29. Januar 2009

Werner Föderreuther: Ein fränkischer Freund, der sich für Siebenbürgen begeistert

Was es heißt, ein schönes altes Stück, eine Sammlung zu sehen, in den Händen zu halten, gar Einzelnes zu besitzen, wissen wir auch. Aber ein einmal im Wortsinn lieb gewonnenes Gebiet so zäh zu beackern, seit 1980 regelmäßig, manchmal sogar dreimal im Jahr zu bereisen, alle einschlägigen Museen im inneren Karpatenbogen und darüber hinaus sowie die Sammler zu kennen, den ansprechbaren Bekanntenkreis bis hin zu ganzen Sippen aus diversen siebenbürgischen Orten anzureichern, die persönliche Bibliothek mit Büchern zu bestücken, von denen mancher nicht einmal gehört hat – das alles schätzen wir an Werner Föderreuther, dem im fränkischen Hartmanns­hof lebenden und dort am 28. Januar 1939 geborenen Volkskundler.
Förderreuther hat neben anderen Bei­trägen zusammen mit Rose Schmidt 2001 das Buch „Der Hände Fleiß. Siebenbürgische Haus­textilien als Wohnungsschmuck“ veröffentlicht und arbeitet seither an einer Dokumentation ländlicher siebenbürgisch-sächsischer Möbel. Es heischt Respekt und macht Mut, dass sich auch Nichtsiebenbürger so intensiv für unsere volkskundlichen Belange engagieren können. Das folgende Interview führten Hanni und Michael Markel.

Sie sind Franke, da ist doch die Beschäftigung mit siebenbürgischer Volkskunde/Sachkultur nicht gerade das Nächstliegende. Wie ist dieses Interesse geweckt worden und wie ist es ge­wach­sen?

Werner Förderreuther. Foto: Michael Markel ...
Werner Förderreuther. Foto: Michael Markel
Ähnliches gibt es ja auch in Franken. In meiner Kindheit standen in der Schlafstube meiner Großeltern zwei bemalte fränkische Schränke. Da hat man erkannt: Aha, es gibt diese Dinge, und ist sehr früh hineingekommen. Später sind wir herumgezogen – mein Vater kannte wirklich Gott und die Welt –, da konnte man auf den Bauernhöfen noch viel sehen: Schränke, Tru­hen, Himmelbetten, Wiegen und und und. Heute habe ich im Umkreis sicher die größte einheimische Privatsammlung.

Dann war im Haus ein alter Schulatlas, da fand ich bei Völkern und Konfessionen weit im Osten Deutsche, Evangelische inmitten Anderer, dazu die Namen Siebenbürgen und Hermann­stadt. Und ich fragte mich, was das denn sei, so weit weg. Ende der 1970er Jahre fiel mir dann das Buch Siebenbürgen. Land des Segens (Mün­chen 1977, mit Bildern von Dieter Knall und einem Text von Albert Klein) in die Hand. Fas­zi­niert haben mich da diese ganz einfachen Dinge, z. B. Bogeschdorf, eine Frau mit Kindern, die Brot heimträgt. ‚Wie früher bei uns‘, dachte ich und erinnerte mich, wie wir als Kinder Brot vom Bäcker geholt und vom Schlitten in den Schnee gekippt hatten.

1980 bin ich dann nach Siebenbürgen gefahren. Ich bin viel herumgekommen, dann geht man in volkskundliche Museen. Und dann stand ich im Brukenthalmuseum vor dieser Katzen­dorfer Stube und war fasziniert. Gute 1500 km weg, und dann dieses! Nebenan war eine rumänische Stube, von Drăguș, beide nur etwa 100 km Luftlinie voneinander entfernt, aber Welten dazwischen, wirklich zwei Welten. Dieses Säch­sische, dieses Gebundene, Eingerahmte – das ist Mitteleuropa. Gut: siebenbürgisch geprägt, aber ... Ich stand da, ewig lange, vor dieser Stube. Das war das Schlüsselerlebnis. Aber auch sonst­wo, Reußmarkt oder Draas oder Klosdorf, diese kleinen Dorfkirchen, wie bei uns zu Hause.
Winkelalmerei, Reps 1700. Foto: Werner ...
Winkelalmerei, Reps 1700. Foto: Werner Förderrreuther
Offensichtlich ist es das Holz in seiner Verar­beitung, das Sie ganz besonders angezogen hat. Gibt es dafür familiäre Wurzeln?

Krieg und Kriegsende haben wir halbwegs unbeschadet überstanden. Die Familie hatte ursprünglich eine kleine Landwirtschaft, aber durch die Erbfolge bedingt hatte mein Vater Tischler gelernt, und in diesem Betrieb habe auch ich gelernt. Es folgten dann sozusagen Lehr- und Wanderjahre, Nürnberg, Baden-Würt­temberg, Schweiz, und dann die Meisterschule in Garmisch, drei Semester. Der Leiter war eigentlich Künstler und dort fehl am Platz, aber mir hat er durch seine Sichtweise der Dinge sehr im­poniert. Zum Freihandzeichnen brachte er uns ins Tiroler Volkskundemuseum Innsbruck, in die (unbemalten) spätromanisch-gotischen Stuben. Das war ein Erlebnis, ganz unwahrscheinlich, und das hat meine Sichtweise auf die Möbel Sie­benbürgens auch bestimmt.

Bald nach der Meisterprüfung habe ich dann die Firma übernommen und jahrelang mit bis zu 15 Mitarbeitern oft unter gehörigem Zeit­druck und mit Zusatzschichten Aufträge auf Groß­bau­stellen ausgeführt.

Und in all den Jahren schlummerte das Hob­by?

Es schlief. Und wie es schlief! Ich bin dann aber mit 57 in Rente gegangen und habe ein Studium angefangen, zuerst in Nürnberg, dann in Würzburg und Bamberg. Insgesamt sieben Jahre hindurch, um ein bisschen Rüstzeug in Sachen Volkskunde zu erwerben. Anders als die jungen Studenten (zu denen ich übrigens ein gutes Verhältnis hatte) konnte ich mich auf eigene Erfahrung und Anschauung stützen. Ich habe Museen in aller Herren Länder besucht und meine, sie gut zu kennen. Zu einigen Stü­cken bin ich auch öfter gefahren, so zu einer wertvollen Stollentruhe in Dietenheim/Südtirol, die ich gleich für eine siebenbürgische hielt. Es ließ sich klären, dass sie tatsächlich aus Deutsch-Kreuz stammt und ihr letzter Besitzer nach Amerika ausgewandert war, leider nicht, wie sie ins Südtiroler Museum gelangt ist.

Die Fülle der Beobachtungen vor Ort hat es an sich, einen leicht vom Hundertsten ins Tausend­ste zu führen. Wie haben Sie ihre wichtigsten Interessenfelder abgesteckt?

Gewiss, die Gefahr, sich zu verzetteln, ist im­mer da, die Dinge sprechen einen halt an. Tex­tilien habe ich immer als Hauptgebiet von Frau Rose Schmidt betrachtet, die laufen im Hinter­grund mit, wie Keramik oder andere gelegentliche Themen. Auch mit Christleuchtern habe ich mich in letzter Zeit befasst. Wissen Sie, ich kenne eine Menge Leute aus den verschiedenen Orten. Aber manchmal kommt man schwer an genaue Angaben. Trotzdem ist es gelungen, einige Lich­terchen nachzubauen, im Vorjahr von Arkeden, jetzt von Streitfort und Katzendorf. Tatsächlich aber möchte ich die Sache mit den Möbeln bald aus der Hand haben.

Möchten Sie Genaueres zu diesem Buchpro­jekt sagen?

Schwerpunkt sind schon Möbel und Möbel­ma­lerei. Doch die hängen oft so eng mit bemalter Kirchenausstattung zusammen, dass man mitunter die gleiche Hand zu erkennen glaubt. Häus­liche Gerätschaften gehören sicher auch dazu, aber nicht weniger die bisher eher vernachlässigten Türen, Türstöcke, Deckenbretter oder Wie­gen, für die ich sogar mehrere Kon­struktionsar­ten belegen kann. Neben Betten, Tischen, Stüh­len sind natürlich die verschiedenen Sorten von Truhen spannende Themen. Ich erinnere mich, wie es mich bis in die Knochen durchfuhr, als ich in Deutsch-Weißkirch vor der Truhenbank von Familie Müller stand. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Ich kannte es aus der Literatur als nordische Langbank, und das war in Siebenbür­gen gang und gäbe! Ich halte die Gegend um Reps mit Ausstrahlung Richtung Schäßburg, vor allem Keisd, für besonders ausgeprägt und aussagekräftig und werde mich darauf beschränken. Kirchenausstatter lassen sich gelegentlich aus Rechnungsbüchern, Tischler oft aus Ortsma­trikeln ermitteln, doch ist nicht zu vergessen: Möbel sind nicht signiert. Ich bin mit Zuordnun­gen zurückhaltend.

Ziehen Sie auch schreinerische Gesichtspunk­te in Betracht?

Natürlich, ich vermesse die Objekte, beschreibe sie, will aber auch die Benennungen belegen, denn es betrübt mich, dass die Leute die Namen von Dingen nicht mehr kennen, mit denen sie noch vor kurzem einträchtig lebten. Ich will nicht auslegen, ich will belegen. Wichtig ist für mich, dass man den nachkommenden Genera­tionen, den Sachsen zeigt: „Schaut her, das war!“ Da mögen sie ruhig stolz drauf sein.

Schönen Dank für das Gespräch. Wir wünschen noch viele Jahre Gesundheit und Kraft, Ihre Vorhaben umzusetzen!

Schlagwörter: Kultur, Volkskunde

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