15. Januar 2004

Dr. Hans Ambrosi

Der renommierte Fachmann auf dem Gebiet des Weinbaus und Kulturstifter Dr. Hans Ambrosi, 1925 in Mediasch geboren, wurde zu Pfingsten 2001 mit dem 50. Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreis ausgezeichnet. Zu den Stationen seines erfolgreichen Wirkens zählen der Lehrauftrag für Weinbau an der Universität Stellenbosch in Südafrika und die Leitung des Hessischen Staatsweingüter. Der Rheingau hat es ihm angetan. So antiquiert der Name klingt, so aktuell ist er - und durch den berühmten Wein buchstäblich in aller Munde. Mit seiner Landschaft und dem reichen kulturellen Angebot locken die lieblich hüglichen Gefilde Menschen von weither, zu sehen, zu hören und zu schmecken. Traditionen gewahrt, aber auch neue begründet hat hier neben vielen anderen der Siebenbürger Dr. Hans Ambrosi, mit dem Georg Aescht, Redakteur der Kulturpolitischen Korrespondenz in Bonn, über sein grenz- und fachübergreifendes Wirken sprach.
Wo sind Sie daheim?

Dort, wo gesellige Menschen leben. Die leben natürlich überall, um so mehr aber dort, wo es Wein gibt. So ist der Rheingau mir zum zweiten Siebenbürgen geworden, zum Ort, wo ich mittelbar auch das siebenbürgische Vermächtnis meiner Mediascher Altvorderen pflegen kann. Allgemein aber fühle ich mich in jedwelchem Weinland heimisch. Ich habe manche Ecke der Welt bereist und mich überall dort gut aufgehoben gesehen, wo die Leute sich mit dieser wunderbaren Pflanze und ihrem Produkt abgeben - denn so etwas prägt, und nicht zum Nachteil.

Würden Sie Siebenbürgen, die Landschaft Ihrer Herkunft, denn als gesellig bezeichnen?

Es war eine Geselligkeit der ruhigen Art. Ich bin im Kokeltal, einer begnadeten Hügellandschaft im Karpatenbogen, aufgewachsen, wo man sozusagen von Natur aus Winzer wurde. Ich bin es übrigens in dritter Generation. Hier bei den Siebenbürger Sachsen hatte der Weinbau wie in den benachbarten ungarischen und rumänischen Territorien entlang der Donau und in der Moldau seine südosteuropäischen Heimstätten. In der Baum- und Rebschule meines Vaters habe ich gelernt, was Arbeit bedeutet, und zugleich, wieviel es bedeutet, wenn sie Spaß macht.

Und die Härte des Landlebens?

Landwirtschaft, speziell Weinbau, ist harte Arbeit, ohne Zweifel. Aber das Ergebnis, wenn es gelingt, ist mehr denn ein Lohn. Es bietet schließlich auch einen ganz besonderen Genuss. Außerdem waren die siebenbürgischen Winzer in der Zwischenkriegszeit weithin geachtete Meister, bei denen sich sogar deutsche Fachleute Rat und Anregung holten. Ich erinnere mich gern an die Besuche von Geschäftspartnern aus dem "Reich" bei uns in Mediasch. Dass ich selbst allerdings einmal an Rhein und Mosel arbeiten würde, das war mir nicht in die Wiege gelegt. Der Weg hierher führte erst einmal durch die historische Katastrophe, durch Krieg, Gefangenschaft, Heimatverlust.

Waren die Entbehrungen der Preis für späteres Glück?

Ich glaube nicht, dass man das in Kategorien des Preis-Leistungs-Verhältnisses fassen kann. Glück ist erst einmal Zufall. Kein Zufall war es natürlich, dass ich mit meinem Hermannstädter Abitur in Deutschland die Gelegenheit ergriff, an der Landwirtschaftlichen Hochschule Stuttgart-Hohenheim zu studieren. Kein Zufall auch, dass ich meine Praktika in einer Weinbauschule, auf einem Weingut und schließlich in der Kellerei des Klosters Eberbach absolvierte und dann als wissenschaftlicher Hilfsassistent am Institut für Rebenveredlung und Rebenzüchtung in Geisenheim promovierte. Das alles ging auf meine Mediascher Herkunft zurück. Dass ich dann aber an die Universität Stellenbosch in Südafrika gehen und dort in der Forschung und als Kellereileiter elf Jahre lang tätig sein konnte, das lässt schon eher an eine Fügung glauben, obwohl ich es anfangs auch als Exil empfand. Es war schließlich eine ertragreiche und vergnügliche, eine glückliche Zeit.

Glück hat am Ende nur der Tüchtige?

Dabei war dies kein Ende, sondern erst der Anfang. Aber das Zitat ist nicht ganz richtig. Moltke, von dem dieses Wort stammt und der wohl wusste, wovon er redet, hat sich wesentlich vorsichtiger ausgedrückt: "Aber Glück hat auf die Dauer doch zumeist wohl nur der Tüchtige." Man beachte: "auf die Dauer doch zumeist wohl". Also möglicherweise auch nicht... Gesicherte Erkenntnisse gibt es da keine, und Spekulationen erübrigen sich. Ein Glück war, dass ich in Deutschland die Leitung der Staatsweingüter Kloster Eberbach im Rheingau, der größten deutschen Weingutverwaltung, übernehmen konnte. Dass es mir allerdings gelang, den Schritt von der Verwaltung zur Gestaltung zu tun, das war "zumeist wohl" weniger Schicksal als ganz einfach Arbeit.

Ganz einfach Arbeit, aber bestimmt keine einfache...

Natürlich war es ein "Karrieresprung" und zugleich ein Sprung ins frische Wasser. Kalt will ich es nicht nennen, ich habe es zumindest nie so empfunden. Wer Wein an- und ausbaut, muss selbstverständlich fachmännisch vorgehen wie jeder Profi irgendeiner Branche, er muss auf Produktivität und Effizienz achten und hat in leitender Position einige Verantwortung. Aber er hat ein ganz besonderes und besonders reizvolles Problem, und wenn er das nicht als Herausforderung versteht, wenn er es nicht buchstäblich genießen kann, dann ist er hier fehl am Platz. Er produziert und verkauft nämlich etwas, das nie nur Ware ist. Der Wein ist zugleich ein Genussmittel und ein Luxus, er ist ein Gegenstand kunstreicher Bemühungen und ein Kulturprodukt. Er strahlt eine Aura aus, die sich nicht beziffern, wohl aber vermarkten lässt.

Hat nicht die Kirche das immer schon gewusst?

Die christliche Kirche hat dieses Erbe der heidnischen Römer mit Bedacht angetreten. Nicht zuletzt der Wein ist es auch, auf dem die 850-jährige Tradition des Zisterzienserklosters Eberbach beruht. Nur aufgrund dieser Tradition, die sogar die Säkularisation vor 200 Jahren überdauert hat, war es uns möglich, dieses Kloster zu einer wichtigen Begegnungsstätte Deutschlands in Sachen Weinkultur zu machen. Im Übrigen ist es unter 1500 Zisterzienserklostern das besterhaltene und bot deshalb die ideale Innenkulisse für die Verfilmung von Umberto Ecos "Namen der Rose".

Und für Veranstaltungen, bei deren Begründung Sie auf einige Skepsis gestoßen sind, die sich aber mittlerweile aus der - neuen - Karriere des deutschen Weins nicht wegdenken lassen, von der Eberbacher Weinmesse oder den Weinseminaren der German Wine Academy bis hin zum Rheingau-Musik-Festival.

Nun, in Zeiten der globalen Beweglichkeit, des Tourismus, ist es ein guter Gedanke, die Menschen dorthin zu bringen, wo der Wein wächst, um ihnen so ein viel ursprünglicheres Erlebnis zu vermitteln, als es jede im Handel erworbene Flasche ermöglicht. Dieses Erlebnis ist nicht mehr nur ein sinnliches, sondern ein im besten Sinn geistiges, in dem Kultur und Geschichte, die Kunde von Land und Leuten, der kulinarische Genuss und die Freude an der Kunst eine erquickliche Symbiose eingehen. Wer einmal unsere Rheingau-Riesling-Route entlanggefahren ist, wird mit all den Namen, die auf den Flaschen stehen, anderes und viel mehr verbinden, als in den Flaschen drin ist. Wer einmal ein Konzert unseres Musikfestivals nebst önologischen Begleiterscheinungen erlebt hat, dem wird aufgehen, dass die hohe Kunst und die im tiefen Keller gereiften Köstlichkeiten in einem großen kulturellen Zusammenhang stehen.

Dieser Zusammenhang reichte, wie Sie erzählten, einst bis nach Siebenbürgen. Der Krieg und der Kalte Krieg haben ihn zerstört. Gibt es eine Chance, dass er wiederbelebt wird?

Chancen gibt es immer, man muss sie nur wahrnehmen und dann ergreifen. In den neunziger Jahren bin ich in offiziellem Auftrag in Rumänien und an Saale-Unstrut unterwegs gewesen und habe dortige Weinbauern und andere maßgebliche Leute beraten. Die Verheerungen tun einem, der die Vorgeschichte kennt, in der Seele weh. Aber das ist jetzt kein Thema. Diese Weinlandschaften müssen und können wieder werden, was sie einmal waren. Allgemeingültige Rezepte gibt es nicht, aber auch hier gilt: Zeigt den Menschen, dass ihr etwas zu bieten habt, holt sie heran, ladet sie ein, baut ihnen goldene Brücken, weingoldene Straßen - Weinstraßen. Dieses Konzept war in Südafrika erfolgreich, und unsere Rheingau-Riesling-Route hat auch hier gezeigt: Der Weg ist das Ziel. Dass diese Anregungen weiter östlich vorerst nur reserviert aufgenommen werden und es mit der Umsetzung hapert, ist vor dem historischen Hintergrund verständlich, aber in meinen Augen fahrlässig. Unbekanntheit ist nicht Schicksal, sondern eine Unterlassungssünde.

Europa könnte auch am gemeinsamen Geist des Weines genesen?

Zur Genesung braucht es natürlich mehr; der "Geist", das wäre ja die Software, und es ist müßig, sich darüber zu unterhalten, solange es die Hardware nicht gibt: solide Produktion, seriöse Handelsbeziehungen und eine funktionierende touristische Infrastruktur. Dies alles aber ist in kürzester Zeit zu schaffen, denn der Bedarf, ja das Bedürfnis ist vorhanden. Ich behaupte sogar, dass jemand, der die Erzeugnisse einer "fremden Scholle" schätzen lernt, sich diese "Scholle" auch geistig zu Eigen macht. Salopp formuliert: Wenn die Toskana-Fraktion mit der Bordeaux-Fraktion und die Loire-Fraktion mit der Rheingau-Fraktion Koalitionen eingehen und es diesen gelingt, die Winzer von der Donau und beiderseits des Karpatenbogens als Juniorpartner zu gewinnen, dann steigt europäischer Geist sozusagen aus der Flasche.

Ist das nicht bedenklich?

Weingenuss hat mit Alkoholsucht nichts zu tun. Im Gegenteil: Sie schließen sich aus. Trinker sind keine Genießer, denn Genuss setzt Kenntnis voraus. Diese versuche ich zu vermitteln, und so bin ich ganz nebenbei zum Autor geworden, dessen Name in vielen Büchern steht. Es sind Lexika, Monographien, samt und sonders Sachbücher, denn mein Anliegen ist fachorientiert. Das Wunder des Weins erschließt sich nur, wenn man es nüchtern angeht. Es ist so einfach wie mit der Kunst, von der Nestroy ja gesagt hat, sie ist schön, macht aber viel Arbeit.

Dr. Ambrosi, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Schlagwörter: Interview, Wissenschaft, Weinbau

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