16. März 2014

Interview mit dem Tiermediziner Gerhard Terplan: „Siebenbürgen ist mir immer noch Heimat“

Der siebenbürgisch-sächsische Tiermediziner Univ. Prof. em. Dr. Dr. h.c. Gerhard Terplan erfüllt am 16. März sein 90. Lebensjahr. 1924 in Mediasch geboren, kam er nach der Kriegsgefangenschaft, Arbeiten im Forst, in der Landwirtschaft und am Bau nach München, wo er das Studium der Tiermedizin an der Maximilians-Universität mit der Promotion absolvierte. Anschließend spezialisierte er sich auf dem Fach der Lebensmittelhygiene.
1965 erhielt er einen Ruf auf den Lehrstuhl für Milchkunde an der Tierärztlichen Hochschule Hannover, das erste Institut seiner Art. 1971 kehrte er an seine Alma Mater, an den Lehrstuhl für Technologie der Milch, zurück. Seine ehemaligen Kollegen und Mitarbeiter schreiben über seine wissenschaftlichen Tätigkeit: „Als wegweisend – bis heute – für die moderne Lebensmittelhygiene kann die Einführung immunchemischer Methoden in die Analytik bezeichnet werden. Hier leistete Terplan Pionierarbeit und schuf Grundlagen, auf denen letztlich moderne Verfahren wie Vor-Ort-Tests und Biosensoren basieren. Dabei waren für ihn auch die praktischen ­Belange der Milchwirtschaft und des Verbraucherschutzes von fundamentaler Bedeutung.“ Während seiner Karriere wurde der „Milchprofessor“ mit zahlreichen Auszeichnungen und Ehrungen bedacht. Bei einem der Projekte gelang es Terplan und Mitarbeitern, bestimmte Versuche statt an Mäusen, nunmehr an bebrüteten Eiern durchzuführen. Dafür wurde ihm und seinen Mitarbeitern 1992 der „Felix-Wankel-Tierschutz-Forschungspreis“ zuerkannt. Eine besondere Auszeichnung war die Verleihung des Ehrendoktors der Universität Istanbul. Während seiner Laufbahn veröffentlichte er zahlreiche Publikationen in Fachzeitschriften und Handbüchern und betreute über 250 Doktoranden. Sarah Hummler sprach mit Gerhard Terplan über sein Lebenswerk und siebenbürgisch-familiengeschichtliche Forschungen.

Sie haben Ihr Leben der Forschung gewidmet, wie steht es heute um Ihr wissenschaftliches Erbe?
Was man als wissenschaftliches Erbe bezeichnen kann, existiert noch insofern, als Verfahren, die mit meinen Mitarbeitern entwickelt wurden, auch heute noch industriell hergestellt und in der Lebensmitteluntersuchung eingesetzt werden. Auch Empfehlungen für Maßnahmen in der Produktionshygiene von Lebensmittel können als eine Hinterlassenschaft bezeichnet werden. Die beste Dokumentation über mein wissenschaftliches und privates Leben ist eigentlich der journalistische gute Bericht von Hermann Schlandt (Anm. d. R.: Siebenbürgische Zeitung, Folge 8 vom 15. März 2004, Seite 7) zu meinem 80. Geburtstag.

Man sieht anhand Ihrer Biographie, dass Sie ein umtriebiger Geist sind. Was haben sie nach Ihrer Emeritierung im Jahr 1994 gemacht?
Meinem Nachfolger, der auf den Lehrstuhl berufen wurde, habe ich auch meine nebenberuflichen Verpflichtungen, wie die Redaktion der von mir mitherausgegebenen Zeitschrift und die Beratung eines milchwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsinstitutes übergeben. Die Berufung meins Schülers war auch die beste Regelung meiner Nachfolge.

Gerhard Terplan in der Geschäftsstelle des ...
Gerhard Terplan in der Geschäftsstelle des Verbandes in München. Foto: Siegbert Bruss
Haben Sie sich mit Ihrer Herkunft als Siebenbürger Sachse auseinandergesetzt?
Mit meiner Herkunft habe ich mich soweit beschäftigt, als ich durch die Erzählungen von Eltern und Großeltern manches erfahren hatte und mir auch Urkunden, Stammbäume und andere Unterlagen zur Verfügung standen. Wichtig war vor allem, dass ich die Verbindung zur alten Heimat so lange wie möglich halten konnte. Nach dem Kriegsende dauerte es 16 Jahre, bis ich zum ersten Mal die Möglichkeit erhielt, meine Eltern zu besuchen. Erst als mein Neffe, der meine Mutter noch hätte behüten können nach dem Tod meines Vaters, sich zu einer Aussiedlung entschloss, musste meine Mutter unsere schöne Heimat verlassen. Wir hatten die Möglichkeit sie im Siebenbürgerheim in Rimsting unterzubringen. Das von Erwin Tittes, dem Vater meiner jetzigen Frau Krista, mitgegründete Heim in Rimsting wurde für viele zu einer zweiten Heimat. Meine erste Frau ist 1974 gestorben. Aus der Ehe stammen drei Kinder, die auch von ihrer bayerischen Mutter immer wieder in den Ferien nach Siebenbürgen begleitet wurden. Sie wollte den Kindern die Heimat ihres Vaters vermitteln und fand selbst eine enge Beziehung zu Land und Leuten. Seit es keine Verwandte mehr in Siebenbürgen gibt und die Verhältnisse sich so geändert haben und die Kinder auch die rumänische Sprache nicht beherrschen, ist es für sie schwierig, den alten Wurzeln nachzugehen.

Dafür haben Sie Ihre Lebenserinnerungen aufgeschrieben.
Da ich ein ganz gutes Gedächtnis hatte und immer noch habe, wurde mir diese Arbeit ermöglicht und hat mir Freude gemacht. Eine zweite Sache, die mich mit Siebenbürgen weiterhin verbindet, ist die Familiengeschichte, die ich verfasst habe. Glücklicherweise hatte ich relativ viele Urkunden, einen informativen Stammbaum, zumindest für die meisten Familienzweige, und einiges an Literatur. Die Stammbäume mit den zugehörigen Urkunden und Aufzeichnungen sind größtenteils Zeugnisse einer ruhmvollen Vergangenheit, in der sich mehrere Vorfahren hervorgetan haben. Die meisten dieser Familien haben sich in der Geschichte der Siebenbürger Sachsen Verdienste erworben. Allein das Tagebuch des Vorfahren Michael Conrad Edler von Heydendorff ist eine wertvolle Quelle, nicht nur über die Interna der Familie, sondern auch über die ganze wechselvolle Zeit, in der diese Persönlichkeit gelebt hat. Es war mir wichtig, meinen Nachkommen das Wesentliche über ihren Ursprung, ihre Herkunft zu hinterlassen, zumal mit fortschreitenden Jahren neben der geographischen Verbindung zur alten Heimat auch der historische Zusammenhang verloren geht. Im Tagebuch meines Urahnen Michael Conrad von Heydendorff fand ich die interessante Notiz, dass mein Urgroßvater Julius Maetz, der spätere Bürgermeister von Schäßburg, als Angehöriger der „Grünen Jäger“ im Kampf gegen die Ungarn, während der Freiheitskriege, durch einen Kugelschuss verwundet wurde und im Hause des „Vetters“ Heydendorff Aufnahme fand.

Sind das Geschichten, die man sich bei Ihnen in der Familie noch erzählte und überliefert worden sind?
Einiges, worauf ich jetzt nicht eingehen kann, habe ich von meinen Eltern und meinen Großmüttern erfahren. Besonders die Mutter meines Vaters wusste sehr vieles aus der Vergangenheit zu erzählen. Als Kind hat man höchstens bei sehr spannenden Geschichten zugehört. In der Zeit, in der ich mehr Verständnis für die Familiengeschichte gehabt hätte, war ich beim Militär und in der Gefangenschaft und durfte danach 16 Jahre nicht in die Heimat zurückkehren. In der Zwischenzeit waren meine Großmütter gestorben.

Welche Stationen im Leben haben Sie besonders geprägt?
Ich bin in Mediasch geboren. Geprägt hat mich neben meinem Elternhaus mit einem gehobenen kultivierten Status, der auch die Musik der Eltern beeinflusst wurde, das Leben in der Großfamilie. Meine Mutter hatte acht Schwestern, so dass es etliche Cousins und Cousinen gab. Mein Vater hatte sechs Geschwister, die lebten aber in Schäßburg, so dass bei den damaligen Verkehrsverhältnissen die Verbindung mit den Verwandten nicht so eng war. Da die Familien in Mediasch nur wenige Minuten auseinander lebten, ging man schnell von einem zum anderen, spielte in dem einen und danach im anderen Garten. Wir konnten in der Stadt herumlaufen in den alten Festungsmauern und in den alten Gemäuern der Kirche spielen. Diese Kindheit war sehr wichtig, auch die Verbindung zu all meinen Verwandten. Das Traurige ist aber, dass ich als Einziger von sechs Cousins ersten Grades wieder aus dem Krieg zurückgekommen bin. Vier sind gefallen und zwei von an den Folgen der Gefangenschaft gestorben. Die Erinnerung an meine Cousins berührt mich auch heute immer wieder, speziell als ich an den Lebenserinnerungen gearbeitet habe.

Wo ist für Sie Heimat?
Meine Heimat waren das Haus, in dem wir gelebt haben, die Stadt, in der die Großfamilie lebte, und die ganze wunderschöne Landschaft. Seit ich das Haus vor einem Jahrzehnt sehen konnte und feststellen musste, dass nicht nur Teile zerstört waren und ein wildes „Volk“ darin hauste, sondern dass auch Bäume und Garten kaum noch existierten, fällt es mir schwer, von diesem Teil noch als Heimat im engeren Sinne zu sprechen. Siebenbürgen bleibt für immer meine alte Heimat, die ich auch nach Kräften unterstütze, wie die Heimatgemeinschaft und die Siebenbürgische Bibliothek in Gundelsheim. Meine jetzige Heimat ist mit kleinen Einschränkungen Bayern. Ich habe hier den weitaus längsten Teil meines Lebens verbracht. Ich habe hier studiert, promoviert und mich habilitiert. Ich war zwar sieben Jahre in Hannover und habe danach meine jetzige Heimat erst recht schätzen gelernt. Meine erste Frau war eine Bayerin und unsere drei Kinder sind hier geboren. Wir haben uns ein Haus im bayerischen Oberland gebaut. Das ist heute unser Domizil, dort sind wir die meiste Zeit. Wir kennen die Menschen, die Menschen kennen uns. Wir mögen einander. Wir haben immer versucht, ihr Leben, das Brauchtum und ihre Art zu denken zu verstehen. Eine kleine Grenze bleibt, die Sprache. Ich kann auch den ländlichen bayerischen Dialekt verstehen, ohne ihn allerdings sprechen zu können. Ich habe nie versucht, mir den Dialekt anzulernen, allerdings bleibt es nicht aus, dass man mit der Zeit bestimmte Ausdrücke annimmt. Man könnte abschließend sagen: Wir haben die alte Heimat, an der wir immer noch hängen, verloren. Nun haben wir ein neues „Zuhause“, sind aber nicht ganz „dahoam“.

Schlagwörter: Interview, Geburtstag, Tiermediziner

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