14. Januar 2006

Warum ist der Zibin männlich und die Kokel weiblich?

Die Beantwortung der Frage, warum manche Flüsse grammatikalisch männlich sind und andere weiblich, ist nicht einfach. Zuerst muss festgestellt werden, dass Flussnamen zu den ältesten Schichten der Sprache gehören. Somit könnte es für das Geschlecht der Flüsse wesentlich sein, wann, aus welchem Zeitalter die betreffende Benennung stammt. Ob das mit dem Geschlecht etwas zu tun hat, bleibt unsicher.
Die Untersuchung der Beziehung zwischen Bedeutung bzw. Sinn der Flussbezeichnung (sprachliche Ableitung des Namens) und des grammatikalischen Geschlechts könnte zu neuen Erkenntnissen führen. Kokel ist z. B. ein keltischer Flussname und wurde zum indogermanischen keuk = sich biegen, sich krümmen; "die Krumme", "die sich Krümmende, sich Windende"; Coculata = Kockel. Die Geschlechtsunterschiede der Flussbezeichnungen sind selbstverständlich auch außerhalb von Siebenbürgen festzustellen, wahrscheinlich weltweit. Zudem stimmen sie in Siebenbürgen auch in der deutschen und rumänischen Benennung überein (Kokel - Târnava, Alt - Oltul, Donau - Dunărea, Mieresch - Mureșul etc.). Weltweit festzustellende Geschlechtsunterschiede: der Rhein, der Main, aber die Elbe, die Weser, die Oder; die Wolga, aber der Don. Loire, Rhône, Schelde sind alle weiblich; der Nil männlich.

Nun heißt es, hervorstechende bzw. "wichtige" Flüsse und Ströme seien Maskulinum, die anderen Femininum. Dazu das klassische Beispiel: Der Rhein, der deutsche Fluss schlechthin, ist natürlich männlich; der Zibin spielt eine größere Rolle als die Kokel, gibt es doch gar eine Theorie, dass selbst der Namen Siebenbürgen vom Zibin abgeleitet ist: Zibinburgen. Auch Stephan Ludwig Roth vertrat diese Meinung. Wichtiger als die Kokel sind der Alt und der Mieresch, ebenfalls der Somesch (Szamos). Nach dieser Theorie wäre dann auch die Burzen weniger wichtig - obwohl sie dem ganzen Burzenland den Namen gibt! In vollem Widerspruch zu dieser spektakulären Theorie steht die Donau, die an Wichtigkeit dem Rhein nicht nachsteht und doch zum Femininum "herabgesetzt" wird. Fazit: Die eingangs formulierte Frage ist beim heutigen Wissensstand nur unbefriedigend zu beantworten und die angeführten Beispiele von nur relativer Gültigkeit.

Walter Roth

Schlagwörter: Sprachgeschichte

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