1. März 2003

Prof. Dr. med. Hans Wolff

Prof. Dr. med. Hans Wolff ist Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten und Oberarzt der Klinik für Dermatologie und Allergologie am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München. Im folgenden Gespräch bezieht der aus Siebenbürgen stammende, renommierte Dermatologe und Allergologe Stellung zu aktuellen Themen der Gesundheitspolitik und der Internet-Medizin. Die Fragen stellte Robert Sonnleitner.

Aus welcher siebenbürgischen Ortschaft stammen Sie?

Geboren wurde ich am 25. April 1959 in Zeiden, aufgewachsen bin ich bis zu meinem 4. Lebensjahr in Weidenbach bei Kronstadt.

Seit wann leben Sie in Deutschland? Was bewog Sie, Siebenbürgen zu verlassen?

Grund der Auswanderung meiner Eltern waren die Repressalien des kommunistischen Systems in Rumänien. 1964 kam ich mit meinen Eltern nach Grafing bei München. Dort besuchte ich auch die Grundschule und das Gymnasium.

Und Ihr weiterer Ausbildungsweg?

Nach meinem Studium der Humanmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität in München (1980 - 1986) und einem zweijährigen Forschungsaufenthalt an der Harvard-Universität in Boston/USA bin ich seit 1989 am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München tätig. Seit 1994 bin ich Oberarzt und seit 2000 Universitätsprofessor für Dermatologie und Allergologie.

Haben Sie noch Verbindungen zu Siebenbürgen?

Leider nein. Ich habe aber das Glück, mit Siebenbürgerinnen wie Christa Wandschneider oder Waltraud Müller zusammenzuarbeiten

Warum sind Sie Arzt geworden?

Die Freude am Umgang mit Menschen und die Faszination für Biologie bewogen mich zum Medizinstudium.

Inwieweit fußt Ihr heutiger Erfolg auf der im Elternhaus in Siebenbürgen genossenen Erziehung? Anders gefragt: Welche Eigenschaften der Siebenbürger Sachsen schätzen Sie besonders?

Eigenschaften, die wohl jeder Siebenbürger in der Erziehung vermittelt bekommen hat: Rechtschaffenheit, Fleiß und Kameradschaft. Zusätzlich ist mir persönlich wichtig, auf bestimmten Gebieten auch Individualität und Nonkonformismus leben zu können.

Als Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten und als Spezialist für Haarausfallerkrankungen traten Sie schon oft in TV-Sendungen auf. Stehen nach so einer Sendung die Patienten Schlange für einen Sprechstundentermin bei Ihnen?

Nach einem Auftritt bei stern-tv häufen sich die Anfragen schon. Aber nicht nur nach solchen Sendungen haben wir beachtlichen Zulauf. Zum Glück habe ich gut ausgebildete Assistenten, die völlig selbstständig Patienten behandeln können. Dabei haben Kassenpatienten sogar einen Vorteil: Sie können täglich von 8.00 - 10.30 Uhr ohne Termin in unsere "Haarsprechstunde" kommen. Bei Privatpatienten, die mich persönlich sehen wollen, gibt es eine etwa dreimonatige Warteliste.

In Deutschland laufen mehrere Hundert Tele-Medizin- und Internet-Medizin-Projekte. Was halten Sie von diesem Trend? Wozu dann noch der persönliche Arztbesuch?

Ich halte das Internet für geeignet, aufgeklärten und gut informierten Patienten spezielle Fragen zu beantworten. Für eine Diagnosestellung ist das Internet ungeeignet. Hier sollte immer ein Arzt persönlich aufgesucht werden.

Für NetDoktor.de schreiben Sie Texte und beantworten Fragen aus der Rubrik "Frage den Arzt". Aus welcher Motivation heraus engagieren Sie sich dort?

Derzeit arbeite ich für zwei Internet-Portale: Bei www.haarerkrankungen.de beantworte ich Fragen von Patienten mit Haarproblemen, bei www.meinearztseite.de beantworte ich Fachanfragen von Ärzten. Meine Motivation ist dabei in erster Linie, mit diesem neuen Medium in Kontakt zu bleiben, um die Möglichkeiten und Grenzen besser einschätzen zu können.

Welchen Einfluss werden Informationstechnologien wie das Internet auf die Arzt-Patienten-Beziehung haben?

Die Patienten werden immer besser vorinformiert sein. Ein guter Arzt muss davor keine Angst haben.

Die Potenzpille Viagra hat weltweit sexuelle Hysterie entfacht. Und schon tüfteln Forscher an neuen Lifestyle-Drogen gegen Glatze und Wampe, für Muskeln und Samthaut. Was halten Sie von dieser Entwicklung?

Eine unschöne Haut, ein unförmiger Körper, Haarausfall und mangelnde Potenz können für die Betroffenen die Lebensqualität wesentlich stärker einschränken als ein erhöhter Blutdruck oder ein schlechter Cholesterinwert. Daher halte ich die Entwicklung und den Konsum solcher "Lifestyle-Medikamente" für völlig legitim.

"Propecia" war das erste wirksame Medikament gegen hormonell bedingten Haarausfall bei Männern. Klinische Studien ergaben: In mehr als 80 Prozent aller Fälle brachte "Propecia" die Glatzenbildung zum Stillstand oder die Haare wieder zum Sprießen. Inwieweit waren sie an der Entwicklung dieser "Wunderpille" beteiligt?

Wir in München waren das einzige deutsche Zentrum, das an den großen internationalen Studien teilgenommen hat. Daher bin ich mit den Wirkungen und Nebenwirkungen von "Propecia" nun seit fast zehn Jahren sehr genau vertraut.

Stichwort Gesundheitspolitik: Welche Themen liegen Ihnen besonders am Herzen?

Unser Gesundheitssystem halte ich für einen Augias-Stall, der einmal ordentlich ausgemistet gehört: Jeder betrügt hier jeden! Leider steht für eine klare Gesundheitsreform kein Herkules zur Verfügung. Am wenigsten geeignet sind hierfür die rot-grünen Dilettanten unter Führung von Ulla Schmidt.

Besonders lautstark protestieren momentan die Ärzte, die unter anderem dazu aufrufen, Praxen zu schließen und nur noch "Dienst nach Vorschrift" zu machen. Finden Sie die Appelle der Ärzteverbände in Ordnung?

Solange eine Notfallversorgung gewährleistet ist, habe ich Verständnis für solche Aktionen. Man kann sich kaum vorstellen, mit wie viel Papierkram die Verwaltungs-Wasserköpfe der Krankenkassen die Ärzte drangsalieren.

Was würden Sie, wenn Sie die Möglichkeit hätten, am deutschen Gesundheitssystem sofort verändern?

Ziele, die unbedingt erreicht werden sollten, sind:
- Weiterhin eine umfassende Grundversorgung für jeden Versicherten, bis hin zur Herztransplantation. Jedoch all die unwirksamen Mittelchen, z.B. gegen Erkältungen, sollten nicht mehr von der Krankenkasse gezahlt werden.
- Jede Art von Betrug durch Ärzte an den Krankenkassen und Patienten sollte drakonisch bestraft werden, mindestens durch Entzug der Kassenzulassung.
- Schließlich wären die meisten Ärzte sehr froh, wenn ihre Arbeit zumindest so vergütet würde, wie bei einem Handwerker. Nicht wenige Ärzte schuften für Hilfsarbeiterlöhne.

Lassen Sie uns ein wenig über die Zukunft des Gesundheitswesens spekulieren. Was sind für Sie die interessantesten Entwicklungen, die die Zukunft bringen wird? Wohin steuert die Hightech-Medizin?

Wenn es nach den Krankenkassen ginge, gäbe es überhaupt keinen medizinischen Fortschritt mehr. Das Risiko des medizinischen Fortschritts trägt vor allem die Pharma-Industrie. Die Entwicklung eines neuen Medikamentes kostet Hunderte Millionen von Euro! Durch diesen Fortschritt müssen heute z.B. Magengeschwüre nicht mehr operiert werden und Patienten mit psychischen Problemen müssen nicht mehr in "Irrenanstalten" weggesperrt werden. Was aber tun die Kassen? Sie beschweren sich über die "hohen Kosten" solcher innovativen Medikamente.

Welchen Zugang haben Sie persönlich zu alternativen Heilmethoden?

Als wissenschaftlich denkender Mensch halte ich davon wenig. Obwohl biologisch meist unwirksam, sind alternative Heilmittel aber gelegentlich trotzdem hilfreich, weil der Patient daran glaubt (so genannter Placebo-Effekt).

Was tun Sie am liebsten, wenn Sie nicht als Arzt unterwegs sind?

Die Natur sportlich genießen, am liebsten durch Mountain-Biking.

Ihr Erfolgsgeheimnis?

Mit Begeisterung das tun, was wirklich Spaß macht. Wenn etwas einmal keinen Spaß macht (z.B. Prüfungsvorbereitungen), nicht lamentieren, sondern Ärmel hochkrempeln. Und: "Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen!"

Vielen Dank für das Gespräch.

Link: Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie und Städtisches Krankenhaus Thalkirchner-Straße

Schlagwörter: Wissenschaft, Medizin, München, Burzenland

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