16. Dezember 2009

"Flucht aus dem Reich Ceaușescus"

Karl Rudolf Brandsch hat kürzlich in den Gesamtschulen Helene Lange und Flötenteich in Ol­denburg als Zeitzeuge über seine Flucht aus Rumänien berichtet. 1970 war er 40 Kilometer im Gummianzug, mit Schwimmflossen und selbstgebautem Faltboot im Fluss Timisch geflüchtet.
Der 1931 in Kronstadt Geborene gab den wiss­­begierigen Schülern Auskunft über die Sta­tio­nen seines Leidensweges: aus dem nach Ende des verlorenen Weltkrieges kommunistischen und später unter der Ceaușescu-Diktatur leidenden Rumänien flüchtete er 1970 nach Ju­go­s­lawien, wurde dort gefangen, eingekerkert und gefoltert, an Rumänien ausgeliefert, wo er zu Gefängnis und Zwangsarbeit verurteilt wurde, wieder frei und gedemütigt, dann durfte er jedoch ausreisen und erlebte die unfassbare Freiheit in Deutschland.

Zum Vortrag eingeladen hatte ihn der „För­derverein internationales Fluchtmuseum e.V.“. Die Dokumentationen und Bildungsprojekte wer­den vom Kulturbüro der Stadt Oldenburg unterstützt. Organisiert und begleitet von Ulrich Hartig als Vertreter des Fördervereins, hielt der Siebenbürger Sachse Vorträge in den beiden Schu­­len. Die Schüler hatten zuvor die Aus­stel­lung „Flucht über die Ostsee“ besucht, um sich über Grenzen und Flüchtlinge zu informieren. Geöffnet war die Ausstellung im Juli und August, dazu wurden Vorträge und Lesungen über gelungene und miss­glückte Fluchtversu­che ge­halten, Filme vorgeführt und darüber diskutiert.
Oldenburger Schüler informieren sich in einer ...
Oldenburger Schüler informieren sich in einer Ausstellung über Fluchtversuche aus dem Osten. Karl-Rudolf Brandsch (links unten) berichtete in Schulen von seiner Flucht. Fotomontage: Gerards/Nordwest-Zeitung
Es ist in der Öffentlichkeit kaum bekannt, dass mehr als 5 600 Menschen in der Zeit zwischen Mauerbau und Mauerfall versuchten, über die abgeschottete Ostseeküste Mecklenburg-Vor­pommerns an die bundesdeut­­sche oder skandinavische Küste zu gelangen. Über 900 Per­­sonen erreichten ihr Ziel, die anderen wurden von Grenz­bri­gaden aufgegriffen und inhaf­tiert. 174 Menschen kamen bei der Flucht ums Leben. Karl Rudolf Brandsch war über­rascht, so aufgeschlossenen und wissbegierigen Schülern zu begegnen. Gemeinsam wurde eine Europakarte ausgerollt und Brandsch zeigte ihnen, wo Sie­ben­bürgen liegt, und berichtete über die Eck­punkte der 850-jährigen Geschichte der Sie­ben­bürger Sachsen, die den Kindern und der Ju­­gend nicht bekannt wa­ren.

„Mucksmäuschenstill war es in der Klasse, und es bewegte mich sehr, in den Augen der Schüler das Mit­erleben und Mitfühlen zu erkennen. Ein Schü­ler trat in der Pause an mich heran und be­dankte sich, dass ich gekommen sei. Da wusste ich, ich habe etwas mitgebracht, das im Ge­dächtnis bleibt und mein Kom­men einen Sinn hatte. Meine Hochachtung vor solchen noch nicht erwachsenen Kindern“, schildert Brandsch seine Ein­drücke gegenüber der Sieben­bürgischen Zeitung.

Über seinen Besuch in den beiden Oldenburger Schulen be­richteten die Nordwest-Zeitung und MZ Oldenburg. Den Anstoß für die Einla­dung hatte sein Buch „Flucht aus dem Reich Ceaușescus. 40 km im Fluß Timisch“ ge­lie­fert, erschienen im November 2004 im Helios Verlag in Aachen, ISBN 3-933608-86-4, Preis 13,60 Euro, zu bestellen in allen Buch­hand­lungen, beim Verlag, Telefon: (02 41) 55 54 26, oder beim Autor, Telefon: (0 22 61) 4 86 38.

Einen Aufsatz zum Thema „Vorgeschichte meiner Flucht im Fluss Timisch“ veröffentlichte Brandsch im 4. Internationalen Jahrbuch des Faltbootsports 2007/2008, das u. a. dem Schwer­punktthema „Flucht mit dem Faltboot – Flucht in die Freiheit“ gewidmet war, herausgegeben von Herbert Kropp, Faltenreich Verlag Oldenburg, 314 Seiten, 20,00 Euro, ISBN 978-3-9811182-1-6. In dem Jahrbuch wurde auch auf Brandschs Buch hingewiesen, das er auf Einladung des Verlags in einer Lesung auf der Leipziger Buch­messe 2007 vorstellen konnte.

Schlagwörter: Flucht und Vertreibung, Kommunismus

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