11. August 2021

Wie Auslandsdeutsche wählen können: Der Aussiedlerbeauftragte Dr. Bernd Fabritius informiert aus Anlass der Bundestagswahl

Die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag findet am 26. September statt. Für Auslandsdeutsche hat die Wahl jedoch bereits begonnen. Die Internationale Medienhilfe (IMH), ein in Berlin ansässiges Netzwerk deutschsprachiger Medien im Ausland und fremdsprachiger Medien im Inland, beklagt in einer Pressemitteilung vom 7. Juli, dass Auslandsdeutsche „oft um ihr Wahlrecht gebracht“ würden, und fordert für die über 1,5 Millionen Deutschen im Ausland den „Abbau bürokratischer Hürden beim Wahlrecht“. Italien könne dabei ein Vorbild sein.
Zur Problematik erklärt der Leiter der IMH, Björn Akstinat: „Im Ausland leben über 1,5 Millionen Wahlberechtigte. Sie könnten das Zünglein an der Waage sein. Bei der letzten Bundestagswahl 2017 schafften aber nur etwas mehr als 100000 Personen, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Das sind vor allem Deutsche, die in den Anrainerstaaten der Bundesrepublik wohnen und kurze Postwege haben. Den restlichen Auslandsdeutschen, besonders denen in Übersee, ist eine Teilnahme wegen der vielen bürokratischen Hürden, die ihnen die geltenden Gesetze in den Weg stellen, meist zu umständlich und zu unsicher.“ Das sei in Italien viel einfacher geregelt, meint Akstinat: „Für Auslandsitaliener gibt es beispielsweise spezielle Wahlkreise mit eigenen Kandidaten außerhalb Italiens. Die italienischen Staatsangehörigen weltweit sind alle bei den Botschaften registriert und bekommen ihre Wahlunterlagen automatisch zugeschickt: Stimmzettel inkl. ausreichend frankierter Rücksendeumschläge, die die Adressen der jeweils zuständigen Botschaften oder Konsulate tragen. Italien hat sogar einen eigenen Minister für seine Bürger im Ausland.“ Im deutschen Regierungsapparat fehle hingegen ein Ansprechpartner für alle Auslandsdeutschen völlig. Daher plädiert der IMH-Leiter für eine „Änderung der deutschen Wahlgesetzgebung nach italienischem Vorbild“.

Stellungnahme des Aussiedlerbeauftragten

Anlässlich dieser Kritik hat der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Dr. Bernd Fabritius, MdB, auf Anfrage der Siebenbürgischen Zeitung nachfolgende Stellungnahme zum Wahlrecht für Auslandsdeutsche abgegeben.

„Ein Auslandsdeutscher ist gemäß § 12 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Bundeswahlgesetzes auf Antrag wahlberechtigt, sofern er nach Vollendung seines vierzehnten Lebensjahres mindestens drei Monate ununterbrochen in der Bundesrepublik Deutschland eine Wohnung innegehabt oder sich sonst gewöhnlich aufgehalten hat und dieser Aufenthalt nicht länger als 25 Jahre zurückliegt. Diese Regelung ist am 3. Mai 2013 aufgrund eines Gesetzentwurfes aller Fraktionen des Deutschen Bundestages (Bundestagsdrucksache 17/ 11820) nach einem einstimmigen Beschluss des Deutschen Bundestages und des Bundesrates in Kraft getreten. Diese Neuregelung war notwendig geworden, nachdem das Bundesverfassungsgericht die zuvor geltende Regelung zum Wahlrecht der Auslandsdeutschen unter anderem deswegen aufgehoben hatte, weil sie auch Personen, die ohne Aufenthalt in Deutschland keine Kenntnisse über und Betroffenheit durch die politischen Verhältnisse in Deutschland haben, das Wahlrecht zuerkannte.

Im Regelfall muss ein im Ausland lebender Deutscher also lediglich bei seiner letzten Wohnsitzgemeinde in Deutschland die Eintragung in das Wählerverzeichnis beantragen und bekommt dann automatisch die Briefwahlunterlagen zugesandt. Bei entfernten Ländern, bei denen lange Postlaufzeiten zu befürchten sind, wird den Auslandsdeutschen die Beförderung der Briefwahlunterlagen mit der Botschaftspost angeboten, um eine rechtzeitige Wahlteilnahme zu gewährleisten.

Die Eintragung in das Wählerverzeichnis und die Briefwahlunterlagen können von den Wahlberechtigten frühzeitig beantragt werden und werden von den Gemeinden verschickt, sobald die Kandidaten auf den Landeslisten und in den Wahlkreisen zugelassen und die Stimmzettel gedruckt sind (in der Regel sieben bis acht Wochen vor der Wahl). Auf das Verfahren und die Notwendigkeit der frühzeitigen Antragstellung wird von den Botschaften in örtlichen Zeitungen und im Internet hingewiesen. Im Antragsformular sind lediglich der Name, das Geburtsdatum, die Pass- oder Ausweisnummer und die frühere Meldeadresse in Deutschland anzugeben sowie die wahlrechtsbegründenden Tatsachen an Eides statt zu versichern. Das ist nicht übermäßig komplex, zumal die einzelnen Punkte in einem Merkblatt erläutert werden. Auf die Stellung eines Antrags kann nicht verzichtet werden, weil sich die Wahlberechtigung und die aktuelle Anschrift für die Zusendung der Briefwahlunterlagen bei Auslandsdeutschen nicht wie bei den im Inland gemeldeten Deutschen aus den Melderegistern ergeben, denn es gibt kein Melderegister und keine Meldepflicht für Auslandsdeutsche.

In dem Regelfall, dass ein Wahlberechtigter irgendwann einmal in den letzten 25 Jahren für drei Monate in Deutschland gemeldet war, erfolgt die Eintragung in das Wählerverzeichnis auf Antrag hin ohne Begründung. Aber auch für deutsche Staatsangehörige, die vor mehr als 25 Jahren (oder vor ihrem 14. Lebensjahr) fortgezogen sind, ist seit 2013 ein Weg eröffnet, um an den deutschen Wahlen teilnehmen zu können:

Auch in dem Fall, dass der Fortzug ins Ausland länger als 25 Jahre zurückliegt oder der deutsche Staatsangehörige noch nie in Deutschland gelebt hat, ist dieser nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts und der Neuregelung von 2013 dann wahlberechtigt, wenn er aus anderen Gründen persönlich und unmittelbar Vertrautheit mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland erworben hat und von ihnen betroffen ist (§ 12 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 Bundeswahlgesetz). In dem durch alle Auslandsdeutschen zu stellenden Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis sind in diesem Fall zusätzlich diejenigen Angaben zu machen, die seine Vertrautheit mit und seine Betroffenheit von den politischen Verhältnissen in Deutschland im Sinne des § 12 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 des Bundeswahlgesetzes begründen. Das heißt beim Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis muss in diesem Ausnahmefall lediglich dargelegt werden, aus welchen Gründen der Antragsteller mit den politischen Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland vertraut und von ihnen betroffen ist.

Dies wird nach den in den vom Bundesministerium des Innern den Wahlbehörden zur Verfügung gestellten Anwendungshinweisen sowie dem Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis beigefügten Merkblatt zum Beispiel häufig dann anzunehmen sein, wenn ein früherer, wenn auch länger als 25 Jahre zurückliegender Wohnsitz in Deutschland oder frühere, wenn auch nicht mindestens drei Monate dauernde Aufenthalte in Deutschland, eine berufliche Tätigkeit für deutsche Institutionen im Ausland, Einkünfte als ­Arbeitnehmer, Rentner oder Pensionär aus Deutschland, Eigentum in Deutschland, die Mitgliedschaft in deutschen Parteien, Verbänden oder sonstigen Organisationen, die am politischen Leben in Deutschland teilnehmen oder die Eintragung in das Wählerverzeichnis der Fortzugsgemeinde bei vorangegangenen Wahlen und Abstimmungen in Deutschland vorliegen. Das vielfältige Engagement von Auslandsdeutschen in Vereinen und Organisationen, die einen intensiven Austausch mit Deutschland pflegen, kann daher ein Umstand sein, der im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen zur Feststellung der Wahlberechtigung beiträgt.

Dass eine Person, die im letzte Vierteljahrhundert niemals für drei Monate in Deutschland gelebt hat oder aus anderen Gründen darlegen kann, dass sie minimale Kenntnisse der politischen Verhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland besitzt, in Wahlen Staatsgewalt ausübt (Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes) und über die Zusammensetzung des Deutschen Bundestages mitentscheidet, ist nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgesetzgebers nicht möglich.“

CS

Schlagwörter: Wahl, Wahlrecht, Auslandsdeutsche, Internationale Medienhilfe, Bernd Fabritius, Aussiedlerbeauftragter

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