungsveranstaltungen für die Stadtbevölkerung anzubieten. Zudem könnten die Dinkelsbühler auch zu speziellen Heimattagsveranstaltungen eingeladen werden, ohne dass sie ein Abzeichen kaufen müssten. Als journalistische Beobachterin der Heimattage lobte Haas die „sehr unagressive Art und Weise der Siebenbürger Sachsen, ihre Anliegen zu vertreten, das Verbindende herauszustellen, Kompromisse zu suchen“.
Horst Wellmann reagierte hierauf als Wahl-Dinkelsbühler. Der Bundesreferent für die Organisation des Heimattages wies darauf hin, dass sich in der jüngeren Vergangenheit vieles gebessert habe, nicht allein die Sicherheit am und im Festzelt. Es erfülle ihn mit Stolz, wenn die FLZ nach dem Heimattag die Polizei wiedergebe mit „keine Vorkommnisse“. Die Dinkelsbühler nähmen inzwischen auch Programmangebote wahr, „zwar nicht in Massen, aber sie kommen“. „Wir sind bemüht, dieses Miteinander gut zu gestalten“, bekräftigte Wellmann. Der Organisationsreferent gab in seinen Ausführungen Einblick in die Abläufe der alljährlichen intensiven und zeitaufwändigen Heimattagsvorbereitungen.
Philip Schürlein ergänzte, dass Dinkelsbühler durchaus kein Festabzeichen benötigten, um sich zu Pfingsten frei in ihrer Stadt zu bewegen.
Wellmann hob das gute Miteinander von Verband und Stadt hervor, man werde „als guter Partner“ wahrgenommen. Mit eine Rolle spiele dabei sicherlich auch Dinkelsbühls bereits 20-jährige Städtepartnerschaft mit Schäßburg.
René Buortmes, von Beruf Industriefachwirt, erlebt in diesem Jahr seinen 15. Heimattag und ist in diversen Funktionen ehrenamtlich aktiv, nicht nur als Landesjugendleiter der SJD Bayern, auch als stellvertretender Vorsitzender der Kreisgruppe Traunreut sowie Leiter der Tanzgruppe Traunreut. Von Kloos gefragt, was die jungen Leute motiviere, zum Pfingsttreffen zu kommen, wies Buortmes auf das „Wir-Gefühl“ hin. Das habe sich auch beim Trachtenumzug am Pfingstsonntag gezeigt, als die junge Generation dem widrigen Wetter getrotzt habe. Gleiches sei auch bei den Sportveranstaltungen am Samstag zu beobachten gewesen. Immerhin seien an die Tausend Jugendliche vor Ort, die denselben Hintergrund hätten wie er selbst als nicht mehr in Siebenbürgen Geborener, doch mit Wurzeln in Siebenbürgen. Es herrsche ein besonderer Zusammenhalt. Den Blick in die Zukunft des Heimattages gerichtet, rückte Buortmes die geringer werdende Siebenbürgen-Bindung der jüngeren Generation in den Fokus. Da sehe er „die Eltern und Großeltern in der Pflicht, die Kinder mitzunehmen auf den Heimattag, zu kulturellen Veranstaltungen, ihnen von Siebenbürgen zu erzählen, […] auch mal nach Siebenbürgen zu fahren. Wenn man das nicht erlebt hat, dann entwickelt man das Gefühl nicht. Man sagt ja so schön: Heimat ist kein Ort, Heimat ist ein Gefühl.“
Als der Moderator die Diskussion für das Saalpublikum öffnete, meldeten sich zahlreiche Stimmen zu Wort. Horst Göbbel nannte den Trachtenumzug „das attraktivste Kennzeichen“ des Heimattags mit einer „ungebrochenen riesigen Ausstrahlung“ und fragte die anwesende Co-Moderatorin Ines Wenzel, inwiefern sich der Trachtenumzug in den vergangenen Jahren gewandelt habe. Sie ist seit 2007 mit der organisatorischen Vorbereitung und Moderation ehrenamtlich engagiert und könne feststellen, dass sich der Umzug seither verdoppelt habe in der Menge an Teilnehmern und Gruppen. Man sei überdies „auf einem guten Weg, zu der ursprünglichen Tracht zurückzufinden“, sagte Wenzel.
Der frühere Leiter der Rumänien-Redaktion der Deutschen WelleRobert Schwartz regte als amtierender Präsident der Deutsch-Rumänischen Gesellschaft eine intensivere Vernetzung des Verbandes mit anderen Institutionen und deutsch-rumänischen Vereinen an und diese zum Heimattag einzuladen. Bundesvorsitzender Rainer Lehni zeigte sich in seiner unmittelbaren Erwiderung grundsätzlich offen für die Idee, gab aber auch mögliche Kapazitätsgrenzen zu bedenken, „wenn noch mehr Leute kommen“.
Der Stellvertretende Bundesvorsitzende Michael Konnerth äußerte sich optimistisch hinsichtlich künftig erfolgreicher Heimattage. Seine Zuversicht speise sich aus dem erkennbaren Interesse der Enkelgeneration, aus der attraktiven Programmgestaltung und dem sich immer weiter entwickelnden Trachtenumzug.
Online-Referent Robert Sonnleitner übermittelte Stimmen aus dem Netz jener, die der Live-Übertragung folgten, und so die Frage: „Warum setzen wir den Heimattag so selbstverständlich mit Dinkelsbühl gleich?“ Moderator Werner Kloos antwortete: „Erstens einmal, weil wir in dieser langen Zeit eins festgestellt haben: Die Räumlichkeit, die Stadt ist der ideale Ort für unser Treffen. […] Dinkelsbühl tut alles für uns, dass wir uns hier wohlfühlen. […] Deshalb hat man sich für Dinkelsbühl entschieden und deshalb werden wir auch die nächste Zeit in Dinkelsbühl bleiben“. Zustimmender Beifall im Saal.
Es gab noch eine Reihe weiterer Publikumsbeiträge. Mit seinem Dank an das Podium und das Publikum schloss Werner Kloos die zweistündige, angeregte Diskussion. Da hier nur einige ausgewählte Aussagen und Aspekte berücksichtigt werden konnten, sei der Videomitschnitt der Podiumsdiskussion empfohlen, der auf dem Siebenbuerger.de-Kanal auf YouTube abrufbar ist: http://youtu.be/mSUBBS2vlPc.
23.06.2025, 15:14 Uhr von gogesch:
Der Punkt von Herrn Schwartz ist ja interessant, so wie ein Essen, dass "interessant" schmeckt. Das ...
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