23. Juli 2018

Das Potential der deutsch-rumänischen Beziehungen besser ausschöpfen

Hans Erich Tischler leitet seit August 2017 das Konsulat der Bundesrepublik Deutschland in Hermannstadt. Für den 1959 in Bad Godesberg geborenen Diplomaten ist es die neunte Auslandsstation nach Innsbruck, Moskau, Seoul, Kairo, Saratow, Neapel, Baku und Pristina, zwischendurch war er im Auswärtigen Amt in Bonn und im Bundesinnenministerium tätig. Seine reiche Berufserfahrung paart sich in Siebenbürgen mit sehr guten Kenntnissen über Land und Leute, da Tischler schon als Kind die Heimat seines Vaters besuchte. Beim diesjährigen Heimattag in Dinkelsbühl stellte er begeistert fest, wie tief sich die Siebenbürger Sachsen mit ihrer Heimat verbunden fühlen und wie lebendig ihre Gemeinschaft ist. Im Interview mit Siegbert Bruss, Chefredakteur der Siebenbürgischen Zeitung, gibt Konsul Hans Erich Tischler Auskunft über die Möglichkeiten, die deutsch-rumänischen Beziehungen zu vertiefen, Investitionsmöglichkeiten besser wahrzunehmen sowie die Kultur und deutschsprachigen Schulen zu stärken.
Sie waren erstmals als Ehrengast beim Heimattag der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl zugegen. Wie haben Sie als Diplomat das Pfingstfest 2018 erlebt?

Der Heimattag war für mich in jeder Beziehung eine große Bereicherung. Ich habe viele neue Menschen kennengelernt und habe Personen, die mir bereits aus Hermannstadt vertraut sind, wiedergesehen. Das Zusammengehörigkeitsgefühl, die starke Gemeinschaft, die tiefe Verbundenheit der Sachsen zu ihrer Heimat, das war etwas ganz Großartiges, das ich in dieser Art noch nicht erlebt habe. Die Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen lebt und wird immer stärker, so mein Eindruck, denn es waren Trachten- und Volkstanzgruppen vertreten, die erst vor kurzem gegründet wurden und die schon über eine beachtliche Zahl von Mitgliedern verfügen. Zudem nahmen sehr viele junge Menschen an dem Pfingsttreffen teil, sie bringen sich in diese Gemeinschaft ein und pflegen somit das Erbe ihrer Vorfahren. Das vielseitige Rahmenprogramm, wie das Konzert oder der Fackelumzug, und natürlich die sächsischen Spezialitäten haben sicherlich auch dazu beigetragen, den Heimattag zu einem solchen schönen Ereignis zu machen.
Konsul Hans Erich Tischler beim Heimattag in ...
Konsul Hans Erich Tischler beim Heimattag in Dinkelsbühl. Foto: Siegbert Bruss
Ihr Vater stammt aus Siebenbürgen. Als Junge haben Sie oft Ihre Ferien bei Verwandten in Siebenbürgen verbracht. Welche Erinnerungen verbinden Sie mit Siebenbürgen, dem Land Ihres Vaters?

In meiner Kindheit und meiner Jugend hatte ich das große Glück, wiederholt Sommer in der Heimat meines Vaters verbringen zu können. Aus dieser Zeit sind mir vielfältige Eindrücke in Erinnerung geblieben. Ich denke gerne an das geregelte Dorfleben zurück, die Herzlichkeit der Nachbarn, den sonntäglichen Kirchgang, die bunten Trachten, die Abende bei Petroleumlicht, aber auch die gesunde Küche meiner Großmutter, die alles, was sie brauchte, im eigenen Garten anpflanzte. Sicherlich war das Leben auf der einen Seite entbehrungsreich, auf der anderen Seite war es aber auch geprägt von großem Zusammenhalt, von Solidarität und von Wertschätzung für die Traditionen und Bräuche. Ausflüge in die nahe und weitere Umgebung waren gleichzeitig auch immer Beschaffungsfahrten, aber sie brachten mir den enormen kulturellen Reichtum der Region schon damals näher.

Als Konsul der Bundesrepublik Deutschland in Hermannstadt sind Sie zuständig für neun Landkreise im Zentrum Rumäniens. Welche Themen haben Sie bei ihren bisherigen Besuchen erörtert, die das Potential haben, die deutsch-rumänischen Beziehungen zu vertiefen?

Von den neun Landkreisen in meinem Amtsbezirk konnte ich inzwischen sieben besuchen, die beiden noch fehlenden Landkreise werde ich in Kürze bereisen. Diese Reisen sind wichtig, um meine Ansprechpartner persönlich kennen zu lernen, aber auch, um mir ein aktuelles und umfassendes Bild vom Land und seinen Menschen zu machen und zu sehen, wie sie leben und was sie bewegt. Bei meinen Gesprächen mit den Vertretern der Landkreise, der Gemeinden und den verschiedenen Einrichtungen wie den Universitäten im Lande geht es vor allem um die Fragen, wo wir die Zusammenarbeit gestalten können, welche Wünsche dort in Bezug auf Kontakte zu deutschen Einrichtungen bestehen und wie wir uns zukünftig noch besser austauschen können.
So existieren bereits einige gut funktionierende Städtepartnerschaften, auch gibt es Schüleraustauschprogramme ebenso wie Kooperationen zwischen Hochschulen, und es bestehen gute Kontakte zwischen einzelnen Kirchengemeinden, allerdings ist das Potential noch bei weitem nicht ausgeschöpft. Hier möchte das Konsulat unterstützend tätig sein und dazu beitragen, dass sich mehr Menschen direkt begegnen. Auch möchte es zeigen, dass es sich lohnt, auf einander zuzugehen, damit wir die Kultur des anderen aus eigener Erfahrung besser kennenlernen können. Europa lebt von seinen Bürgern und ich wünsche mir eine immer enger zusammenwachsende Gemeinschaft, die aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat und in der jeder, auch als Angehöriger einer Minderheit, am kulturellen und ideellen Reichtum unseres Kontinents partizipieren kann.

Welche Themen haben Sie in Ihren Gesprächen mit Vertretern der deutschen Minderheit, der Foren und der Evangelischen Kirche erörtert?

Unterstützung bei der Bewahrung des materiellen und immateriellen Erbes der Siebenbürger Sachsen gehört sicherlich zu den Kernaufgaben der Vertretung. Hierzu tausche ich mich regelmäßig mit allen Vertretern der Minderheit aus. Der vor über 25 Jahren geschlossene Deutsch-Rumänische Freundschaftsvertrag sieht klar vor, dass die deutsche Minderheit ihre kulturelle und sprachliche Identität bewahren und weiterentwickeln kann und hierfür entsprechend gefördert wird. Zur Bewahrung dieser Identität gehört auch, dass es weiterhin Schulen gibt, die in deutscher Sprache unterrichten und wo die Schüler über modernes Lehrmaterial verfügen. Die Bundesrepublik trägt unter anderem zum Erhalt des seit vielen Jahrhunderten existierenden deutschsprachigen Schulwesens in Siebenbürgen dazu bei, indem sie Lehrer aus Deutschland entsendet oder rumänische Lehrkräfte, die in deutscher Sprache unterrichten, finanziell in Form einer Aufwandsentschädigung unterstützt. Dennoch gibt es weiterhin einen großen Mangel an deutschsprachigen Lehrern, den wir angehen müssen. Ich wünsche mir sehr, dass der gemeinsame Aufruf des Vorsitzenden des Siebenbürgenforums, Martin Bottesch, und der Bundesvorsitzenden des Verbandes der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, Herta Daniel, in der Siebenbürgischen Zeitung Online vom 20. Juni 2018 bald konkrete Früchte zeigt und sich Lehrer aus den deutschsprachigen Ländern, auch pensionierte, finden, die nach Siebenbürgen kommen und zum Erhalt des deutschsprachigen Schulwesens beitragen. Ich selber habe an die deutschen Wirtschaftsvertreter in Siebenbürgen geschrieben und ebenfalls um Unterstützung bei der Suche nach Lehrkräften gebeten.
Auch bleibt der akute Mangel an deutschsprachigem Lehrmaterial eine große Herausforderung. Es ist offensichtlich, dass die deutsche Sprache und Kultur nur erhalten bleiben, wenn die nachwachsenden Generationen hierin angemessen unterrichtet werden. Dies setzt eine gemeinsame Anstrengung aller voraus, damit diese Herausforderungen angegangen und einer Lösung zugeführt werden. Was das materielle Erbe angeht, so liegen mir natürlich die in Europa einzigartigen Kirchenburgen sehr am Herzen. Kraft meines Amtes bin ich Mitglied in der Stiftung Kirchenburgen und setze mich hier für die Bewahrung dieses für die Identität der Siebenbürger Sachsen so wichtigen Kulturgutes ein. In den vergangenen Jahren konnten wir einen stetigen Anstieg der Besucherzahlen feststellen. Dies ist ein erfreulicher Anfang, der Ansporn für weitere Schritte ist. Klares Ziel ist es, die Kirchenburgen, die zum Teil Weltkulturerbestätten sind, so touristisch zu vermarkten, dass zusätzliche und dringend notwendige Mittel für Konservierung, Restaurierung und den laufenden Unterhalt generiert werden.

Welche Ansatzpunkte ergeben sich nach diesen Gesprächen, um die deutschen Schulen sowie das Kultur- und Gemeinschaftsleben in Siebenbürgen in Zukunft zu stärken?

Der Erhalt des deutschsprachigen Schulwesens zusammen mit anderen Kultureinrichtungen wie Theatern und deutschsprachigen Zeitungen ist für die kulturelle Identität der deutschen Minderheit von zentraler Bedeutung. Die deutsche Minderheit hat seit dem Beginn ihrer Besiedlung vor ca. 900 Jahren erheblich zum Gemeinwesen, so wie es jetzt besteht, beigetragen. Die Industrialisierung Siebenbürgens im 19. und 20. Jahrhundert wäre ohne das große Engagement der Siebenbürger Sachsen nicht vorstellbar. Diesen Beitrag weiterhin sichtbar zu machen und den Erhalt des Erbes für zukünftige Generationen zu sichern, bleibt eine enorme Herausforderung für uns alle. Dies ist auch deshalb wichtig, da Siebenbürgen eine Vorbildfunktion für Europa hat. Hier leben seit Jahrhunderten verschiedene Ethnien und Angehörige verschiedener Konfessionen friedlich zusammen, haben Handel getrieben und sich gegenseitig ausgetauscht. Hier gibt es angesehene Hochschulen, an denen in drei oder vier Sprachen gleichzeitig gelehrt und geforscht wird. Dies alles sind wichtige Erfahrungen, mit denen sich die Siebenbürger Sachsen einbringen und zu einem besseren Miteinander auf unserem Kontinent beitragen können.

Welche Themen erörtern Sie mit den deutschen Wirtschaftsclubs?

Im Amtsbezirk der Vertretung gibt es vier Interessenvertretungen der deutschen Wirtschaft: in Hermannstadt, Kronstadt, Klausenburg und Neumarkt am Mieresch. Mit allen diesen Einrichtungen arbeitet die Vertretung eng zusammen, um die guten Wirtschaftsbeziehungen unserer beiden Länder weiter auszubauen. Deutsche Firmen haben in der jüngsten Vergangenheit viel in Siebenbürgen investiert und Tausende von zum Teil hochqualifizierten Arbeitsplätzen geschaffen. Immer wieder treten deutsche Firmen an die Vertretung heran und erkundigen sich nach weiteren Investitionsmöglichkeiten oder lokalen Partnern. In meinen Gesprächen geht es um die Frage, wie auch in Zukunft die Bedingungen für weiteres Wachstum erhalten oder sogar noch verbessert werden können. Ich denke hier etwa an die Qualifizierung von Arbeitskräften im Bereich der dualen Berufsausbildung, an erforderliche Investitionen in Infrastruktur auch bei der Erschließung neuer Gewerbegebiete oder an einen engen Dialog mit der lokalen Verwaltung etwa zum Thema Arbeitskräftemangel. Das Potential für weiteres Wachstum ist, soweit sind sich alle einig, noch bei Weitem nicht ausgeschöpft. Hier gilt es, gemeinsam aussichtsreiche Chancen zu erkennen und sie auch zu nutzen, umso bestehende Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen.

Rumänien wird im ersten Halbjahr 2019 die EU-Ratspräsidentschaft innehaben, am 9. Mai 2019 findet ein Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs in Hermannstadt statt und ebenfalls im Jahr 2019 ist Hermannstadt kulinarische Region Europas. Welche Chancen ergeben sich aus diesen Ereignissen für die deutsch-rumänischen Beziehungen?

Rumänien kann während seiner bevorstehenden Ratspräsidentschaft einen wichtigen Beitrag für die Europäische Union leisten, die gerade eine schwierige Phase durchlebt. So müssen u.a. die Brexit-Verhandlungen zu einem guten Abschluss gebracht werden. Auch finden im kommenden Jahr die Wahlen zum Europaparlament statt und dies bietet eine hervorragende Chance, den Bürgern Europa näher zu bringen und sich für ein starkes, solidarisches Europa mit seinen unverrückbaren Werten einzusetzen.
Ich freue mich sehr, dass am 9. Mai 2019 während der rumänischen Ratspräsidentschaft der Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Hermannstadt stattfinden wird. Hermannstadt wird damit erneut im Rampenlicht einer weiten Öffentlichkeit stehen und kann dann einmal mehr zeigen, dass es eine offene, gastfreundliche Stadt ist, die für solche Ereignisse gut gerüstet ist. Auch über die Tatsache, dass nächstes Jahr der Landkreis Hermannstadt gastronomische Region Europas sein wird, freue ich mich sehr. Schon als europäische Kulturhauptstadt 2007 hat Hermannstadt sehr erfolgreich bewiesen, dass es sich lohnt, in Infrastruktur und Kultur zu investieren. Die Zahl der Touristen nimmt seitdem stetig zu. Sowohl die Stadt als auch ihre Bürger sind ausgezeichnete Gastgeber, so auch beim großen Sachsentreffen im vergangenen Jahr. Die Stadt mit ihrem historischen Baubestand, ihren bedeutenden Museen und Parks zieht viele Besucher an. Sowohl das gastronomische als auch das kulturelle Angebot wird zudem ständig erweitert. Ich denke hier an die inzwischen 25. Ausgabe des sehr gelungenen Internationalen Theaterfestivals mit rund 700.000 Besuchern, das gerade zu Ende gegangene Transilvania Filmfestival oder das überregional bekannte Jazzfestival. Aus diesem Grund bin ich mir sicher, dass auch das Projekt „Gastronomische Region Europas“ einen wichtigen Beitrag leisten wird, Hermannstadt und seine Umgebung einem noch größeren Kreis von Touristen bekannt zu machen und viele Gäste anzulocken vermag. Hermannstadt mit seinem reizvollen Umland am Rand der Karpaten lohnt in der Tat einen Besuch.

Ihr Mandat endet voraussichtlich im August 2021. Welche Ziele möchten Sie bis zu jenem Zeitpunkt realisiert haben?

Mein Amt als Konsul der Bundesrepublik Deutschland in Hermannstadt habe ich im August des vergangenen Jahres mit großer Begeisterung und viel Elan übernommen und ich freue mich, gemeinsam mit meinem Team die anstehenden Aufgaben in Angriff nehmen zu können. Wichtig sind mir gute und enge Kontakte zu allen meinen Ansprechpartnern einschließlich der deutschen Minderheit und ein regelmäßiger Dialog. Nur gemeinsam können wir die Beziehungen zwischen Siebenbürgen und Deutschland weiter vertiefen und uns besser kennen lernen. Der Deutsch-Rumänische Freundschaftsvertrag bietet eine solide Grundlage für einen stetigen Ausbau der bilateralen Beziehungen. Diesen Freundschaftsvertrag möchte ich mit Leben füllen und zeigen, wie wir als Partner gemeinsam an einer besseren Zukunft in unserem europäischen Haus arbeiten können.

Vielen Dank für das Interview.

Schlagwörter: Politik, deutsch-rumänische Beziehungen, Hermannstadt, Diplomat

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