28. Februar 2011

Erfolgreiches Jahr für Secondos-Programm

Schatz, Schwert und Geschenk: Prof. Dr. Thomas Strothotte, Rektor der Universität Regensburg, fand viele Metaphern für zweisprachiges Aufwachsen, als er am 10. Februar in München einen Vortrag über das Secondos-Programm hielt. Dieses inzwischen erprobte Programm bietet Studenten mit so genanntem Migrationshintergrund nun seit einem Jahr die Möglichkeit, das Heimatland und die Kultur ihrer Eltern im Zuge eines Auslandjahres zu erkunden.
Schatz deswegen, weil es ein Privileg ist, eine Zweitsprache in die Wiege gelegt zu bekommen, anstatt sie mühsam erlernen zu müssen.

Schwert, und zwar ein zweischneidiges, deswegen, weil viele Menschen, die zweisprachig aufwachsen, damit Schwierigkeiten haben: Manch einer musste sein Heimatland unfreiwillig verlassen. Und ein Neubeginn in einem anderen Land ist in jedem Fall eine Herausforderung, schon allein, weil die Integration nicht in allen Fällen problemlos abläuft. Deswegen verstecken oder vernachlässigen viele ihre Zweitsprache – und damit eine wertvolle Fähigkeit.

Geschenk schließlich deswegen, weil man es, so Strothotte, auspacken kann, indem man die Kultur der Eltern entdeckt. Sich in zwei Kulturen zurecht zu finden, ist ein großer Vorteil, den man nicht nur fürs spätere Berufsleben nutzen kann.

Vor diesem Hintergrund, den der Rektor nur zu gut kennt – er selbst ist als Kind deutscher Eltern in Kanada aufgewachsen – startete er im Wintersemester 2009/10 mit der Universität Regensburg das Secondos-Programm. Zur Erklärung: Der Begriff Secondos kommt aus der Schweiz und bezeichnet Menschen, die zwischen zwei Kulturen aufwachsen, weil ihre Eltern vor oder nach ihrer Geburt das Heimatland verlassen haben.

Dass es zumindest anfangs schwierig sein kann, Interessenten zu finden, weiß Strothotte. Auch wenn theoretisch genug Potential vorhanden wäre: Von den ca. 10% Studierenden mit Migrationshintergrund sind laut Schätzungen der Uni Regensburg 90% zweisprachig aufgewachsen. Und in wenigen Jahren dürfte sich die Zahl der betreffenden Studenten noch auf 33% erhöhen. Obwohl das Programm noch nicht sehr bekannt ist, konnte man für den Pilotversuch zwölf Studenten und in diesem Jahr bereits 38 Secondos dafür begeistern.

Oliver Repaszky, Teilnehmer am Secondos-Programm, ...
Oliver Repaszky, Teilnehmer am Secondos-Programm, mit Dr. Rudolph Graef, Prorektor der Babeș-Bolyai Universität in Klausenburg. Foto: Meike Kolck-Thudt
Drei davon waren stellvertretend für ihre Kollegen bei dem Vortrag in München anwesend. Einer von ihnen, Oliver Repaszky, 23, ist gebürtiger Banater aus Steierdorf (Anina), einem österreichischen Aussiedlerdorf. 1990 wanderte seine Familie nach Deutschland aus und er verlernte die rumänische Sprache. Jetzt studiert Oliver gerade in Rumänien auf der Partneruniversität Babeș-Bolyai in Klausenburg. Er macht den Master in Wirschaftsinformatik – seit September im deutschsprachigen Studiengang internationales Management. „Ich kann von dem Aufenthalt in Klausenburg nur Positives berichten: die Stadt ist vielfältig, kulturell ansprechend, und – dreisprachig“, erzählt er und zeigt sich zufrieden. Das Programm helfe ihm, die rumänische Sprache neu zu entdecken und aufzufrischen.

Die Generalkonsulin von Rumänien, Brândușa Ioana Predescu, betont gegenüber der Siebenbürgischen Zeitung, dass Rumänien als erstes Land angesprochen worden sei und sofort die Chance ergriffen habe, bei diesem Projekt mitzumachen. Heute sei sie „als Zeichen der Wertschätzung für dieses ausgezeichnete Programm“ hier: „Es ist zukunftsweisend, wie sich die akademische Welt an die Herausforderungen des neuen Europas anpasst“. Auch die Generalkonsulen der anderen fünf beteiligten Länder (Kroatien, Russland, Ungarn Polen und Ukraine) waren der Einladung gefolgt oder hatten zumindest Vertreter geschickt.

„Das Attraktive an der Uni Klausenburg ist, dass als sie einzige Rumäniens dreisprachig, also rumänisch, deutsch und ungarisch, geführt wird. Die Kooperation ist deswegen besonders interessant für Studierende“, meint Dr. Rudolph Graef, Prorektor der Babeș-Bolyai Universität. Und er weiß, wovon er spricht: Er selbst ist mit der rumänischen und deutschen Sprache aufgewachsen.

Dass das Projekt beiden Seiten am Herzen liegt, merkt man auch im Umgang der Rektoren mit ihren Studenten, man ist fast geneigt, sie Schützlinge zu nennen. Damit alles gut läuft, kümmern sich Prof. Dr. Walter Koschmal als Leiter und Lisa Unger-Fischer als Koordinatorin des Secondos-Projekts um einen reibungslosen Ablauf. Bei ihnen wird man persönlich und individuell betreut – ein Luxus, von dem so mancher Student nur träumen kann. Interessierte melden sich in drei Schritten an: Zuerst inskribiert man an der Uni Regensburg, zu den allgemeinen Bedingungen und Zeiten, für die Studienrichtung seiner Wahl, dann füllt man im Internet das Anmeldeformular des Secondos-Programms aus (unter http://www.uni-regensburg.de/europaeum /secondos/anmeldung/index.html). Und als letzter Schritt steht ein persönliches Gespräch auf dem Programm.

Wenn alles erledigt ist, studiert man ein Jahr in Regensburg und ein Jahr (oder auch nur ein Semester) an der gewünschten Partneruniversität, um dann für das letzte Jahr wieder nach Regensburg zurückzukehren. Sofern die Partneruniversität das anbietet, bekommt man anschließend von beiden Universitäten den Abschluss. Für den Arbeitgeber wird – im Gegensatz zu herkömmlichen Auslandssemestern – zusätzlich durch ein Zertifikat sichtbar gemacht, dass sich der Secondo in zwei Kulturen bestens zurechtfindet. Studienbegleitend kann man Sprachkurse besuchen. Und da sich das Secondos-Programm nicht nur an Menschen richtet, die tatsächlich zweisprachig aufgewachsen sind, werden die Sprachkurse auf das individuelle Sprachniveau abgestimmt. Es gibt also Angebote für blutige Anfänger genauso wie für solche, die eine zweite Sprache zwar fließend sprechen, aber nie gelernt haben, in ihr zu schreiben. Das macht das Programm besonders interessant auch für Siebenbürger Sachsen, die in Deutschland aufgewachsen sind und Rumänien näher kennen lernen wollen, als man es bei einem Sommerurlaub tun kann.

Vorerst gibt es nur diese sechs Partneruniversitäten, man liebäugelt aber schon mit weiteren Ländern; Gespräche sind am Laufen. Fest steht, dass die Universität ihre guten Auslandsbeziehungen nutzen wird, um das Angebot zu vergrößern: Das nächste Ziel: 5% der Immatrikulierten der Universität für das Secondo-Programm zu gewinnen.

Meike Kolck-Thudt

Schlagwörter: Studium, Regensburg, Partnerschaften

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