26. April 2002

Burzenländer geben Erfahrungen weiter

Einen brisanten Vortrag zum Thema Securitate-Akten hielt Hans Bergel auf der 19. Arbeitstagung der Burzenländer Nachbarväter und Ortsvertreter. Die Veranstaltung fand vom 12. bis 14. April 2002 in Neuhaus bei Crailsheim statt und stand im Zeichen des überregionalen Erfahrungsaustausches: Die Burzenländer wollen ihre langjährigen Erfahrungen auch anderen Heimatortsgemeinschaften zugute kommen lassen.
Volkmar Kraus, Sprecher der HOG-Regionalgruppe Burzenland, konnte als Ehrengäste den Schriftsteller Hans Bergel, Michael Konnerth, Vorsitzender des Verbandes der Siebenbürgisch-Sächsischen Heimatortsgemeinschaften e.V., dessen Stellvertreter Johann Imrich, Werner Henning, Vorsitzender der HOG Nadesch und Vertreter der HOG-Regionalgruppe Zwischenkokelgebiet, sowie Wilhelm Roth begrüßen.
Michael Konnerth berichtete über aktuelle Vorhaben des HOG-Verbandes, der unter anderem den Heimattag 2003 in Dinkelsbühl mitveranstalten werde. Er rief die Burzenländer auf, ihre Erfahrung, die sie beim Heimattag 1998 gewonnen hätten, im kommenden Jahr mit einzubringen. Die anwesenden Nachbarväter wollen diesem Aufruf Folge leisten und erste organisatorische Fragen in der Sitzung des erweiterten Vorstandes des HOG-Verbandes am 27. April 2002 in Göppingen erörtern. Johann Imrich (Deutsch-Kreuz) berichtete über die Bemühungen des HOG-Verbandes sich mit einem eigenen Logo und einer Ehrenordnung für verdiente Landsleute als selbständige Organisation nach außen und innen hin zu etablieren. Er empfahl den Heimatortsgemeinschaften, sich als rechtsfähige, ideale Vereine zu konstituieren und die sich daraus ergebenden versicherungs- und steuertechnischen Gestaltungsmöglichkeiten zu nutzen.

Securitate-Akten werfen neues Licht auf siebenbürgische Geschichte

Einen brisanten Vortrag zum Thema „Begegnung mit der Vergangenheit im Lichte meiner Securitate-Akten“ hielt der Schriftsteller und Publizist Hans Bergel. Im Leseraum des „Nationalrates zur Aufarbeitung der Archive der ehemaligen Securitate“ (CNSAS) in Bukarest hatte er im März dieses Jahres sein über 1 000 Seiten starkes Dossier eingesehen. Als „dusman al poporului“ (Feind des Volkes) eingestuft, war er zwei Jahrzehnte als Schriftleiter der Siebenbürgischen Zeitung, die er als „Kampfinstrument gegen die Menschenrechtsverletzungen des kommunistischen Regimes“ genutzt hatte, aufwändig observiert worden. Allein von seiner Rede vor dem Kölner Dom im Dezember 1982 gäbe es zehn Aktenvermerke der Securitate, wovon sieben von Landsleuten stammten. Es seien also nicht so sehr „rumänische Patrioten und überzeugte Kommunisten“ gewesen, die die Securitate mit Berichten belieferten, sondern auch viele angesehene Siebenbürger Sachsen, die gegen Bergels politischen Kurs waren und ihn auf diese Tour ausschalten wollten. Überhaupt bieten die Securitate-Dossiers nach Ansicht Bergels „viele neue Einsichten“ und seien daher eine wichtige Quelle auch für die Geschichte der siebenbürgischen Landsmannschaft. Seine neu gewonnenen Erfahrungen im Lichte der Securitate-Akten will Bergel in ein Buch einfließen lassen. Es sei wichtig, sich der Herausforderung zu stellen, die oft schmerzhaften Unterlagen einzusehen und zu verarbeiten, um die nächste Generation vor ähnlichen politischen Fehlern zu schützen, betonte der 76-Jährige.

Software für siebenbürgische Genealogen

Einen besonderen Schwerpunkt setzten die Tagungsteilnehmer auf die Familienforschung. Georg Teutsch (Nußbach) und Paul Salmen (Tartlau) referierten unter Einsatz modernster EDV-Technik über genealogische Programme, die sich als Alternative zu AHN-DATA anbieten - unter anderem über „Familienstammbaum“, den deutschen Ableger von FamilyTreeMaker, das mit 2 Millionen verkauften Exemplaren zu der am häufigsten genutzten Software in diesem Bereich gehört. AHN-DATA biete zwar derzeit sehr gute Möglichkeiten der statistischen Bearbeitung für siebenbürgische Familienforscher, laufe aber lediglich auf MS-DOS-Ebene, so dass sich zwangsläufig große Schwierigkeiten bei der nächsten Computergeneration ergeben, sagte Teutsch. In der Diskussion wies Konnerth darauf hin, dass der Autor Holger Kötting zwar signalisiert habe, AHN-DATA auf Windows-Ebene weiterzuentwickeln, sich aber zeitlich nicht festlegen wollte.
Wie Volkmar Kraus erläuterte, fördert das BKM die „Denkmaltopographie Siebenbürgen“ als CD-Rom-Projekt, aber nicht als Buchveröffentlichung. Als vierter Band der Reihe erscheint demnächst ein Band, der die Ortschaften Zeiden, Neustadt, Wolkendorf und Schirkanyen umfasst. Die Burzenländer wollen nicht nur diesen, sondern auch weitere Bände in eigener Regie drucken lassen, betonten die Ortsvertreter.
Der Burzenländer Kalender 2003 wird dem Thema Schulen gewidmet sein. Schon 1994 war der Kalender mit Schwarzweißfotos von Schulgebäuden herausgegeben worden, nun wird der beliebte Hobbymaler Peter Buhn das gleiche Thema in farbigen Aquarellbildern neu gestalten. Als weiteres Vorhaben wurde die Teilnahme der Heimatortsgemeinschaften als geschlossene „Gruppe Burzenland“ beim Heimattag in Dinkelsbühl beschlossen. Allein die Heimatgemeinschaft Heldsdorf, die heuer ihr 50-jähriges Jubiläum begeht, wolle mit einer eigenen, zahlenmäßig starken Trachtengruppe auftreten, kündigte Nachbarvater Karl-Heinz Brenndörfer an. Schließlich wurde angeregt, die Homepage www.burzenland.de
zu aktualisierten und mit neuen Inhalten und Bildern zu ergänzen. Diese Aufgabe wird Regionalgruppensprecher Kraus übernehmen.

Burzenländer Jugendtreffen geplant

Weniger erfreulich ist die derzeitige Jugendarbeit der Burzenländer Regionalgruppe. Der einzige in Neuhaus anwesende Jugendvertreter, Paul Konte (Petersberg), kündigte allerdings an, die Tradition der Burzenländer Jugendtreffen gemeinsam mit den Vertretern der anderen Gemeinden wieder aufzunehmen.
Wilhelm Roth (Augsburg) berichtete über die Zerstörung des Bronzereliefs am Honterusdenkmal in Kronstadt und seine Versuche, diesen zu reproduzieren. Weitere Informationen sind auf seiner Homepage (www.wilhelm-roth.de) zu finden.
Den Berichten der Nachbarväter war wie in den letzten Jahren zu entnehmen, dass die Burzenländer Heimatortsgemeinschaften ein reges Kultur- und Vereinsleben entfalten und im Allgemeinen einen guten Kontakt zu ihren in Siebenbürgen lebenden Landsleuten pflegen, die nach Kräften unterstützt werden. Die Tagung sei wieder erfolgreich verlaufen und habe zu einem guten Erfahrungsaustausch geführt, stellte Kraus gegenüber dieser Zeitung fest. Die Ehrengäste seien beeindruckt gewesen von der freundlichen Atmosphäre („Amtssprache“: Sächsisch) und Diskussionsfreudigkeit der Burzenländer.
Die nächste Arbeitstagung findet vom 28. bis 30. März 2003 wie gewohnt in Neuhaus bei Crailsheim statt.

Siegbert Bruss


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 7 vom 30. April 2002, Seite 4)

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