5. Dezember 2010

Interview mit Werner Müller, Vorsitzender des Zentrumsforums Mediasch

Seit 20 Jahren engagiert sich der gebürtige Mediascher Werner Müller im Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR), speziell im Zentrumsforum Mediasch, dessen Vorsitz er seit 1996 inne hat. In einem Anfang November in Mediasch geführten Gespräch mit Monika Czika schildert der 64-jährige Chemieingenieur i.R., was das Mediascher Forum seit seiner Gründung geleistet und wie es das 20-jährige Jubiläum gefeiert hat.
Unter welchen Umständen wurde das Mediascher Forum gegründet?
Am 28. Dezember 1989 bildete sich hier in Mediasch eine Initiativgruppe, die beschloss, das Forum zu gründen, um die Interessen der deutschen Minderheit auf allen Gebieten zu vertreten. Am 20. Januar 1990 hielten wir die Gründungssitzung ab, verabschiedeten ein Programm und legten verschiedene Projektsatzungen des Forums fest. Beim Gericht wurde das Mediascher Forum erst 1995 eingetragen. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir beschlossen, eine juristische Person mit eigener Verwaltung zu werden, um die vielen Projekte eigenständig verwalten zu können.

Somit sind heuer 20 Jahre seit der Forumsgründung vergangen. Wie haben Sie das Jubiläum gefeiert?
Im Vorfeld wurde eine Ausstellung mit 180 Bildern als Retrospektive aus allen Aktivitäten im Laufe der letzten 20 Jahre organisiert. Das Jubiläum haben wir am 24. September mit Festreden gefeiert, in denen die Tätigkeiten des Forums in den Bereichen Verwaltung, sozialen Problemen, Schule und Kultur gewürdigt wurden. Es war ein wichtiger Anlass, um allen, die dazu beigetragen hatten, für ihren Einsatz zu danken. Ebenso wichtig war es, die Leistungen des Forums bekannt zu machen. Über die Vermittlung des Forums sind in den letzten 20 Jahren Gelder in die Stadt geflossen, von denen die ganze Stadt einen Nutzen gezogen hat. Zum Jubiläum hatten wir den Bürgermeister, Vertreter der Stadtrates, des Kreisrates, Siebenbürgenforums sowie vieler Organisationen eingeladen.

Wie hat sich die Mitgliederzahl im Laufe der Zeit entwickelt?
Bei der Gründung zählte das Forum 128 Mitglieder, die Zahl stieg bis auf ca. 3800 Personen im Jahr 1993 und fiel dann, bedingt durch die große Auswanderungswelle. Das Zentrumsforum Mediasch, das sich auch mit dem Areal des Kirchenbezirks deckt, hat heute ca. 350 Mitgliedern. Wir, die Mitglieder des Vorstandes, sind in der Regel auch in kirchlichen Gremien vertreten, denn es stehen nur wenige Leute für ehrenamtliche Tätigkeiten zur Verfügung. Mein Mandat als Vorstandsvorsitzender läuft nächster Jahr ab.

Möchten Sie noch einmal antreten?
Ich bin der Auffassung, dass man das Amt nach einiger Zeit abgeben sollte, damit auch mal frischer Wind hereinkommt. Zum einen liegt es auch schon an meinem Alter und wichtig wäre es, Jüngere einzuspannen. Warten wir ab.

Warum engagieren Sie sich persönlich seit 20 Jahren im Forum?
Wir haben diese Organisation gegründet, um die bestehenden Probleme zu lösen. Davon gab es sehr viele. Jemand musste sich einsetzen, denn es ging und geht um unsere Mitbürger. Die Menschen erwarten, dass man ihnen hilft und ihre Interessen vertritt. Das haben wir auch getan: unseren Landsleuten geholfen und ihnen den Weg aufgezeigt, damit sie zu ihrem Recht kommen. Bei vielen Sachen mussten wir unser Recht erkämpfen, z.B. bei der Häuser- und Bodenrückgabe. Somit bildete sich das Forum als Anlaufstelle heraus, wo man sich einen Rat einholen und verwerten kann. Es kamen dann sehr viele Probleme auf uns zu.

Werner Müller vor dem Schuller-Haus in Mediasch. ...
Werner Müller vor dem Schuller-Haus in Mediasch. Foto: Monika Czika
Welche davon konnten Sie bewältigen?
Wir haben vieles erreicht, selbst wenn noch vieles offen ist. Erstens mussten wir lernen, Aufgaben an Fachkräfte aus dem Gerichtswesen, aus technischen Bereichen u.a. zu verteilen. Somit wurden die Dossiers der Russlanddeportierten fertig gestellt. Parallel dazu mussten die von Privatpersonen, Heimatortsgemeinschaften und dem Bundesinnenministerium stammenden Hilfsgüter wie z.B. landwirtschaftliche und gewerbliche Maschinen, Saatgut u.a. verteilt und dann auch verwaltet werden. Aus diesen Aufgaben wuchs auch die Saxonia-Stiftung heraus, sie ist zuständig für Siebenbürgen. Eines unserer ersten Projekte war die Gründung der „Küche auf Rädern“, die 1992 der Diakonie übergeben wurde. Unser zweites großes Projekt war es, eine deutsche Schule wieder ins Leben zu rufen, die 1990 unter dem Namen Hermann Oberth Schule wieder gegründet, ausgestattet, erweitert und renoviert wurde. Das Interesse an der deutschen Kultur und Sprache ist ungebrochen groß. Des Weiteren wurde das Schuller-Haus, eines der besterhaltenen Baudenkmäler der Frührenaissance aus dem südosteuropäischen Raum, per Regierungsbeschluss der Stadt Mediasch übertragen. Nach einem Konzessionsvertrag mit der Stadt und langjährigen Renovierungsarbeiten an dem aus dem 15. Jahrhundert stammenden Gebäude wurde das Schuller-Haus 1996 eingeweiht. Hier befindet sich seither der Sitz des Forums und der Fortbildungsanstalt für Lehrer, die in deutscher Sprache landesweit unterrichten. Zudem wurde das Hermann-Oberth-Gedenkhaus eingerichtet und eröffnet. Erna Oberth, die Tochter des Raumfahrtpioniers, ist gewillt, das Haus der Stadt zu übergeben, derzeit wird mit dem Stadtrat verhandelt, wie es verwaltet und als Museum ausgestattet sein soll.

Sie sind nun in der zweiten Legislaturperiode im Stadtrat, offiziell haben Sie aber im Juni 2008 für die Liberal-Demokratische Partei (PDL) kandidiert. Wie kam es dazu?
Kurz vor den Wahlen für den Stadtrat und durch die gute Erfahrung, die wir bisher gemacht hatten, beschlossen wir, für die zweite Legislaturperiode eine Allianz mit der PDL einzugehen, damit der Bürgermeister mindestens die Hälfte der Stimmen plus eine hat. Die Konjunktur war gut, denn die Liberaldemokraten hatten acht Vertreter und das Forum vier von 21 im Stadtrat, zusätzlich war Daniel Thellmann Bürgermeister. Die politische Wahlallianz war bereits protokolliert, mit einer eigenen Wahlliste und dem Logo der PDL und des Forums. Seit dem Wahlgesetz von 2004 müssen die Wahllisten von einem übergeordneten Gremium, z.B. dem Kreisforum, abgesegnet werden. Das Kreisforum wollte unsere Wahlliste aber erst nach einer Zusammenkunft des Landesforums zwei Tage vor Abgabetermin eventuell unterschreiben. Da uns dieser Termin für das Einreichen der Wahllisten zu knapp schien, beschlossen wir vorher, in die PDL als einfache Mitglieder einzutreten. Somit waren wir Kandidaten für den Stadtrat, aber nicht mehr von Seiten des Forums, sondern der Demokratisch-Liberalen Partei, sind aber nun immerhin mit drei Stadträten vertreten. Auch eine speziell dafür einberufene Vollversammlung in Mediasch hatte uns ihr Vertrauen ausgesprochen und auch die Vertreter der HOG Mediasch, die beim Mediascher Treffen anwesend waren, meinten, die Handlung sei richtig. Unser Vorgehen, obwohl im Einklang mit der Satzung, hat gewisse Spannungen in den übergeordneten Forumsgremien (Kreis-, Siebenbürgen-, Landesforum) ausgelöst.

Wie ist das Verhältnis jetzt zu diesen Gremien?
Im Kreis- und Siebenbürgenforum haben wir mittlerweile zu einem Dialog gefunden, wir sprechen miteinander, vielleicht nicht mehr mit der gleichen Freundlichkeit, wir gehen uns aber nicht aus dem Weg, es geht um unsere gemeinsamen Anliegen. Martin Bottesch, der auch beim 20-jährigen Jubiläum dabei war, sagte mal, dass so eine Vorgehensweise eine neue Form der Politik sei, mit der das Forum konfrontiert wurde und mit der man lernen muss umzugehen. Denn das Problem stellt sich auch für die Zukunft: Was geschieht mit dem Forum weiter? Im Allgemeinen sind die Vorstände veraltet und in aktiven Posten sind nur wenige Junge dabei.

Sie sprechen das allgemeine Problem der Alterung der deutschen Minderheit an. Welche konkreten Probleme müssen sie darüber hinaus in Mediasch bewältigen?
Es läuft sehr viel über die Sozialkommission des Forums, die mit der evangelischen Kirche und der Diakonie zusammenarbeitet. Die Listen der Hilfesuchenden werden von uns überarbeitet und jährlich werden rund 1 000 Lebensmittelpakete, gespendet u.a. vom Katholischen Frauenbund Wegscheid, verteilt. In Zusammenarbeit mit den Sozialkommissionen der Stadt und einiger umliegenden Ortschaften werden diese Lebensmittelpakete an alle Bedürftige, nicht nur an Volksdeutsche verteilt. Wir verwalten das Honterus-Haus als Übernachtungsstätte, rund 300 Veranstaltungen, die pro Jahr im Schuller-Haus stattfinden, den Schülertransport der Kinder aus den benachbarten Gemeinden in die deutsche Schule. Zudem wickeln viele private Sponsoren, die helfen wollen, ihre Hilfen über uns ab, weil wir transparent arbeiten.

Inwieweit arbeiten Sie mit der Heimatgemeinschaft (HG) Mediasch zusammen?
Die Vertreter der Heimatgemeinschaft lassen uns spüren, dass sie auch für uns da sind, dass sie uns nicht vergessen haben – und wir sie auch nicht. Bei vielen Anlässen versuchen wir, uns gegenseitig zu helfen. Somit ist es eine nicht aufgezwungene, sondern selbstverständliche und sehr gute Zusammenarbeit. Die HG Mediasch bedeutet natürlich auch eine finanzielle Unterstützung unserer Gemeinschaft. Nächstes Jahr, vom 17.-20. Juni 2011, werden wir gemeinsam das 4. Mediascher Heimattreffen in unserer Stadt organisieren.

Und wie ist die Stimmung unter den hiergebliebenen Deutschen?
Fakt ist, dass die Gemeinschaft sehr stark geschrumpft ist. Dieses müssen wir zur Kenntnis nehmen und das Beste daraus machen. Da wir nicht mehr so viele sind, müssen wir jede Gelegenheit wahrnehmen, um uns zu treffen. Wir sehen uns in der Kirche und bei Veranstaltungen wie dem Weihnachtsbaser, Adventssingen, Forumsfasching, dem Sachsentreffen u.a.m. Zweck solcher Veranstaltungen ist es, die Menschen zusammenzubringen. Wir kommen uns näher, sprechen über Verschiedenes und lösen Probleme. Mein Anliegen ist es, dieses auch in Zukunft tatkräftig zu schaffen.

Schlagwörter: Verbandsleben, Mediasch, Forum

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