2. Juli 2004

Der Maisbrei explodiert nicht

Mit seiner jüngsten Veröffentlichung "Glück hat viele Namen" legt Hellmut Seiler fünf Satiren vor, in denen er sich mit dem Alltag im sozialistischen Rumänien unter Ceausescu auseinandersetzt.
Seiler gelingt es, mit wenigen pointierten Worten die Situation zu umreißen und ironisch zu verfremden. Er karikiert den strengen und oft lächerlichen Hang zur Organisation, die Augenwischerei und leeren Versprechungen der Regierung und auch die Versorgungslage in Rumänien. So ist es dem Protagonisten der titelgebenden Geschichte „Glück hat viele Namen“ nur dann möglich, eine tiefgefrorene Ente zu kaufen, wenn er heiratet, da jedem nur eine halbe Ente zusteht. Weil diese aber im tiefgefrorenen Zustand unmöglich geteilt werden kann, wird das selten gesehene Geflügel nur an Ehepaare abgegeben. Der junge Mann will sich die halbe Ente keinesfalls durch die Lappen gehen lassen und sucht unter seinen Kolleginnen eine, die für die andere Entenhälfte einen Ehemann in Kauf nimmt. Von solchen und anderen Absurditäten leben die Satiren Seilers.

In "Organisationsleben" befasst sich der 1953 in Reps geborene Autor mit dem in allen Einzelheiten organisierten öffentlichen Leben. Der Erzähler wird zum Vorsteher einer Jugendorganisation ernannt, der er als einziges Mitglied angehört. Das hält ihn nicht davon ab, regelmäßig Sitzungen abzuhalten, wobei er abwechselnd die Rolle des Vorsitzenden, des Stellvertreters und des Protokollführers übernimmt, Jahresberichte verfasst und dafür sorgt, dass Tätigkeits- und Wirtschaftsplan erfüllt werden. Nach einigen Jahren jedoch fühlt er sich der „enormen Verantwortung“ nicht mehr gewachsen und löst die Organisation - und damit sich selbst - auf.

Seiler braucht keine ausladenden oder komplizierten Worte, um seine Geschichten zu erzählen. Die Begebenheiten sind so grotesk, dass sie für sich selbst sprechen und durch die einfache, nüchterne Sprache noch auf die Spitze getrieben werden. Der Autor prangert die Zustände im sozialistischen Rumänien, die Willkür der Behörden an, verpackt seine Kritik aber so geschickt in die Satire, dass der Leser darüber unwillkürlich lachen muss, auch wenn das gar nicht so lustig ist. Bei aller Heiterkeit handelt es sich um ernste Themen, die zum Nachdenken anregen.

Hellmut Seiler, der bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde, hat mit dem Band „Glück hat viele Namen“ fünf wunderbar bissige Satiren vorgelegt, die kurz und prägnant das Lebensgefühl einer ganzen Nation spiegeln und deutlich machen, was der Autor von den Zuständen im sozialistischen Rumänien hält.

Doris Roth

Hellmut Seiler: „Glück hat viele Namen. Fünf Satiren“, Esslinger Reihe 32, Verlag Die Künstlergilde, Esslingen/Neckar, 2003, 24 Seiten, ISBN 3-925125-52-3. Zu bestellen zum Preis von 5 Euro (einschließlich Porto) beim Autor Hellmut Seiler, Oderstraße 11, 71686 Remseck.

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