3. Januar 2012

Sehenswertes Museum in Reußmarkt

Martin Roth, Jahrgang 1940, zeigte bereits in seiner Jugendzeit als Hobbyfotograf großes Interesse an der Dokumentation des Kulturgutes der Siebenbürger Sachsen seines Heimatortes Reußmarkt im Unterwald. Ein besonderer Herzenswunsch war das Sammeln möglichst vieler Gegenstände und deren Präsentation in einem Museum.
Seine emsige Tätigkeit begann in den 70er Jahren und dauerte über 1982, das Jahr seiner Aussiedlung nach Deutschland, bis heute an. Der überwiegende Teil der wertvollen Objekte stammt aus dem Besitz seiner Familie und Verwandtschaft. 2007 war es dann soweit! Die Kirchenleitung stellte Roth im „neuen Pfarrhaus“, Baujahr 1835, drei Räume zur Einrichtung eines Museums zur Verfügung. In der „Guten Stube“ kann man die so genannte Aussteuer von drei Generationen aus der Zeit von 1880 bis 1939 bewundern; daneben wird eine „Rumänische Stube“ gezeigt. Einen großen Raum nehmen die wertvollen Kirchentrachten aus den Jahren 1857 bis 1938 ein. Blasinstrumente aus der Zeit von 1890 bis 1990 und Fotos erinnern an die Adjuvanten, die ein wichtiger Bestandteil der sächsischen Dorfgemeinschaft waren. Die Deportation nach Russland und die kommunistische Zeit werden ebenfalls versinnbildlicht.
Museum im Pfarrhaus in Reußmarkt ...
Museum im Pfarrhaus in Reußmarkt
Mehrere Mitglieder des Landesvorstandes Bayern des Vereins für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland (VDA), unter ihnen der Unterzeichner, konnten sich 2008 anlässlich einer Reise ein konkretes Bild von den Bemühungen Reußmarkts für die Rettung des deutschen Kulturerbes (Kirchenburg, Museum u. a) machen. Gleichzeitig wurde erkannt, dass Renovierungsarbeiten am „neuen“ und „alten Pfarrhaus“ drin­gend notwendig sind. Dr. Hans Merkel, Vorstandsmitglied des VDA und Kuratoriumsmit- glied der Fiaro Stiftung, versprach finanzielle Hilfe. Martin Roth erklärte sich bereit, die reinen Arbeitskosten für die Renovierung des „alten Pfarrhauses“ aus eigener Tasche zu bezahlen und das Projekt zu koordinieren. Nach relativ kurzer Zeit stand dem Kirchenkurator Michael Fleischer das Geld seitens der Stiftung zur Verfügung. An der Renovierung des „neuen Pfarrhauses“ beteiligte sich finanziell außerdem die Kirchengemeinde sowie die Heimatortsgemeinschaft Reußmarkt aus Deutschland. Nach zweimonatigen, teils schwierigen Arbeiten unter stän­diger Aufsicht des Kurators standen das „neue Pfarrhaus“ in neuem Licht und die dort beherbergte Begegnungsstätte, Gästehaus, Museum und Pfarrkanzlei samt Archiv im Trockenen.

2010 machte sich Roth mit einer Truppe von Fachleuten daran, das in ruinösem Zustand befindliche alte Pfarrhaus von 1600 – das älteste noch bestehende Wohngebäude in Reußmarkt – zu renovieren und zu sanieren; die Arbeiten dauerten über 100 Tage. Roth war dabei nicht nur Manager und Architekt, sondern auch Buchhalter, Einkäufer und Handlanger auf der Baustelle. Im Herbst 2010 waren die groben Außen- und Innenarbeiten am Pfarrhaus sowie an den Arkaden und dem Backhaus im Hof beendet.

Während seines viermonatigen Aufenthalts 2011 in Reußmarkt war Roth erneut ständig damit befasst, in den nun zusätzlich zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten das Museum mit der neuen Abteilung „Arbeiten und Alltag im Leben einer sächsischen Bauernfamilie“ zu erweitern. Auch hierfür hatte der begeisterte Sammler jahrelang vorgesorgt. In drei von fünf Räumen werden typische Gegenstände und Mobiliar aus einem „Arbeitszimmer“ (Webstuhl, Stickereien, Garnhaspel), „Küche und Wohnraum“ (gemauerter Ofen von 1600, Wandschrank, Ausziehtisch), „Weinkeller“ (Weinfässer, Weinbergspritze, Heber) ausgestellt. 30 Bilder von siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburgen weisen auf unser reiches Kulturerbe hin, 58 sind Dokumente der Geschichte des Reußmarkter Stuhles. Unter den „Arkaden im Pfarrhof“ werden landwirtschaftliche Geräte, verschiedene Fuhrwerke, Kornkasten, die große Wäsche und eine kleine Metzgerei gezeigt. Nach harter Arbeit wurden in der Backstube, die wiederhergestellt wurde, Brot und Kuchen gebacken (falls Mehl vorhanden).

Für die Einrichtung dieses Museums mit rund 1350 Exponaten in zwei Abteilungen – Volkskunst und Alltagsleben – gebührt ein Dank den Sponsoren Dr. Hans Merkel (Fiaro Stiftung) und Martin Roth sowie der Kirchenleitung mit Kurator Michael Fleischer und Pfarrer Wilhelm Meitert. Die neu geschaffene Kulturstätte wird Martin Roth demnächst „schlüsselfertig“ der Kirchengemeinde zur Nutzung übergeben.

Zwei Publikationen in Siebenbürgen waren voll des Lobes und riefen interessierte Bürger auf, das neue Museum zu besichtigen. Tribuna titelte „Omul care a facut un muzeu“ (Der Mensch, der ein Museum gemacht hat) und die Hermannstädter Zeitung „Ein Vier-Generationenmuseum. Martin Roth stellt sein Museum in Reußmarkt vor“. Sehenswert ist das Museum und lobenswert die beherzte Arbeit vieler „Retter“. Es bleibt jedoch festzuhalten: Sollen die geretteten wertvollen Exponate nicht eines Tages einfach verstauben oder selbst in Rettungsnot geraten, bedarf es unbedingt einer kompetenten bezahlten Aufsichtsperson. Wer kann und möchte diesbezüglich finanziell behilflich sein?

Wilhelm Spielhaupter

Schlagwörter: Reußmarkt, Museum

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