29. September 2016

Reichesdorfer Wappen wird 500 Jahre alt

Kinder, wie die Zeit vergeht! Mein letzter Besuch in der alten Heimat lag schon über acht Jahre zurück. Damals kam mir das Dorf so trist und verlassen vor! Lag es wohl an den dunklen und nebligen Herbsttagen damals? Als Susi Riemesch-Wachsmann uns letztes Jahr aufrief, beim Heimattreffen in Reichesdorf dabei zu sein, war für mich klar: Als frischgebackener Rentner bist du dabei. Zusätzlich zum Treffen feierten wir Reichesdorfer das 500-jährige Jubiläum unseres Wappens.
Die erstmalige Erwähnung samt abgebildetem Wappen war 1516 auf der Sakristei-Tür. Schönstes Sommerwetter ließ mich meinen Heimatort aus einer ganz anderen Perspektive sehen: der Gemeindesaal und die dazugehörigen Gebäude frisch gestrichen, neue Toiletten eingebaut; das alte Rathaus herausgeputzt; die Schule frisch gestrichen, ja sogar einen Kinderspielplatz findet man im Schulhof, der Kindergarten ist auch im Schulgebäude untergebracht; die Kirche samt Glockenturm kam mir sehr vertraut vor. Viele Besucher kommen und bewundern unsere Kirche, beeindruckt von dem prächtigen, mit Steinmetzarbeiten ausgestatteten Sakralbau. Sie lauschen den Erzählungen von Hans Schaas, der es ausgezeichnet versteht, unsere Kirche, samt dem „Grünen Mann“, dem Besucher vorzustellen. Der „Grüne Mann“, der wiederholt in den Steinmetzarbeiten zu finden ist, versteckt sich an den Verzierungen der Säulen und zeigt sich dem Betrachter nur aus bestimmten Blickwinkeln. Ich sah mir die Häuser an, die, bis auf einige wenige, frisch renoviert sind. Viele dieser Häuser sind nun in Händen von betuchten Menschen, die sie liebevoll wieder in den Zustand des gutbürgerlichen, siebenbürgisch-sächsischen Bauernhauses versetzen.

Das Treffen – Schon am Donnerstag, nach einem ausgiebigen Spaziergang durchs Dorf, hörte ich vertrautes Sächsisch in den Straßen. Altbekannte Gesichter, manche hatte ich über 30 Jahre nicht gesehen, erfreuten meinen Blick. „Wir treffen uns gegen Abend im alten Kindergarten“ (Gemeindesaal-Hof), sagte man mir. Klar, ich bin dabei. Lautstark begrüßte man sich. Lautstark spielten auch die Kinder, ich fühlte mich in meine eigene Kinderzeit versetzt. Kurze Zeit später rauchten auch schon die Kohle-Grills, wo Steaks und Mici uns guten Abend wünschten. Das kühle, blonde Bier (trei stejari) floss in Strömen vom Zapfhahn und passte genau zum Wetter. Zu später Abendstunde erst sagten wir uns „Gute Nacht“.

Am Freitag stand ein Besuch im alten Rathausbüro „Pro Richiș“ an. Hier befindet sich der „Touristen INFO-Punkt“ mit seinen vielen Prospekten und Produkten aus Reichesdorf. Eine freundliche Dame mit holländischem Akzent stellte mir ihre Arbeit vor. Hier konnte ich noch einen Frauenkirchenmantel und einen weißen bestickten Pelzmantel, wie er im 19. Jahrhundert auch in Reichesdorf getragen wurde, bewundern. Danach besuchte ich die Glocken im Turm. Sie hängen immer noch da und verkünden die Mittags- und Abendzeit und rufen am Sonntag zum Gottesdienst.
Reichesdorfer in Tracht nach dem Gottesdienst ...
Reichesdorfer in Tracht nach dem Gottesdienst beim Heimattreffen 2016. Foto: Heinrich Maiterth
Die Kirche ist stolz und trutzig. Ihre Besucher sind jetzt Touristen, die in Scharen kommen. Sie wollen unseren schönen Altar sehen, die Orgel, vor allem aber wollen sie den berühmten „Grünen Mann“ sehen, dem die Blätter aus Mund und Ohren sprießen. Die passenden Daten und Fakten dazu liefert Hans Schaas, der Kirchenkurator. Durch seine spannend erzählten Geschichten aus dem früheren Dorfleben, vom Reichesdorfer Wein sowie seinen Heiligen in der Kirche, kommt so mancher Tourist nur seinetwegen hierher.

Eine bewegende Andacht mit Pfarrer Ulf Ziegler auf dem Friedhof, wohin wir uns mit Pferdewagen fahren ließen, leitete den gemeinsamen Samstag ein. Unseren lieben Verstorbenen zur Ehre beteten wir gemeinsam das Vaterunser. Übrigens, der Friedhof war frisch gemäht, sah sehr sauber aus. Auf vielen Gräbern lagen schon frische Blumen, die Besucher ihren Lieben vorbeigebracht hatten.

Danach brach man mit den vielen Pferdewägen zu einem gemeinsamen Picknick im „Geirschel“ auf. Da hatte man genügend Zeit, mit dem einen oder andern ein Pläuschchen zu halten. Am Nachmittag rauchte wieder der Grill. Allerhand Spezialitäten kamen auf den Teller. „Herrlich, dieser Mujdei“, hörte ich sagen. Beim Abendessen am selbigen Tag, dachte ich, ich wäre in einem Fünf-Sterne-Hotel – ein Büfett wurde angerichtet, das seinesgleichen sucht! Hut ab den Organisatoren dieses Festes!

Susi begrüßte alle Anwesenden und hielt einen kurzen Vortrag zum Jubiläum des Reichesdorfer Wappens. Im Vorfeld hatte sie schon Tombola-Lose verteilt, die nun zur Verlosung kamen. Vielen Dank an Susanna Riemesch-Wachsmann, Anisoara, Familie Timmerman und das ganze Team.

Am Sonntag läuteten die Glocken wie früher und riefen uns zum Gottesdienst. Vor dem Kirchturm standen viele Trachtenträger. Da sich auch aus den Nachbargemeinden viele Gottesdienstbesucher einfanden, war die Kirche bis zum letzten Platz besetzt. Pfarrer Ulf Ziegler hielt den Gottesdienst, Liv Ullmann ließ die restaurierte Orgel erklingen und gegen Ende las Susanna Riemesch-Wachsmann ein von Bischof Reinhart Guib an die Reichesdorfer gerichtetes Grußwort vor.

Anschließend folgten viele Erinnerungsfotos vor dem Kirchenportal. Im Gemeindesaal kamen alle Gottesdienstbesucher zu einem gemeinsamen Mittagessen zusammen und nach „sarmale“ und „mămăligă“ folgten viele interessante Gespräche. Susi hatte ein Liederheft zusammengestellt, dessen Erlös für den Brunnenbau im Saalhof gespendet wurde. Aus diesem Liederheft wurde viel gesungen. Zu Gast war auch eine kleine Kapelle, Schäßburg-Brass, die mit ihrem Können und einem abwechslungsreichen Programm begeisterte und viel Applaus bekam. Danach wurde, wie am Abend zuvor, noch viel getanzt und gefeiert. Montag und Dienstag fand man immer wieder Gesprächspartner im Saalhof, auch fand jeder durstige Wanderer ein kühles Bier.

Nun ging für mich der aktive Teil des Urlaubs los. Mit Rucksack und Kamera ausgestattet, ging es auf die uns bekannten Berge, die wir schon als Kind hoch und runtergelaufen sind. Die mir bekannten Wege und Pfade gibt es nicht mehr, man orientiert sich nur an dem tief im Tal gelegenen Dorf. Kein einziger Weinstock befindet sich mehr in den alten Weingärten, auf die der Reichesdorfer so stolz war. Reichesdorf, mein Reichesdorf, wo kommt dein guter Wein jetzt her? Die Akazien sind auf dem Vormarsch, der Urwald ist in den Gärten der Reichesdorfer angekommen. Aber von da oben, vom Grat der Berge, sieht das Dorf so schön verträumt und verschlafen aus wie eh und je! Mein Reichesdorf, ich wünsche dir viele, viele Besucher, Urlauber und Touristen! Deine Zukunft sehe ich nicht mehr im goldenen Wein, sondern in deiner grünen Pracht, deinen grünen Bergen. Der Ausblick aus diesen Höhen entschädigt die Mühen des Aufstieges. Die Wanderungen durch die alten Wälder, wo sich kaum etwas verändert hat, werden noch lange in meiner Erinnerung bleiben. Mein Reichesdorf, ich komm bald wieder!

Heinrich Maiterth

Schlagwörter: Reichesdorf, Heimattreffen

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