11. Juni 2009

Christoph Hammer: „Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl bleiben“

Im letzten Jahr wurde Oberbürgermeister Dr. Christoph Hammer – ebenso wie der damalige Ministerpräsident Bayerns, Dr. Günther Beckstein –, mit dem Ehrenwappen des Verbandes der Siebenbürger Sachsen ausgezeichnet. Dies veranlasste ihn nun zur Feststellung: „Aber man sieht, Ministerpräsidenten kommen und gehen, Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl bleiben“. Die Ansprache des Oberbürgermeisters bei der Eröffnung des Heimattages am 30. Mai 2009 im Schrannen-Festsaal in Dinkelsbühl wird gekürzt wiedergegeben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich darf Sie alle auch ganz herzlich in unserer Stadt Dinkelsbühl begrüßen. Es ist immer das erste Mal im Jahr, dass sich die Stadt mit Fahnen schmückt. Und wenn dann diese blauen, fränkischen oder bayerischen Himmel wehen, dann wissen wir, Pfingsten kommt und damit kommen unsere Freunde aus nah und fern, viele bekannte Gesichter, unsere Familie, unsere Siebenbürger Sachsen. Schön, dass Sie da sind. Ich freue mich natürlich ganz besonders, und den einen oder anderen muss ich natürlich noch erwähnen, sonst werde ich vom Protokoll gelyncht. Herr Bischof, ich freue mich ganz besonders, dass Sie zu uns nach Dinkelsbühl wieder gekommen sind, insbesondere da wir wissen, dass natürlich der christliche Glaube das Band ist, das uns verbindet, das Sie immer verbunden hat und uns mit euch. Herzlich grüß Gott. Ich grüße ganz besonders meinen Freund Bernd Fabritius als Bundesvorsitzenden, der oft zu uns nach Dinkelsbühl kommt im Jahreslauf, mittlerweile muss ich sagen, bei so vielen Menschen bekannt und wir freuen uns jedes Mal, wenn du zu uns sprichst, wenn du zu uns kommst und wenn es dir bei uns in Dinkelsbühl gut geht. Ich begrüße die beiden Botschafter, auch das ist eine riesige Ehre für uns, genau so wie der Vizepräsident des Bundes der Vertriebenen und dann natürlich auch der Präsident des Hessischen Landtags, der nicht nur zu Pfingsten zu uns kommt, sondern auch das eine oder andere Mal zum Radfahren. Herzlich grüß Gott.



Bereits im Jahre 1841 hat der Dichter Hoffmann von Fallersleben die drei Begriffe „Einigkeit und Recht und Freiheit“ in sein „Lied der Deutschen“ geschrieben. Damals, meine sehr geehrten Damen und Herren, handelte es sich um einen Wunsch, der sich für sein Vaterland erfüllen sollte. Fallersleben konnte nicht ahnen, welche turbulente, tragische Geschichte diesem Land im folgenden Jahrhundert bevorstand. Trotzdem ist zumindest die dritte Strophe seines Liedes bis heute unsere Nationalhymne geblieben. Auch wenn Deutschland diese drei Werte nicht durchgehend bewahren konnte, hat es sich „Einigkeit und Recht und Freiheit“ inzwischen wieder erarbeitet. Und – nahezu 170 Jahre nach Entstehung dieses Liedes und 60 Jahre nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland – haben sie nichts von ihrer Bedeutung verloren.
OB Dr. Hammer hieß die Siebenbürger Sach­sen ...
OB Dr. Hammer hieß die Siebenbürger Sach­sen herzlich willkommen. Foto: Judith Fehlau
Dieser Blick zurück sei mir gestattet, in einem Jahr, das uns neben dem Gründungsjubiläum unserer Republik so viele Gedenktage beschert – freudige und durchaus weniger freudige.

Solche Jahrestage, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben stets zwei Aspekte – einmal ist da natürlich immer das Erinnern, der Blick in die Vergangenheit. Dieser Blick zurück ist wehmütig, ganz sicher. Aber er macht auch stolz und zuversichtlich. Wehmütig, weil Sie die Städte und Dörfer ihrer Heimat im Karpatenbogen verlassen mussten, stolz, weil Sie getreu dem Motto des diesjährigen Heimattages „Gemeinsinn leben, im Dialog handeln“ an dem neuen Staat Bundesrepublik mitbauten und gestalten konnten. Und Sie haben sich Ihren Zusammenhalt bewahrt, Ihre Kultur, Ihre Traditionen, ja sogar Ihre Sprache. Daraus lässt sich Zuversicht schöpfen und dazu haben Sie jeden Grund. Denn kaum eine Gemeinschaft hat wie Sie Gräben überwunden und geholfen, Deutschland und Europa neu aufzubauen. Auf diesen Fundamenten werden die nächsten Generationen weiterbauen und das ist eine große Verheißung in einer Welt, in der Terror und Unterdrückung oftmals den Sieg davonzutragen scheinen.

Sie haben unserem Land viel gegeben und mitgeholfen, dass „Einigkeit und Recht und Freiheit“ keine leeren Worthülsen sind. Umgekehrt – und hier darf ich an die Rede zum 60. Jahrestag der Bundesrepublik Deutschland unseres eben wiedergewählten Bundespräsidenten Horst Köhler anknüpfen – hat Ihnen, hat uns, dieses Land viel gegeben. Horst Köhler erzählte von einer Familie, deren drei Generationen alle Höhen und Tiefen der letzten 80/90 Jahre durchlebt haben. Weltwirtschaftskrise und den Zweiten Weltkrieg, Flucht und Vertreibung, Wiederaufbau und Wirtschaftswunder, Wiedervereinigung und Europa.

Familien wie die Ihrigen, wie sie bei Ihren Familienfeiern um den Tisch sitzen und wo hier wie dort die Generationen ins Gespräch kommen. Es gibt in unserem Land ungezählte Geschichten wie diese. Sie erzählen von Gemeinsamkeit und Dialog. Sie zeigen uns, was die Älteren geschaffen haben und worauf die Jüngeren heute aufbauen können. Sie gehören uns allen. Wir alle können heute in Freiheit leben, in einem Rechtsstaat. Und diese freiheitliche Demokratie strahlt auf andere Nationen aus wie ein Leuchtturm. Erinnern wir uns an die Zeit nach 1989, an den großen Umbruch in Europa. Das Modell „freiheitliche“ Demokratie“ zog die Völker Osteuropas in seinen Bann und sprengte den eisernen Vorhang. Viele Ihrer Landsleute kamen auch noch nach 1990 zu uns, auch hier nach Dinkelsbühl. Und ganz speziell an die Vertretung von Rumänien darf ich sagen: Es war in Dinkelsbühl immer hier das Treffen der Einigkeit, man versuchte immer im Dialog gemeinsam Gutes zu erreichen. Und ich darf auch sagen, wir haben auch in Dinkelsbühl, in unserem kleinen Kosmos hier, vieles miterlebt, was uns beeindruckte.

Und auch jetzt zeigt sich der Zusammenhalt der siebenbürgischen Gemeinschaft. Sie gaben wertvolle Hilfestellung bei der Eingliederung. Und die Aufgenommenen fanden sich schnell zurecht.

Dieser Austausch hat in über 60 Jahren unsere Gesellschaft verändert: Festgefügte Grenzen zwischen Konfessionen, Dialekten und Mentalitäten verblassten. Das war oft alles andere als einfach. Aber am Ende steht die Erfahrung, dass es in Deutschland viele Heimaten gibt und dass diese Vielfalt unser Land bereichert.

Und damit sind wir beim Blick in die Zukunft, den Jahrestage stets herausfordern. Dieser Heimattag mit dem Zusatz: „60 Jahre Verband der Siebenbürger Sachsen in Deutschland“ ist ohne einen Verweis auf das neue größere Europa nicht denkbar. Uns kann und darf es nicht gleichgültig sein, was aus Europa, vor allem auch den jüngsten Mitgliedern wird. Auch hier müssen wir „Gemeinsinn leben, im Dialog handeln“.

Deutschland, Europa, ja die gesamte globalisierte Welt blickt verunsichert in die Zukunft. Viele Familien machen sich Sorgen. Gemeinsinn und Solidarität, Werte, die in der jüngsten Vergangenheit von manchen eher belächelt wurden, können uns helfen, die Krise zu meistern und gestärkt daraus hervor zu gehen.

Denn „Ein bloßes Nebeneinander von Menschen ist keine Gesellschaft“, mit diesem Wort des ehemaligen Stuttgarter Oberbürgermeisters Manfred Rommel will ich schließen.

Ich darf Sie noch einmal alle herzlich willkommen heißen, zum Heimattag. Dinkelsbühl gehört für diesen Wochenende Ihnen! Ich freue mich auf die Begegnungen mit Ihnen und wünsche viel Freude beim Wiedersehen mit alten Freunden und Bekannten.


Schlagwörter: Heimattag 2009, Dinkelsbühl, Christoph Hammer

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  • 12.06.2009, 06:08 Uhr von der Ijel: „Ein bloßes Nebeneinander von Menschen ist keine Gesellschaft“, ---------------das ist der Hammer-- ... [weiter]

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