5. Oktober 2025

Aller guten Dinge sind ….? Zweiter Versuch, den Broad Peak (8047 m) zu besteigen

Nach der gescheiterten Expedition auf einen Berg über 8.000 Meter im Jahr 2024 (siehe SbZ Online vom 12. Februar 2025) verschwendet Klaus Petzak in den darauffolgenden Monaten keine Gedanken mehr daran. Er ist nur noch froh, dass er den Mut hatte, die Besteigung abzubrechen. Im Folgenden berichtet er über seinen zweiten Versuch, den Broad Peak (8.047 m) zu besteigen.
Klaus Petzak mit dem Wappen von Siebenbürgen vor ...
Klaus Petzak mit dem Wappen von Siebenbürgen vor dem K2, dem zweithöchsten Berg der Welt. Foto: Sabrina Filzmoser
Zu Hause macht sich die Bronchitis vom Berg noch eine Zeit bemerkbar. Im Herbst 2024 und im Winter bin ich immer wieder in den Bergen unterwegs, versuche aber eine Balance zwischen dem Familienleben und den Bergen zu halten. Als ich im Frühjahr merke, dass ich konditionell wieder fit bin, kommt mir die Idee, erneut einen Versuch zu wagen. Die Zustimmung meiner Frau Daniela ist mir wichtig und schnell eingeholt. Schwieriger ist es, die benötigten sieben Wochen in der Arbeit freizubekommen. Nachdem ich mit meinem Vorgesetzten die Projektplanung durchgehe und meine Urlaubstage zähle, finden wir eine gemeinsame Lösung. Ihm und den Kollegen, die meine Aufgaben übernehmen, bin ich dafür sehr dankbar.

Anfang Mai nehme ich Kontakt mit Karakorum Expeditions auf, dem Veranstalter, mit dem ich letztes Jahr unterwegs war. In wenigen Tagen habe ich die Papiere und kann elektronisch ein Visum für Pakistan beantragen. Den Flug buche ich mit der Zuversicht, dass es mit dem Visum klappt. Dieses Jahr lege ich mehr Wert auf die körperliche Vorbereitung und weniger auf die perfekte Ausrüstung. Bei jeder Heimfahrt aus der Arbeit in Österreich mache ich einen schnellen Umweg in die Berge.

Am Abend des 22. Juni 2025 bringt mich Daniela nach München zum Flughafen. Wie immer habe ich gemischte Gefühle beim Abschied: Wehmut, dass ich fast zwei Monate fern von der Familie bin, sowie Freude und Ehrfurcht vor dem bevorstehenden Abenteuer. Nach einem Zwischenstopp in Abu Dhabi lande ich in Islamabad und werde am Flughafen von einem Fahrer erwartet. Nach einem Zwischenstopp in der größten Mall des Landes zum Geldwechseln fahren wir ins Hotel, wo ich John, einen freundlichen Australier, kennenlerne, der mit dem gleichen Veranstalter den K2, den zweithöchsten Berg der Welt, besteigen will. Am Vormittag des nächsten Tages fliege ich nach Skardu, wo ich die weiteren Bergsteiger kennenlerne, die Teil dieser Expedition sind. Wir sind eine international gemischte Truppe: Bouchra aus Marokko, Sita, Hetal, Neel und Hemal aus Kenia. Die achte Teilnehmerin, Sabrina aus Österreich, ist schon mit dem Fahrrad nach Askole, der letzten menschlichen Siedlung, gefahren, nachdem sie aus Karachi über 2.000 km mit dem Fahrrad angereist ist. Stefano, ein Bergsteiger aus Italien, wird den Anmarsch zusammen mit uns gehen, aber dann den Gasherbrum 2, einen anderen Achttausender in der Region, besteigen. Ebenfalls hier treffen wir Hamza, unseren jungen sympathischen Begleitoffizier. Aus Traditionsgründen wird jeder Expedition ein Offizier der pakistanischen Armee zugeteilt, der diese begleiten muss. In Skardu mache ich noch ein paar letzte Besorgungen, bevor wir am 26. Juni mit mehreren Jeeps die 70 km nach Askole starten. Zuerst geht die Fahrt über geteerte Straßen, entlang des Shigar Flusses, durch eine beeindruckende Wüstenlandschaft. Zum Schluss fahren wir über einen staubigen und steinigen Weg, entlang des wilden Braldu Flusses, teilweise in schwindelerregenden Kehren und abenteuerlichen Flussquerungen, für die wir sieben Stunden brauchen.
Broad Peak vom K2 Basislager gesehen, Bild aus ...
Broad Peak vom K2 Basislager gesehen, Bild aus Klaus Petzaks eigenem Video.
Am nächsten Morgen starten wir unseren Anmarsch in Richtung Basislager. Wir die Bergsteiger gehen meistens nur mit leichtem Gepäck. Unsere Ausrüstung für den Berg, die Zelte und das Essen bringen Träger und Mulis nach oben. Ohne deren Hilfe hätten wir keine Chance, den Berg zu besteigen. In sieben Tagen geht es von 3.000 m zuerst in der Hitze 32 km entlang des Braldu Flusses, dann 40 km über den Baltoro Gletscher und zum Schluss 8 km über den Godwin Austen Gletscher in das Basislager auf 4.800 m. Hier angekommen gibt es ein lautes Hallo beim Treffen mit den pakistanischen Bergführern, die sich freuen, dass ich wieder gekommen bin. Sie zeigen Verständnis für die Entscheidung, letztes Jahr die Expedition abgebrochen zu haben, und sind der Meinung, es sei weise gewesen. Die Bergführer und Sabrina sind früher angereist und haben Fixseile bis ins Lager 2 auf 6.200 m gelegt. Sie haben schlechte Nachrichten für uns. Da es einen schneearmen Winter gab, liegt im unteren Bereich der Berge wenig Schnee, wodurch die Steinschlaggefahr sehr hoch ist.
Broad Peak - Lager 2 mit Blick zum Gipfelbereich, ...
Broad Peak - Lager 2 mit Blick zum Gipfelbereich, Bild aus Klaus Petzaks eigenem Video.
Nach zwei Tagen, an denen wir uns mit leichten Spaziergängen an die Höhe gewöhnen, starten wir den Aufstieg ins Lager 1 auf 5.800 m. John ist mit einem Bergführer und einem Träger in Richtung K2 unterwegs. Alle anderen steigen mit ihren Bergführern und Höhenträgern ins Lager 1 am Broad Peak. Bouchra und Sabrina planen, den Broad Peak zu besteigen und nach einer Rast im Basislager auch den K2 in Angriff zu nehmen. Da ich ohne Bergführer und Höhenträger mit eigenen Zelten unterwegs bin, kann ich nicht die ganze Ausrüstung hochtragen. Deshalb bringe ich nur ein Zelt ins in Lager 1, deponiere die Verpflegung für mehrere Tage darin und steige nach einer Rast wieder ab. Alle anderen Teilnehmer bleiben zur besseren Höhenanpassung eine Nacht im Lager und steigen am nächsten Tag ab. Bei diesem Auf- und Abstieg gibt es die ersten „Kostproben“ vom Steinschlag. Beim Aufstieg fällt mir ein faustgroßer Stein auf den Helm und beim Abstieg streifte mich ein zweiter oberhalb des rechten Knies. Am späten Abend erreiche ich den Rand des Gletschers, der in Richtung Basislager gequert werden muss. Mirza, der Expeditionsleiter, hat einen der Küchenjungs geschickt, um mit Cola und Keksen auf mich zu warten. In der Dunkelheit erreichen wir das Lager. Die nächsten Tage plane ich einen Aufstieg ins Lager 1, um dort zu schlafen, aber schlechtes Wetter lässt keinen Aufstieg zu. Erst eine Woche nach dem ersten Aufstieg starten wir alle zu einer zweiten Akklimatisierungsrunde. Die meisten Teilnehmer und ihre Bergführer steigen ins Lager 2 auf. Hemal, sein Bergführer und ich bleiben im Lager 1, um dort zu schlafen. Das schlechte Wetter der vorangegangenen Tage hat Bergsteiger aus Polen in der Höhe auf Lager 3 überrascht. Als sie den Abstieg wagen, tritt einer von ihnen eine Lawine los und bricht sich das Bein. Ein Team von Sherpas steigt auf, um den Verletzten zu bergen. Beim Abstieg machen sie kurz Rast bei uns und steigen danach weiter ab. Am nächsten Tag wollen wir ins Lager 2 aufsteigen, doch nach dem Neuschnee der Nacht und dem Schneefall am Morgen erscheint uns das Risiko zu hoch und wir entscheiden, wieder abzusteigen.

Am nächsten Tag erfahre ich, dass eine Ärztin aus Rumänien im Basislager eines anderen Veranstalters ist. Ich spaziere über Geröll in das Lager, um sie nach der Medikation für einen entzündeten Finger zu fragen. Im Lager angekommen, treffe ich Laura, die Ärztin, Justin und Marius, zwei andere rumänische Bergsteiger, die schon mehrere 8 000er bestiegen haben. Zusammen gehen wir in ein drittes Lager, wo László ein weiterer Bergsteiger aus Rumänien, ist. Den Tag verbringen wir ganz gemütlich zusammen. Auch an den nächsten Tagen mit schlechtem Wetter treffen wir uns beim gemeinsamen Mittagessen.
Broad Peak - Klaus Petzak auf dem Weg zum Lager ...
Broad Peak - Klaus Petzak auf dem Weg zum Lager 3, Bild aus eigenem Video.
Nach weiteren fünf verregneten Tagen starte ich alleine, um ein Zelt und Essen ins Lager 2 hochzutragen und wenn das Wetter hält, auch oben zu schlafen. Ich steige auf bis ins Lager 1 auf 5.800 m und bleibe eine Nacht dort. Außer mir ist hier nur ein amerikanischer Bergsteiger mit seinem Bergführer. Über Funk bekommen wir mit, dass am K2 eine Lawine losging, ein Bergführer verstorben ist und mehrere Bergsteiger verletzt wurden. In der Nacht mache ich mir auch Sorgen wegen den Schneeverhältnissen und schlafe mehr schlecht als recht. Am Morgen, als ich mir, im Schlafsack liegend, das Frühstück vorbereite, sehe ich die vier rumänischen Bergsteiger zusammen mit Ryan, einem amerikanischen Bergfreund, aufsteigen. Nach einer kurzen Rast gehen sie in Richtung Lager 2 und nach geraumer Zeit folge ich ihnen. Die nächsten Stunden arbeite ich mich an den Fixseilen hoch. Im Lager 2 auf 6.200 m angekommen, finde keinen geeigneten Platz für das Zelt. Über zwei Stunden arbeite ich, um eine flache Stelle im Geröll zu erweitern und das Zelt aufzustellen. Da ich keinen Schlafsack, keine Luftmatratze und keinen Kocher dabei habe, will ich wie geplant absteigen, um am nächsten Tag wieder hochzukommen. Justin gibt mir einen Schlafsack und überzeugt mich oben zu bleiben. Am Morgen nutze ich das gute Wetter und weil ich keine Probleme mit der Höhe habe, entscheide ich weiter aufzusteigen. Ich gehe den Tag etwas gemütlich an und starte erst gegen 7.30 Uhr. Als ich eine Höhe von 6.500 m erreiche und in der Nähe des unteren Lager 3 bin, beginne ich mit dem Abstieg. Im Lager 2 kommt mir Sabrina mit den Bergführern von Karakorum Expeditions entgegen. Sie bringen Seile nach oben, um später den weiteren Weg zum Gipfel zu versichern. Ich steige weiter ab. Im Lager 1 hatte ich auch keinen guten Platz für mein Zelt gefunden und sehe, jetzt ist einer frei. Ich verlege das Zelt und steige weiter ab. Der Schnee der letzten Tage ist stark geschmolzen. Überall tritt Schotter und Geröll hervor. Als ich über ein großes Schneefeld absteigen muss, sehe ich, dass dieses dem Steinschlag sehr stark ausgesetzt ist. Steine in verschiedenen Größen und Mengen fegen über den Schnee. Zwei kleine Bäche haben tiefe Furchen in den Schnee und in den Schotter gegraben. Mir erscheint das Risiko zu hoch, weiter abzusteigen. Im oberen Bereich des Schneefeldes ist ein überhängender Felsen, der mich vor Steinschlag schützt. Unter dem setze ich mich hin und warte. Ich bin allein. Weit und breit ist niemand zu sehen. Nur der K2 steht majestätisch meinem „Logenplatz“ gegenüber. Es ist ein eigenartiges Gefühl, allein an so einem großen Berg zu sein. Kurz vor Sonnenuntergang hört der Steinschlag auf. Ich informiere das Basislager über Funk, dass ich weiter absteige. Für die letzten Seillängen, die ich abseile, muss ich die Stirnlampe einschalten. Unten angekommen, steige ich seitlich über Geröll und Sand an ein paar wassergefüllten Gletscherspalten vorbei. Per Funk informiert mich das Basislager, dass vier Höhenträger absteigen. Ich warte auf sie und wir queren gemeinsam den Gletscher, wobei sie immer wieder auf mich warten müssen, da ich sehr müde bin. Schlussendlich kommen wir wieder im Dunkeln im Basislager an, wo uns die Küchenmannschaft mit Essen und Getränke empfängt.

Weitere fünf Tage Schlechtwetter vergehen. Langsam machen wir uns Gedanken, wie es weiter gehen soll. Ich verbringe erneut etwas Zeit in Gesellschaft der rumänischen Bergsteiger. Sie haben nicht mehr ausreichend Zeit, um auf gutes Wetter zu warten und einen Gipfelversuch zu starten. Wir habe zwei Wetterberichte. Einer sagt zweieinhalb Tage schönes Wetter und einer sagt mehrere Tage schönes Wetter voraus. Wir entscheiden, einen Versuch zu wagen. John gibt die Besteigung des K2 auf. Seiner Meinung nach sind die Verhältnisse zu gefährlich. Oben herrscht hohe Lawinengefahr und unter 6.000 Meter ist die Steinschlaggefahr zu hoch.

Am 26. Juli starten wir bei nicht besonders gutem Wetter erneut mit dem Aufstieg. Als wir das große Schneefeld mit dem Steinschlag erreichen, fängt es an zu schneien. Wir machen wieder Halt für eine Nacht im Lager 1. Als wir am nächsten Morgen den Aufstieg in Richtung Lager 2 starten, ist der Himmel wolkenfrei. Ich treffe Justin, der sich im Abstieg befindet. Er hat die ganze Ausrüstung aus dem Lager 2 eingepackt und steigt ab. Wir verabschieden uns. Marius und László wollen am nächsten Tag ins Lager 3 aufsteigen, um die Sachen aus dem Lager einzusammeln. Kurz vor dem Erreichen des Lagers setzt erneut Schneefall ein. Oben angekommen, habe ich eine Überraschung. Mein Zelt hat zehn Löcher verschiedener Größen. Marius hat mich gewarnt. Auf dieser Höhe sind Raben unterwegs, auf der Suche nach Nahrung. Dabei picken sie Löcher in die Zelte, um an die Lebensmittel zu kommen. Zum Glück habe ich Reparaturflicken dabei. Ich brauche fast zwei Stunden in der Kälte, um die Flicken zurechtzuschneiden und das Zelt zu reparieren. Aus Gewichtsgründen habe ich keinen Schlafsack mitgenommen. Für die Nacht ziehe ich meinen Daunenanzug und die Daunensocken an, krieche in den Hüttenschlafsack aus Seide, und in meinen Biwaksack. In der Nacht schlafe ich sogar besser als im Basislager. Was mir Sorgen bereitet, ist das Wetter. Die ganze Nacht hat es gestürmt, und am Morgen weht weiter ein kalter Wind. Anscheinend passt der Wetterbericht mit den vielen Tagen Schönwetter nicht. Das bedeutet, wir haben den heutigen Tag, die Nacht und morgen einen halben Tag, um den Gipfel zu erreichen und wieder abzusteigen, bevor das schlechte Wetter wieder einsetzt. Ich rechne nach: Ich brauch bestimmt 6-8 Stunden, um ins Lager 3 mit der gesamten Ausrüstung aufzusteigen. Dann habe ich vielleicht 3-4 Stunden Ruhe und muss am Abend den Gipfelaufstieg starten. Da ich ohne künstlichen Sauerstoff aufsteige, bin ich auf jeden Fall langsamer als die Bergsteiger mit Sauerstoff. Wenn das schlechte Wetter etwas früher als vorausgesagt einsetzt, stecke ich in der Klemme. Würde das bessere Wetter einen Tag mehr anhalten, könnte der Gipfel in Angriff genommen werden. Bei dem kurzen Wetterfenster macht es aus meiner Sicht keinen Sinn, weiter aufzusteigen. Neel, einer der kenianischen Bergsteiger ist wegen starker Kopfschmerzen schon im Lager 1 umgekehrt. Hemal ist der nächste Kenianer, der entscheidet abzusteigen. Die Entscheidung zur Umkehr fällt mir schon schwer.

Ich packe alles zusammen und während die anderen aufsteigen, beginne ich abzuseilen. Im Lager 1 baue ich das zweite Zelt ab, packe es mit der zurückgelassenen Ausrüstung auf meinen Rucksack und steige mit 24 kg auf dem Rücken weiter ab. Auf meiner „privaten Loge“ unter dem überhängenden Felsen warte ich erneut, dass der Steinschlag weniger wird. Als die Sonne hinter einer großen Wolke verschwindet und der Steinschlag nachlässt, beginne ich wieder abzusteigen. Dummerweise schaffe ich nur die Hälfte des Schneefeldes, als die Wolke die Sonne wieder frei gibt. Die wenigen Minuten bis zum Einsetzen des Steinschlages nutze ich maximal aus und laufe fast nach unten. Kurz bevor ich eine sichere „Geröllinsel“ unterhalb des Schneefeldes erreiche, setzt der Steinschlag wieder massiv ein. Ich habe Glück. Ich muss nur wenigen Steinen ausweichen. Ich melde mich per Funk, dass ich die gefährliche Stelle passiert habe, und bekomme die Information, dass Sabrina und Arshad, der stärkste der Bergführer, auch absteigen. Ich sehe sie oberhalb des Schneefeldes und steige aber weiter ab, um weiter unten unter einem überhängenden Felsen auf sie zu warten. Weiter geht es abwärts über Felsen und Schutt. Teilweise hängt das Seil in einem kleinen Wasserfall, der beim Aufstieg nicht da war. Unter dem Felsen warte ich auf die zwei. Sie überholen mich und warten am Ende der Fixseile auf mich. Wieder wartet Unterstützung auf uns, um uns die Querung des Gletschers zu erleichtern. Ich bin sehr müde und langsam. Arshad gibt Suher, dem Küchenjungen, seinen Rucksack und er nimmt meine zwei Zelte vom Rucksack ab und trägt diese. Ich habe kurz den Eindruck, mir sind Flügel gewachsen. Eine gewisse Traurigkeit setzt ein, bei der Gewissheit, dass wir keine Chance mehr haben, den Gipfel zu erreichen.

Am nächsten Tag, am 30. Juli erreicht uns die Nachricht, dass Laura Dahlmeier einen Unfall hatte. Die Nachricht macht uns sehr betroffen, relativiert zugleich unser Scheitern. Wir sind in einem benachbarten Tal ca. 20 Kilometer weit entfernt. Wir können alles nachvollziehen und sind sehr traurig. Es regnet den ganzen Tag. Ich setze mich ins Essenszelt, höre ruhige Musik und lasse die Gedanken schweifen. Dass ich den Gipfel nicht erreicht habe, ist auf einmal unwichtig. Ich bin heilfroh, überlebt zu haben. Am nächsten Tag machen ein paar von uns einen Ausflug zum Memorial Monument. Das ist eine Gedenkstätte am Fuße des K2 für die im Karakorum verstorbenen Bergsteiger. Sabrina hat jedem der drei Österreicher eine Mozartkugel dagelassen. Ich will Mihai Cioroianus Gedenktafel besuchen. Er ist 1999 am K2 durch Steinschlag verunglückt. Ich hatte ihn 1987 unter seinem Spitznamen Galiani kennen gelernt. Er hatte mir beim Klettern in Rumänien einen Helm geschenkt.

Am 2. August treten wir den Weg zurück in die Zivilisation an. Das Ziel der ersten Etappe sollte das Lager Goro 1 sein. Da jeder in seiner Geschwindigkeit geht und ich keine Pause mache, bin ich schon um 14.00 Uhr im Lager. Es fängt an zu regnen. Ich warte, da aber niemand erscheint und das Lager ein Problem mit fehlendem sauberem Trinkwasser hat, entscheide ich, weiter nach Urdukas abzusteigen. Dort gibt es sauberes Wasser, Toiletten, gute Zeltplätze und sogar frisches Gras für die Mulis. Für den Notfall habe ich die Isomatte, den Biwaksack und die Daunenjacke dabei. Ich kann mich unter einen überhängenden Felsen zum Schlafen legen. Zu meiner Überraschung kommen doch alle hinterher. Die meisten Bergsteiger, Träger und Mulitreiber freuen sich über die Übernachtung in diesem Lager. In zwei weiteren Tagen steigen wir nach Askole ab, von wo wir am dritten Tag die Fahrt nach Skardu antreten. Die Fahrt endet vorerst nach wenigen Kilometer, da eine Brücke beschädigt ist und nicht mehr mit Fahrzeugen befahren werden kann. Auf der anderen Seite des Flusses steigen wir in andere Jeeps um und erreichen am frühen Nachmittag die Stadt. Die nächsten zwei Tage verbringen wir mit Wäsche waschen, Geschenke einkaufen und einem gemeinsamen Abendessen mit den Bergführern und den fleißigen Helfer, die versucht haben, unseren Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Hier trennen sich nach sieben Wochen unsere Wege. Sita, Hetal, Hemal und Neel fliegen früher nach Islamabad, weil ihre Flüge nach Hause auch früher als unsere gehen. Sabrina hat als Botschafterin des Internationalen Olympischen Komitees noch viele Tätigkeiten zur Förderung des Frauensports in Pakistan zu erledigen und bleibt in Skardu (siehe Interview in Der Standard). Bouchra, Hamza und ich folgen am nächsten Tag und verbringen zusammen mit Stefano, der auch schon früher zurückgeflogen ist, noch ein paar Tage als Touristen in Islamabad. Auf dem Flug nach Hause stelle ich mir die Frage, ob ich nächstes Jahr einen dritten Versuch wagen soll. Es ist aber noch zu früh, um eine Entscheidung zu treffen. Zuerst muss ich das Erlebte verarbeiten. Nach sieben Wochen Abenteuer freue ich mich erstmal, wieder zu Hause anzukommen.

Klaus Petzak

Schlagwörter: Bergsteigen, Petzak, Bergtour, Pakistan

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