15. Mai 2000

Verantwortung für Burzenländer

Die Burzenländer Heimatortsgemeinschaften bauen ihr reges Kulturleben in Deutschland aus und engagieren sich weiterhin in der Siebenbürgenhilfe. Im Mittelpunkt der 17. Regional-Arbeitstagung vom 5. bis 7. Mai 2000 standen die Familienforschung, der gemeinsame Auftritt im Internet sowie beim Heimattag in Dinkelsbühl, die Herausgabe geschichtlicher und heimatkundlicher Publikationen und die Anwerbung junger Mitglieder für die Vereine. Die Burzenländer wollen ihre Beziehung zu den politischen Gemeinden im Herkunftsgebiet aktiver gestalten und mit dafür sorgen, dass die deutsche Kultur in Siebenbürgen nicht spurlos verhallt.
Die Burzenländer Nachbarväter und Ortsvertreter haben auf ihrer 17. Regional-Arbeitstagung vom 5. bis 7. Mai in Neuhaus bei Crailsheim zahlreiche Projekte erörtert, um ihr Kultur- und Vereinsleben in Deutschland auszubauen und die Siebenbürgenhilfe weiterzuführen. Im Mittelpunkt der Tagung standen der konkrete Erfahrungsaustausch der Heimatortsgemeinschaften, die Familienforschung, der gemeinsame Auftritt im Internet sowie beim Heimattag in Dinkelsbühl, die Herausgabe geschichtlicher und heimatkundlicher Publikationen und die Anwerbung junger, neuer Mitglieder für die Vereine, deren Altersdurchschnitt unweigerlich steigt.

Die Burzenländer wollen ihre Beziehung zu den politischen Gemeinden im Herkunftsgebiet aktiver gestalten und mit dafür sorgen, dass die deutsche Kultur in Siebenbürgen nicht spurlos verhallt. Diese neue Zielrichtung wurde von Karl-Heinz Brenndörfer, Vorsitzender der Heimatgemeinschaft Heldsdorf, thematisiert und fand breite Zustimmung bei den übrigen Burzenländer Ortsvertretern. Im September 1999 hatte Brenndörfer an den "Heldsdorfer Tagen" im Heimatdorf „als Vertreter aller aus Heldsdorf ausgewanderter Sachsen“ teilgenommen, wie es in der Einladung des Bürgermeisteramtes und der orthodoxen Kirchengemeinde hieß. In einer hervorragenden Rede hatte der Gast auf wichtige Ereignisse und Persönlichkeiten von Heldsdorf hingewiesen und für ein Miteinander im Vereinigten Europa plädiert. Auf das große Interesse der rumänischen Bevölkerung an der Geschichte ihres Ortes aufbauend, will die HG Heldsdorf noch in diesem Jahr eine Kurzchronik Heldsdorfs in rumänischer Sprache herausgeben. Gleichfalls unter der Regie der Heldsdorfer Heimatgemeinschaft wird zurzeit das Siebenbürgen-Lied ins Rumänische übertragen. Als Übersetzer konnte Dan Danila (Leonberg) gewonnen werden, der bereits Dichtungen von Georg Scherg, Wolf von Aichelburg und Hans Bergel ins Rumänische übertragen hat. Das Siebenbürgen-Lied wurde von dem in Heldsdorf geborenen Komponisten Johann Lukas Hedwig vor mehr als 150 Jahren vertont.
Die Friedhofspflege werde künftig ohne rumänische Hilfskräfte nicht möglich sein, betonte Brenndörfer in Neuhaus. Das Modell Nordsiebenbürgen zeige, dass die evangelischen Kirchen dort gut erhalten seien, wo sich das Verhältnis zur rumänischen Bevölkerung positiv entwickelt habe. Deshalb sei es auch im Burzenland nötig, jetzt schon ein vertrauliches Verhältnis zur politischen Gemeinde aufzubauen. Diese Art der Zusammenarbeit wird auch von Michael Trein, dem Vorsitzenden der 9. Nachbarschaft Tartlau, befürwortet, vorausgesetzt, "es besteht ein Interesse rumänischerseits". Die Auswirkungen des Massenexodus würden erst jetzt deutlich, und man müsse darauf reagieren, so Trein. Nach Ansicht von Karl-Heinz Brenndörfer handelt es sich um ein "sehr heikles Thema, das in den einzelnen Vorständen der Heimatortsgemeinschaften erst durchgesetzt werden muss".
Es hänge nun von jeder HOG ab, ob und wie die Kurzchronik ihrer jeweiligen Gemeinde in deutscher Sprache erstellt und ins Rumänische übersetzt wird, fasste der Vorsitzende der HOG-Regionalgruppe Burzenland, Volkmar Kraus (Zeiden), zusammen. Damit erhält auch die seit mehreren Jahren geplante Burzenländer Chronik unter der Regie von Helmut Beer neuen Auftrieb. Die meisten Heimatortsgemeinschaften haben ihre Kurzchronik bereits abgegeben, andere haben jedoch Schwierigkeiten, einen geeigneten Chronisten in ihren Reihen zu finden. Erst danach kann eine rumänische Übersetzung in Angriff genommen werden. Zudem will die HOG-Regionalgruppe ein Buch mit deutschem und vor allem Burzenländer Liedgut unter der Regie von Otto Gliebe herausgeben.
In ein größeres Vorhaben wollen die Burzenländer gemeinsam mit dem Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrat e.V. einsteigen. Friedrich Schuster von der Dokumentationsstelle in Gundelsheim referierte über die Bestandsaufnahme des siebenbürgisch-sächsischen Kulturerbes in den Ortschaften Siebenbürgens, die in den Jahren 1991-1998 mit Unterstützung des Bundesinnenministeriums durchgeführt wurde. Das Bundeskulturministerium in Berlin fördert zwar die Veröffentlichung der Ergebnisse in der Buchreihe "Denkmaltopographie Siebenbürgen", setzt aber auch so genannte Eigenmittel voraus. Sechs Bände sollen den Ortschaften des Burzenlandes gewidmet sein. Pro Ort werden je ein bis zwei Dutzend Luftaufnahmen, Bauaufmaße sowie Hunderte Karteikarten und Fotos vor allem von Gemeinschaftsbauten und Häusern veröffentlicht. Friedrich Schuster war angenehm überrascht von dem starken Willen der Burzenländer Ortsvertreter, die zwar recht kontrovers über das Thema diskutierten, aber grundsätzlich die Herausgabe der sechs Bände in den nächsten fünf Jahren durch Zuschüsse und/oder Subskriptionen vorantreiben wollen. In einem ersten Burzenländer Band wird Zeiden (voraussichtlich zusammen mit Rosenau) berücksichtigt, wobei die HOG Zeiden bereits einen nennenswerten Betrag und die Abnahme von 150 Stück zugesichert hat. Die übrigen Bände müssen als einzelne Projekte beim Bundeskulturministerium beantragt und können erst danach erstellt werden.
Die Heimatortsgemeinschaften fühlen sich nach wie vor für ihre Heimatgemeinden im Burzenland verantwortlich, finanzieren in der Regel die Friedhofspflege, Reparaturarbeiten an Gemeinschaftsbauten sowie Hilfsaktionen für die dort verbliebenen Sachsen. Die Lage ist recht unterschiedlich von Ort zu Ort, je nach der Zahl der noch vorhandenen Landsleute und je nachdem, ob diese bereit sind, Verantwortung für die Gemeinschaft übernehmen. Aus den Berichten der Nachbarväter ging hervor, dass sich mittlerweile auch in bisher starken Gemeinde Lücken aufreißen. So finden sich in Tartlau, wo noch 173 evangelische Seelen gezählt werden, leider keine Sachsen, die die Friedhofspflege übernehmen, klagte der Vorsitzende der HOG Tartlau, Michael Trein. In Zeiden wurde kürzlich ein Jugendverein gegründet, in dem auch rumänische Jugendliche, die deutsche Schulen besucht haben, mitmachen. Die Aktion "Essen auf Rädern in Zeiden" wird weiter von Kurator Arnold Aescht koordiniert und von mehreren Burzenländer HOGs finanziell unterstützt.
Ein den Umständen entsprechend gut funktionierendes Kultur- und Gemeindeleben gibt es unter anderem in Kronstadt (1 316 Seelen), Bartholomae (268), Zeiden (501), Rosenau (198), Honigberg (146), Heldsdorf (142), Neustadt (139), Wolkendorf (128), Nussbach (123) und Weidenbach (93). Selbst in der Diasporagemeinde Rothbach finden sich unter den 23 Sachsen noch Leute, die etwas für die Gemeinschaft tun. In Schirkanyen (33) und Marienburg (53) hingegen gibt es schon seit Jahren keine Ansprechpartner mehr für die Heimatortsgemeinschaften. Harald Janesch, Vorsitzender der HOG Marienburg, zeichnete ein desolates Bild von der Kirche in Marienburg: die Fenster seien eingeschlagen worden, Tauben hätten die Orgel verschmutzt, und im Seitenschiff stehe das Wasser einen halben Meter hoch. Die Friedhofspflege in Brenndorf hatten Otto Gliebe und Hans Wagner, Vorstandsmitglieder der HOG Brenndorf, im vorigen Sommer selbst in die Hand genommen und zudem zwei Sachsen ausfindig gemacht, die den Friedhof regelmäßig betreuen. Brenndorf zählt noch 79 evangelische Seelen, davon lebt etwa die Hälfte bei der Zuckerfabrik.
Wie den Berichten der Ortsvertreter zu entnehmen war, verzeichnen die HOGs ein reges Vereinsleben in Deutschland: Treffen werden organisiert, Kulturformationen wie Blaskapellen und Chöre weitergeführt, HOG-Publikationen veröffentlicht, bedürftige Landsleute betreut und bewusste Zeichen der Integration gesetzt. So hält die HOG Honigberg ihr nächstes Treffen im kommenden Oktober in Bad Rappenau ab. Eine siebenbürgische Ausstellung soll in das Kulturleben des Kurortes integriert werden, der Bürgermeister der Stadt nimmt am Treffen teil. Vorrang für die HOG Honigberg hat in den nächsten Jahren die Erstellung einer umfangreichen Ortschronik. Die Blaskapelle Zeiden spielt derzeit eine zweite CD ein, diesmal mit Trauermusik.
Die HOG Marienburg hat begonnen, bedürftige Landsleute auch in Deutschland zu betreuen und vor allem Landsleute, die in Altenheimen leben, regelmäßig zu besuchen.
Neue und damit jüngere Vorstände haben die HOGs Petersberg und Weidenbach gewählt. Auch in Wolkendorf wird gezielt ein Generationswechsel vorbereitet. Als Mitarbeiterin des Wolkendorfer Heimatblattes konnte beispielsweise die Germanistin Ute Rill gewonnen werden. In Honigberg und Neustadt hat sich schon vor einigen Jahren ein erfolgreicher Generationswechsel vollzogen. Die neue Vorsitzende der HOG Weidenbach, Brigitte Glätsch, erklärte: "Unser Ziel ist es, mehr junge Leute in die Heimatortsgemeinschaft bringen, damit diese länger Bestand hat." Dieses Anliegen verfolge auch die HOG Schirkanyen, erklärte deren Vorsitzende Krimhild Bonfert. Bei den letzten Heimattreffen habe sie bereits eine regere Teilnahme der jungen Generation festgestellt. Jugendtreffen haben die Heimatortsgemeinschaften Brenndorf, Heldsdorf, Honigberg, Nussbach, Neustadt, Petersberg, Wolkendorf, u.a. organisiert. Ebenfalls der Jugendarbeit ist das traditionsreiche Zeidner Skitreffen zuzuordnen.
Der beliebte Burzenländer Heimatkalender wird im Jahr 2001 Fotos enthalten, die das Kultur- und Vereinsleben der Heimatortsgemeinschaften in Deutschland veranschaulichen. Damit erhält das aktive Kulturleben, das die Burzenländer auch in der neuen Heimat entfalten, einen größeren Stellenwert. Die bisherigen acht Ausgaben des Kalenders dokumentierten ausschließlich Denkmäler und Sehenswürdigkeiten in Siebenbürgen.
Beim Heimattag in Dinkelsbühl treten die HOGs abermals geschlossen als "Gruppe Burzenland" auf. Etwa 120 Burzenländer Trachtenträger sowie die Blaskapellen Brenndorf und Böblingen werden zu Pfingsten in der ehemals freien Reichsstadt erwartet.
Ein interessantes Referat zum Thema Familienforschung hielt auf der Arbeitstagung Hermann Schmidts. Die Familienforschung habe infolge des Zugangs zu kirchlichen und staatlichen Archiven in den neunziger Jahren einen großen Aufschwung erlebt. Die Familienforschung der Gemeinde Brenndorf, die Schmidts mit großen Engagement betreibt, beginne mit der ältesten Urkunde des Ortes im Jahr 1368. Die Häufigkeit der Urkunden aus dem 14. und 15. Jahrhundert sei auf den Streit zwischen den Bürgern und dem in Brenndorf ansässigen Gräfengeschlecht zurückzuführen, sagte Schmidts. Als weitere genealogischen Quellen kommen ab dem 16. Jahrhundert die sogenannten Konskriptionen (Dokumente zur Besteuerung und zur Festlegung von Abgaben), in denen die Familienoberhäupter zu etwa 95 Prozent namentlich aufgelistet werden, und ab dem 17. Jahrhundert die Pächterverzeichnisse hinzu. Die ersten Aufzeichnungen in den Geburtenmatrikeln erfolgten 1718, Heirats- und Totenmatrikel seien Mitte des 18. Jahrhunderts angelegt worden. Die HOG Brenndorf beabsichtigt, Personen-, Familien- und Sippenausweise aus den erwähnten Unterlagen zu erstellen und diese für die Nachwelt in der Siebenbürgischen Bibliothek Gundelsheim zu hinterlegen. Alle Matrikelbücher sollen über EDV abgeschrieben und sämtliche Unterlagen in drei Bänden zusammengefasst werden.
Bereits am Freitag hatten die Burzenländer Ortsvertrer der Firma Schoppel, Zwirnerei und Spinnerei, in Wallhausen, nördlich von Crailsheim, besichtigt. Der aus Marienburg stammende Michael Schoppel hat vor mehr als 50 Jahren hier ein erfolgreiches Unternehmen aufgebaut, das von seinen Söhnen Otto und Gerhard weitergeführt wird und zurzeit rund hundert Arbeitnehmer beschäftigt (mehr darüber in einer der nächsten Ausgaben dieser Zeitung).
Für die Stiftung Siebenbürgische Bibliothek wollen die Burzenländer Heimatortsgemeinschaften je 200 DM spenden. Das haben die HOG-Vorsitzenden, die am Sonntag noch nicht abgereist waren, beschlossen. Die HOG Zeiden will die Gundelsheimer Kultureinrichtung mit 5 000 DM unterstützen.
Die nächste Burzenländer Tagung ist für den 20.-22. April 2001 wieder in Neuhaus bei Crailsheim geplant.

Siegbert Bruss

Schlagwörter: Burzenland

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