2. Juli 2022

Schwangerschaftsabbruch: Konträre Entscheidungen in den USA und Deutschland

Berlin / Washington – Der seit Jahren umkämpfte Paragraf 219a des Strafgesetzbuches existiert nicht mehr. Danach drohte Ärztinnen und Ärzten, die über Schwangerschaftsabbrüche öffentlich ausführlich informieren wollten, Strafverfolgung. Der Bundestag hat am 24. Juni, nach einer äußerst emotional geführten Debatte, mit breiter Mehrheit die Abschaffung des Werbeverbots für Abtreibungen beschlossen. Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sagte, es sei „höchste Zeit“ für die Gesetzesänderung. Das Gesetz muss formal noch den Bundesrat passieren.
Der Bundestagsabstimmung vorausgegangen war der jahrelange Rechtsstreit Kristina Hänels. Die 65-Jährige Gießener Frauenärztin war 2017 vom Amtsgericht Gießen zu einer hohen Geldstrafe verurteilt worden, weil sie auf ihrer Internetseite Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen veröffentlicht hatte. Hänel brachte ihren Fall, der in Deutschland eine breite Debatte ausgelöst hat, bis vor das Bundesverfassungsgericht. Aufgrund der Streichung von Paragraf 219a soll Kristina Hänel nun wie zahlreiche andere Medizinerinnen und Mediziner rehabilitiert werden.

Ebenfalls am 24. Juni hat das oberste Gericht der Vereinigten Staaten das seit 50 Jahren bestehende landesweite Recht auf Abtreibungen gekippt. Der mehrheitlich konservativ besetzte Supreme Court in Washington hat sein historisches Urteil von 1973 zur Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs (Roe v. Wade) aufgehoben. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes gibt Staaten die Befugnis, Schwangerschaftsabbrüche per Gesetzgebung illegal zu machen. In unmittelbarer Folge wurden bereits in zehn US-Bundesstaaten Abtreibungen verboten.

Das Urteil des Supreme Court löste in der ohnedies stark polarisierten US-amerikanischen Gesellschaft heftige Kontroversen aus. Während konservative Abtreibungsgegner die Entscheidung demonstrativ feierten, bekundeten Befürworterinnen und Befürworter des Rechts auf freie Entscheidung ihre Entrüstung und Wut. US-Präsident Joe Biden bezeichnete das Urteil als „tragischen Fehler“. Die Entscheidung habe den Frauen ein verfassungsmäßiges Recht „weggenommen“.

Kritik an dem umstrittenen Urteil des obersten US-Gerichts äußerte auch der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz. Auf Twitter schrieb Scholz: „Frauenrechte sind bedroht. Wir müssen sie konsequent verteidigen.“

Publizistin Kelle provoziert mit Kommentar

Zwei richtungweisende Entscheidungen an ein und demselben Tag. Aus Sicht der siebenbürgischen Publizistin Birgit Kelle ist der Bundestagsbeschluss kein Anlass zur Freude, im Gegenteil.
Birgit Kelle (2011). Bildquelle: Birgit Kelle, CC ...
Birgit Kelle (2011). Bildquelle: Birgit Kelle, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=23604626
Die Katholikin und Kritikerin eines liberalen Abtreibungsrechts kommentierte die Streichung des Paragrafen 219a auf Twitter hämisch: „Ja wunderbar, endlich darf man für die Tötung eines Menschen offiziell werben.“

Demgegenüber begrüßt die in Heltau geborene freie Journalistin das Urteil des Supreme Court in Washington. In einem Meinungsartikel für die Schweizer Wochenzeitung Weltwoche schreibt Kelle: „Der Applaus im Deutschen Bundestag war noch nicht ganz abgeebbt, nachdem die Ampel-Koalition am Freitag das Werbeverbot für Abtreibung nach §219a in Deutschland kippte, da schwappte die Nachricht über den atlantischen Teich, dass der Oberste Gerichtshof der USA heute das historische Abtreibungsurteil ‚Roe vs Wade‘ für nichtig erklärt hat. Während man in Deutschland also progressiv an der fachmännischen und legalen Tötung ungeborenen Lebens arbeitet und historisch betrachtet das erste Mal offen für eine Straftat geworben werden darf, ist man in den USA auf Werkseinstellung zurück. Linke Feministinnen sind in Tränen. ‚Frauenrechte‘ im Backlash! Man wartet stündlich auf öffentliche BH-Verbrennungen.“ Auf ihrem Twitter- Account erhielt Birgit Kelle für ihre Äußerungen zur aktuellen Abtreibungsdebatte zahlreiche kritische Reaktionen.

Christian Schoger

Schlagwörter: Frauenrechte, Abtreibung, USA, Deutschland, Kelle

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