31. Juli 2002

Adrian Vierita

Interview mit dem neuen rumänischen Botschafter in Berlin, Adrian Vierita / Landsmannschaften als Motor der Zusammenarbeit zwischen Rumänien und Deutschland.
Nach einer längeren Vakanz hat Rumänien seit Jahresanfang wieder einen Botschafter in Berlin. Mit seinen 40 Jahren ist Adrian Vierita einer der jüngsten rumänischen Botschafter überhaupt. Dass er einen so wichtigen Posten wie den in Berlin erhielt, zeugt von dem großen Vertrauen, das Bukarest in seine Fähigkeiten setzt. Adrian Vierita hat zunächst Maschinenbau studiert. Nach der rumänischen Revolution absolvierte er ein Studium an der Diplomatischen Akademie in Wien. Danach arbeitete er für sein Land bei der UNO und bei der OSZE in Wien. Das nachfolgende, in gekürzter Fassung veröffentlichte Interview mit Adrian Vierita führten die Berliner Landesvorsitzenden der Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben, Johann Schöpf bzw. Ernst Meinhardt nach einem ausführlichen Meinungsaustausch.

Herr Botschafter, in der Vergangenheit hieß es immer wieder, die deutsche Minderheit in Rumänien könnte eine Brückenfunktion zwischen Rumänien und Deutschland übernehmen. Nach 1989/90 sind die meisten Deutschen aus Rumänien ausgereist. Kann die kleine, in Rumänien verbliebene Minderheit noch eine Brücke zwischen den beiden Ländern sein?

Ich denke schon. Wenn Rumäniendeutsche ihre Verwandten in Deutschland besuchen oder wenn sie Besuch von ihren Verwandten aus Deutschland erhalten, so kommt es zu einem ständigen Informationsaustausch. Auf diese Weise erfährt man, was in Rumänien und was aktuell in Deutschland geschieht. Das ist die von Ihnen erwähnte Brücke.
Wir sollten auch nicht vergessen, dass es Bundesdeutsche oder bundesdeutsche Verbände gibt, deren Mitglieder nicht aus Rumänien stammen, die jedoch daran interessiert sind, unser Land zu besuchen, vor allem jene Regionen, in denen Deutsche leben. Sowohl Rumänien als auch Deutschland legen Wert darauf, dass die Rumäniendeutschen ihre kulturelle Identität bewahren. Aufgrund eines 1992 geschlossenen Freundschaftsvertrages arbeitet zum Beispiel eine gemischte deutsch-rumänische Kommission, die für die deutsche Minderheit in Rumänien zuständig ist. Die neunte Sitzung fand kürzlich in Berlin statt, die nächste findet 2003 in Rumänien statt. Somit haben auch die Behörden ein Mittel, um diese Brücke zu festigen.

Innerhalb von zehn Jahren ist die deutsche Minderheit um die Hälfte auf 60 000 Personen geschrumpft. Haben die deutschen Kindergärten, Schulen, Theater, Zeitungen usw. angesichts dieser Entwicklung eine Zukunft?

Das ist schwer vorherzusagen. Ich glaube, dass diese Institutionen eine Zukunft haben, dass es in den Großstädten weiterhin deutsche Schulen geben wird. Ich glaube dies, weil ich weiß, dass es sehr viele rumänische Kinder gibt, die eine deutsche Schule besuchen möchten. Gleiches gilt für rumänische Eltern, die ihre Kinder eine deutsche Schulen schicken. Es ist auch nicht auszuschließen, dass ausgereiste Deutsche nach Rumänien zurückkehren, wenn sich die wirtschaftliche Lage des Landes verbessert. Auch das würde zum Fortbestand dieser Institutionen beitragen.

Herr Botschafter, Sind Ihnen die Schwierigkeiten deutscher Hilfsorganisationen mit rumänischen Zollstellen, auch mit dem so genannten Binnenzoll bekannt? Gibt es Einfuhrlisten für Hilfsgüter, die man nicht nach Rumänien einführen darf, zum Beispiel Baumaterialien, wenn auch in geringen Mengen? Wenn das so ist, kann man von hier aus etwas tun, um Schwierigkeiten zu vermeiden? Könnten diese Organisationen schon bei der hiesigen Botschaft Listen vorlegen, um feststellen zu lassen, was sie mitnehmen dürfen, um vor Ort Hilfe für Jugend- oder für Senioreneinrichtungen leisten zu können?

Ich habe von diesem Problem bei meiner Ankunft in Deutschland erfahren. Es ist zweifellos ein Schwachpunkt in der Tätigkeit der Botschaft, dass sie nicht in der Lage war, Organisationen, die in Rumänien humanitäre Hilfe leisten, mehr Informationen zur Verfügung zu stellen. Auf dieses Problem wurde ich schon mehrmals angesprochen. Ich glaube, dass wir bei dessen Lösung mehrere Aspekte bedenken müssen. Zum einen wird die rumänische Gesetzgebung laufend an die Gesetzgebung der Europäischen Union angepasst. Dies schließt die Zollgesetzgebung mit ein. Die Anpassung schreitet in dem Maße voran, in dem die Gespräche mit der Europäischen Kommission über die einzelnen Verhandlungskapitel voranschreiten. Bekanntlich hat die rumänische Regierung beschlossen, die Verhandlungen zu beschleunigen. Dies geschieht mit hohem Tempo, so dass man mitunter den Eindruck gewinnt, es ginge ziemlich chaotisch zu. Chaotisch wegen des Tempos, mit dem Normen durch andere ersetzt werden oder mit dem Normen überhaupt eingeführt werden. Andererseits ist eine gewisse Trägheit bei der Annahme dieser Normen durch die Betroffenen oder bei der Veröffentlichung der Normen nicht zu leugnen. Daher kommt es schon mal vor, dass Leute erst an der Landesgrenze von der Existenz irgendwelcher Bestimmungen erfahren.
Ein anderer Punkt hat mit den Möglichkeiten der Botschaft zu tun, geeignete Informationen darüber zur Verfügung zu stellen, was nach Rumänien den Gesetzen entsprechend eingeführt werden darf. Wir versuchen eine Lösung zu finden, die es uns erlaubt, effizient zu arbeiten. Das ist nicht ganz einfach. Und dann kommt es auch zu Schwierigkeiten an Ort und Stelle. Wenn wir davon erfahren, informieren wir die zuständigen Stellen darüber in der Hoffnung, dass sie eine Lösung finden.

In der Vergangenheit waren die Beziehungen zwischen den diplomatischen Vertretungen Rumäniens und den Landsmannschaften der Rumäniendeutschen, also der Siebenbürger Sachsen, der Banater und der Sathmarer Schwaben, der Buchenland- und der Dobrudschadeutschen stets korrekt. Nach der Revolution von 1989 sind diese Beziehungen sogar herzlich und freundschaftlich geworden. Welche Bedeutung haben für Sie die Beziehungen zu den Landsmannschaften?

Nicht nur für mich als Chef der diplomatischen Mission Rumäniens in Berlin, sondern für unser gesamtes Haus haben die Beziehungen zu den Landsmannschaften der Rumäniendeutschen einen außergewöhnlich hohen Stellenwert. Die Landsmannschaften waren mir immer sehr nahe, und sie sind es nach wie vor. In den vier Monaten, seitdem ich in Berlin bin, konnte ich schon einige Gespräche mit Vertretern der Landsmannschaften führen -– leider nicht so viele, wie ich es mir gewünscht hätte. Dabei stellte ich fest, was ich eigentlich schon vorher gewusst hatte, dass nämlich die Landsmannschaften sehr aktiv sind und dass sie auf bestimmten Gebieten zum Motor der Zusammenarbeit zwischen Rumänien und Deutschland werden können. Sie sind jene Brücke, die wir vorhin ansprachen.
Wir sollten nicht vergessen, dass die Mitglieder der Landsmannschaften auch etwas vom Geist der rumänischen Kultur nach Deutschland mitgebracht haben. Eigentlich sind diese unsichtbaren Verbindungen die dauerhaftesten. Ich kann nur immer wieder beteuern, wie groß unsere Wertschätzung für das ist, was die Landsmannschaften tun, und dass sie uns sehr nahe sind.

Herr Botschafter, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und wünsche Ihnen für Ihre Tätigkeit in Deutschland weiterhin alles Gute.

Schlagwörter: Interview, Politik

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